Kunsthistoriker Wichmann über den unnatürlichen Tod Ludwig II. (Teil 3)
Offenherzig, zielstrebig und inspiriert von der Vielfalt der Welt: Zu seiner Zeit war König Ludwig II. von Bayern eine Ausnahme-Persönlichkeit. Sein schillerndes Leben, das von Verleumdung überschattet worden war und durch Mord sein Ende fand, muss dringend richtig betrachtet werden, findet Siegfried Wichmann, denn laut ihm lebte und wirkte der engagierte Monarch vor allem für seine Mitmenschen.
Mit leuchtenden Augen beschreibt der 87-Jährige das Lebensgefühl von damals, als wäre er selbst dabei gewesen: „Wenn ich an die Weltausstellung von 1851 in London denke, wo es mit riesigen Eisenkonstruktionen möglich wurde, die Bäume einfach in die Architektur mit einzubeziehen – die Euphorie und Fantasie waren enorm. Das war ein plötzlicher Aufbruch in der Bevölkerung. Als Ludwig 1867 in Paris auf der Weltausstellung war, kaufte er islamische Kalligrafie und Architekturentwürfe.
Was das für ein unglaublich beweglicher Mann war, der da acht Tage von früh bis spät in der Weltausstellung unterwegs war. Welche Intelligenz, Kraft und Möglichkeiten er hatte, die Leute zu begeistern! Der König war der beste Kenner der Weltausstellungen; auch wenn er sie nicht selbst besuchen konnte, hat er sie alle anhand der Kataloge mitverfolgt.“
Mit Ludwigs Schlössern nahm diese Inspiration Gestalt an
„Er wollte mehr als nur Spaßvergnügen“, erklärt Professor Wichmann. „Das erstaunliche ist, dass er ganz neue Bautechniken eingeführt hat. Die Weltausstellungen konnten nur mit Riesenbauten und neuen Techniken durchgeführt werden. Der König hat ganz neue Elektrifizierungen und Farben entwickelt. Die Bürger lebten auf, indem sie nun alles selbst erwerben konnten, was sich die Könige früher erworben hatten. Diese neuen Lebensformen anzustreben und in ihnen auch zu leben, dass hat keiner so verstanden wie der König. Er baute überall Erfindungen ein, die er auf den Weltausstellungen wahrgenommen hatte; er hat die Neuzeit technisch gebündelt und in die Bauten des 14. Jahrhunderts einbezogen.“
Neben den täglichen Regierungsgeschäften und seinen großen Bau-Projekten fand Ludwig noch Zeit für Spezialgebiete, die mehr als Hobbys waren: „Als er in der Residenz seinen Wintergarten ausbaute, was hat er da allein mit der Vogelzucht gemacht. Er war auch einer der ganz großen Reiter seiner Zeit. Was diesen Mann alles beschäftigte: Er hat die Pferde seiner Zucht selbst geritten und sehr genau verstanden, welche Pferde besonders leistungsfähig waren, wenn er dann nächtliche Ausritte unternahm.“
Ludwigs Haus auf dem Schachen, das in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen als so genanntes Schweizerhaus ganz in Holz errichtet worden war, galt als ein beliebtes Ausflugsziel. In farbenprächtigem orientalischem Ambiente, erzählt der Professor, trank er dort mit seiner ganzen Mannschaft Tee: „Wenn er mit den obersten Stallmeistern da gewesen ist, dann musste einer islamische Sentenzen über Reiter vorlesen. Dieses Mitteilnehmenlassen seiner Mitarbeiter war großartig. Das geht weit über das hinaus, was wir heute darunter verstehen.“ Und mit einem Schwenk zu seinem eigenen Wirken, fügt er verschmitzt hinzu: „Mein Ziel an der Hochschule war auch immer, die Leute an der Forschung teilnehmen zu lassen und nicht die Information einfach nur rauszublasen und die Studenten zu verunsichern…“
Doch zurück zu Ludwigs Regierungs-Stil, den er laut Wichmann betrieb, „ohne das Geld rauszuschleudern. Den Maurischen Kiosk im Park von Linderhof in der Nähe von Neuschwanstein hatte er ja schon 1867 in Paris gesehen, Als er ´78 erfuhr, dass der Besitzer Pleite gemacht hatte, kaufte er ihn für 10.000 österreichische Gulden und baute ihn aus. Bis heute ist er das Wohlgefallen der Besucher, mit einem „Ah!“ gehen sie rein und mit einem „Oh!“ wieder raus. Noch stärker war es zu jener Zeit, weil die Leute alle teilhaben durften, der König ließ sie teilnehmen und damit war er wirklich ein Vater dieses Landes. Und er beschenkte sie unglaublich. Den Baumeistern und alle, die ihm nahe standen, hat er solche Schmuckbände machen lassen, weil er sich derartig gefreut hat.“ (Das waren leere Bücher mit Prachteinband, die als Tagebuch oder Gästebuch zu verwenden waren. Der Band, in dem die Aufzeichnungen von Löwenfeld versteckt waren, war genau so ein Buch.) Aber warum hat die Familie der Wittelsbacher diesen König so anheim gegeben? Diese Frage konnte der Professor bis heute nicht klären. War es aus Neid? Eins ist klar: Die Geschichte Bayerns wäre ohne Ludwig II. anders verlaufen.
„Die Prinzregentenzeit war eine enorm bewegte Zeit mit ganz neuen künstlerischen Entwicklungen. Das konnte nur geschehen, weil der Ludwig II. ein ganzes Heer von Handwerkern aller Sparten herangezogen hatte: Vergolder, Schnitzer, Gartenarchitekten… Es gab nichts in dem ganzen Arbeitsablauf, wo er nicht Leute herangeholt und ausgebildet hatte. Schauen Sie sich mal die Schlösser an, wie aufwendig, mit wie viel Fantasie und wie sie auch statisch gebaut sind. Die fantastischen Säle mit diesen Kronleuchtern, das hätte er doch nie machen können, wenn er nicht die Leute gehabt hätte.“
Dass Ludwig II. mit dem Bau seiner Schlösser den Staatshaushalt ruiniert hätte, ist laut Wichmann eine typische Legende, wie sie posthum von seinen Gegnern verbreitet wurde: „Diese 800 Millionen, die man ihm zur Last legt, sind aus dem Privatvermögen des Königs in vier Jahren abgedeckt gewesen.“ Was bedeutet, dass er die Schlösser eben doch selbst bezahlt hat. Außerdem glaubt Wichmann, dass der König von seinen Gegnern finanziell künstlich eingeengt worden war. Inwiefern seine Investitionen sich als Segen für die nächste Generation von Handwerkern ausgewirkt haben, wäre ein ganz neuer Forschungsaspekt: Ohne die kulturelle und künstlerische Basis, die Ludwig aufgebaut hatte, wäre die Prinzregentenzeit kein Erfolg geworden, befindet der Professor.
„Der König war ein genialer Mann, und das habe ich dargestellt. Und ich glaube auch, dass die Wittelsbacher noch begreifen werden, was sie an diesem König hatten, wenn er erst neu und richtig betrachtet wird. Und da, würde ich sagen, sind uns die Asiaten Freunde, die so etwas auch in seiner inhaltlichen Bedeutung entdecken können. Was ich vor allem an den Japanern so großartig finde, das ist die echte Bewunderung, die ein Volk haben kann durch die Einweihung in die Fantasiekraft.“ Bei seinem mehrjährigen Japan-Aufenthalt hatte er selbst die weit verbreitete Begeisterung der Japaner für Ludwig II. kennen gelernt.
Die herausragende Bedeutung der Schlösser, in denen Raum für Raum europäische Stilgeschichte nachvollzogen wird, sieht Wichmann als Kunsthistoriker „in dem historischen Ablauf, der da in optische Präsenz umgewandelt wurde!“ Aber dahinter steht für ihn noch eine größere Idee: „Es wurde ein ganz neues Verständnis entwickelt, wo der Bürger nun selber entscheiden kann, welche Lebensform er wählt. Der König gibt dem Volk dadurch auch eine neue Lebensform. Die Bedeutung von Ludwig II. liegt darin, dass er den Stil der Könige aufrichtig vertrat und sich bemühte, Herr des Stoffes, vornehmlich auch in geistiger Beziehung zu werden. Wenn Sie geistige Beziehungen weitergeben wollen, da müssen Sie schon eine Ausstrahlung haben! Der König war der Mann der Weitergabe eines besseren Lebens. Und er hat gezeigt, dass die geistige Führung eines Monarchen nicht wie im Sowjet-Sinne eine ganz gefährliche ist, sondern dass jeder der dem nachstrebt, in diese Lebensformen eintreten darf und kann.“
„Wenn man die Bevölkerung heutzutage immer einschüchtert und ihr jeden Abend in den Nachrichten erzählt: „Ihr werdet entlassen“, was ist das für eine brutale Gemeinheit! Wir müssen uns von den heutigen Beurteilungs- und Wertmaßstäben lösen und verstehen, dass die Leistung der monarchischen Absichten des Königs der Massenkunst und dem Ziel des Gesamtkunstwerkes entgegen kamen. Das finde ich einfach großartig, dass man daran dachte, dass sich der allgemeine Bürger erheben kann, wenn er es möchte.“
Teil 2: Ein Mord wird als Selbstmord dargestellt: Rekonstruktion der tragischen Ereignisse
Zur Person
Prof. Siegfried Wichmann war jahrzehntelang für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und an den Münchner Pinakotheken tätig. Er lehrte an mehreren Hochschulen und wirkte international u.a. in Japan und Kanada. Der 87-jährige Kunsthistoriker lebt heute in Starnberg. Die Ergebnisse seiner 28-jährigen Forschung rund um Ludwig II. veröffentlichte er 2007 im Selbstverlag unter dem Titel: „Die Tötung des Königs Ludwig II. von Bayern“. Das Buch bringt geheime historische Tatsachen ans Licht und würdigt Ludwig II. als internationalen Planer von genialer Persönlichkeit. Für 75 Euro erhältlich (ISBN 978-3-00-022234-4).
Erschienen in The Epoch Times 11/08
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