Leibniz-Institut zu Corona: Effekt der Schulschließungen liegt bei nahezu null

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Unterricht in Corona-Zeiten.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times24. November 2020

Schulen spielen in Deutschland einer Studie zufolge bislang keine große Rolle bei der Verbreitung des Coronavirus. Die Rückkehr zum vollen Schulbetrieb nach den Sommerferien habe weder bei Kindern noch bei Erwachsenen zu erhöhten Infektionszahlen geführt, teilte das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung am Dienstag in Essen mit. Gleichzeitig hätten die Ferien auch nicht zu einem signifikanten Sinken der Infektionszahlen geführt.

Die Studie basiert auf Daten des Robert-Koch-Instituts. Für die Analyse wurden statistische Methoden angewandt, welche die zeitversetzten Beginn- und Endpunkte der Ferien in den Bundesländern ausnutzen.

Der Effekt der Schulschließungen liegt demnach bei nahezu null. Während der Ferien waren die Kinder einem ähnlichen Infektionsrisiko ausgesetzt wie während des Schulbetriebs. Auch in den Herbstferien kam es zu keiner signifikanten Verringerung der Infektionen. Die Forscher fanden keine Hinweise darauf, dass die Schulschließungen im Sommer und Herbst Auswirkungen auf die Ansteckungswahrscheinlichkeit Erwachsener hatten.

Nach dem Ende der Sommerferien kam es nicht zu einem Anstieg der Infektionen. Vielmehr stieg die Zahl in den letzten Wochen der Sommerferien, bevor sie vor allem bei den jüngeren Altersgruppen in den ersten Tagen nach Schulbeginn wieder sanken.

Die Annahme, dass die Rückkehr zum vollen Schulbetrieb nach den Sommerferien wesentlich zur zweiten Welle der Corona-Pandemie beigetragen habe, erscheine unbegründet, erklärten die Forscher. Grund dafür seien möglicherweise die in den Schulen eingeführten Regeln zur Verhinderung von Ansteckungen.

Im Ergebnis lässt die Studie Zweifel aufkommen, ob Schulschließungen eine adäquate Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie sind.“

Kritik von Lauterbach

SPD-Politiker Karl Lauterbach kritisiert eine andere Datenauswertung, die nahelegt, dass die Corona-Dunkelziffer bei Kindern und Jugendlichen nicht so hoch sei, als wenig aussagekräftig.

Gegenüber dem Nachrichtenportal Watson sagt er: „Die Studie ist für die Lage heute ohne Bedeutung.“ Die Studie wurde von der Passauer Kinderklinik mit Unterstützung des Verbands Leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen durchgeführt und am Montag (23. November) veröffentlicht.

Dabei wurden die Daten von 110.000 jungen Patienten des vergangenen halben Jahres bis zum 18. November ausgewertet. Lauterbach meint, die Studie beschreibe einen Durchschnittswert der Infektionen „über einen Zeitraum, der zu 90 Prozent des Intervalls irrelevant“ sei.

In den Sommer- und Herbstmonaten, die den Haupterhebungszeitraum ausmachen, sei in Deutschland alles gut gewesen, was das Infektionsgeschehen betrifft: „Kinder und Erwachsene hatten wenige Fälle zu beklagen, weil die Fallzahlen erst sehr langsam stiegen.“

Das Wetter seit gut gewesen, man habe lüften können und sei zudem häufiger mit dem Fahrrad als den öffentlichen Nahverkehrsmitteln gefahren. „Viele Fälle gab es nur in Großbetrieben wie Fleischbetrieben oder nach großen Festen“, sagt Lauterbach.

Seitdem es allerdings wieder kälter geworden ist, hat sich die allgemeine Corona-Lage im Land allerdings verändert: „Seit zwei Wochen ist alles anders. Lüften geht schwer, voller Bus statt Fahrrad, viele Infektionen finden statt. Daher steigen die Fallzahlen bei Kindern sehr stark. Darauf müssen wir reagieren.“

Momentan befinden sich etwa 300.000 Schulkinder und 3000 Lehrer in Quarantäne. Lauterbach hatte deswegen schon zu einem früheren Zeitpunkt halbierte Klassen im Präsenzunterricht gefordert, um das Infektionsrisiko zu senken.

Kinderhilfswerk für mehr Handlungsspielraum für Schulen

Das Deutsche Kinderhilfswerk hat vor den erneuten Beratungen von Bund und Ländern zum weiteren Vorgehen in der Corona-Krise mehr Entscheidungsfreiheit für Schulen und Kitas gefordert. Bund, Länder und Kommunen müssten den Einrichtungen „künftig weitgehendere Handlungsspielräume für ortsspezifisch notwendige Corona-Maßnahmen“ schaffen und dafür Leitlinien erarbeiten, erklärte das Kinderhilfswerk am Dienstag. Das Ziel müsse sein, flächendeckende Komplettschließungen zu verhindern.

Aus einem „Setzkasten“ aus finanzieller Unterstützung sowie Ausstattungs- und Fortbildungsangeboten sollten Schulen und Kitas „in Absprache mit den Gesundheitsämtern die für die Situation vor Ort effektivste Maßnahme zur Verwirklichung des Rechts auf Bildung einerseits und zur Bekämpfung der Corona-Pandemie andererseits ergreifen können“, erklärte der Bundesgeschäftsführer der Kinderrechtsorganisation, Holger Hofmann.

Konkret sprach er sich insbesondere für die Anmietung von Räumen in Volkshochschulen, Jugendherbergen, Museen oder Bürgerhäusern aus, um Kindern und Jugendlichen mehr Platz und Abstand zu ermöglichen. „Hier gibt es unzählige Möglichkeiten, die ebenso wie Luftfilteranlagen und mobile Raumluft-Filter nicht an Verwaltungsvorschriften und angeblichem Geldmangel scheitern dürfen“, betonte Hofmann.

Schulen sollten außerdem vom regulären Stundenplan abweichen dürfen, „um projektorientierten Unterricht in gleichbleibenden Lerngruppen realisieren zu können“. Das notwendige zusätzliche Personal könne auch beispielsweise aus Lehramtsstudierenden, Museums- und Theaterpädagogen oder Dozenten der Volkshochschulen bestehen.

Am Mittwoch werden sich Bundeskanzlerin Merkel und die Länderchefs erneut mit den Corona-Maßnahmen in Schulen befassen. (dts/afp/sza)



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