Kritik an Habeck-Plänen zum Ausbau der Erneuerbaren: „Absolut unrealistisch“

Die EWI-Studie zum Ausbau der Erneuerbaren hat Union, FDP und Verbände aufgeschreckt. Sie fordern von Minister Habeck mehr Realismus in der Energiepolitik.
Windräder; Erneuerbare
Der Ausbau der Erneuerbaren geht Experten zufolge zu schleppend vonstatten. Hier Windräder im Salzlandkreis (Sachsen-Anhalt).Foto: Textbüro Freital
Von 29. Dezember 2022

Die jüngst vorgelegte Studie des EWI-Instituts über den Ausbau der Erneuerbaren Energien sorgt für Aufsehen bei Union, FDP und Verbänden. Der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Mark Helfrich, hat deutliche Kritik an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geübt. Er hält einen beschleunigten Ausbau in dem Umfang, der dem Minister vorschwebt, für unrealistisch.

Union und FDP sehen keine Erfolgsaussichten für Habeck-Pläne

Gegenüber der „Bild“ (Donnerstagsausgabe, 29.12.) äußerte Helfrich:

 

Habecks Pläne sind zum Scheitern verurteilt.“

Auch sein FDP-Kollege Michael Kruse hat sich in dem Blatt zu Wort gemeldet und erklärt, die Ampel müsse „den Gesamtprozess Windkraft völlig neu erfinden“. Nur so seien die selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele umsetzbar.

In diesem Zusammenhang brachte Kruse noch einmal explizit eine Verlängerung der Laufzeiten von KKW ins Spiel:

 

Um die Emissionen zu reduzieren, sollten wir in Deutschland die Ausstiegsreihenfolge neu diskutieren. Es macht keinen Sinn, die CO₂-freie Kernkraft jetzt vom Netz zu nehmen und die alte Braunkohle dafür länger laufen zu lassen.“

Habeck will Erneuerbaren-Anteil auf 80 Prozent anheben

Anlass für die Statements sind offenbar die Ergebnisse der Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln. Das „Handelsblatt“ hatte berichtet. Demzufolge erscheinen die Ausbaupläne der Bundesregierung für die Erneuerbaren bis 2030 als nicht machbar.

In den verbleibenden sieben Jahren bis 2030 müsste sich die Gesamtleistung der Windenergie zu Lande von derzeit 56 Gigawatt mehr als verdoppeln. Anvisiert sind 115 Gigawatt aus Windkraft. Dem EWI zufolge müsste Habeck einen Weg finden, ab sofort täglich etwa sechs neue Windräder mit einer Leistung von mindestens 4,2 Megawatt aufzustellen.

Derzeit liegt die durchschnittliche Nennleistung einer Windkraftanlage bei 2,8 Megawatt. Im Schnitt sind seit 2010 pro Tag 3,5 davon entstanden.

Habeck will den Anteil der erneuerbaren Energie am gesamten Stromverbrauch bis 2030 auf 80 Prozent steigern. Die zusätzlichen Erzeugungskapazitäten aus Windkraft sollen im kommenden Jahr bei fünf Gigawatt liegen. In den beiden darauffolgenden Jahren sollen sie erst auf acht, dann auf zehn zusätzliche Gigawatt steigen. Das Ministerium geht von einem künftigen Jahresstromverbrauch von 750 Terawattstunden aus.

VCI-Chef wider die „Ärmelschoner-Mentalität“

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, meldete sich ebenfalls in der „Bild“ zu Wort. Er kritisierte dabei die aus seiner Sicht zu lethargische Vorgehensweise bei der Errichtung neuer Windkraftanlagen. Zudem warf er Landsleuten vor, Lippenbekenntnisse zum Ausbau erneuerbarer Energien abzugeben, aber keine Anlagen in ihrer Nähe zu befürworten.

Ein „Not in my backyard“-Verhalten, so Entrup, sei „ein Verbrechen an der Zukunft Deutschlands“. Gegenüber „Bild“ erklärte er:

 

Wir sind in Deutschland noch Lichtjahre davon entfernt, die nötigen Mengen an grünem Strom zu produzieren. Die Uhr tickt unerbittlich. Mit Ärmelschoner-Mentalität packen wir es nicht.“

Er rief zu höherer gesellschaftlicher Akzeptanz für Windkraft- und Industrieanlagen auf. Zudem sei es vonnöten, die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.

BVerfG-Urteil als Hilfe beim Durchboxen der Erneuerbaren?

In der Praxis würde dies bedeuten, die Mitspracherechte von Anrainern bei der Planung neuer Anlagen deutlich zu beschneiden. In diese Richtung ging bereits das sogenannte Osterpaket der Bundesregierung. Darin hatte diese den Ausbau erneuerbarer Energie gesetzlich als „übergeordnetes öffentliches Interesse“ definiert.

Dies soll nicht nur helfen, Vorhaben gegen Klagen von Anrainern durchzuboxen, sondern auch mit Blick auf die naturschutzrechtliche Prüfung. Rückenwind verspricht man sich offenbar auch vom radikalen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgebot vom 24. März 2021. Dessen weitreichende Ermächtigung an die Politik, mögliche weitreichende Einschränkungen für künftige Generationen abzuwenden, könnte heute einen massiven Rückbau von Klagebefugnissen rechtfertigen.

(Mit Material von dts)



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