Linksextreme Verfassungsrichterin: CDU schweigt zu Wahl in Merkels Heimatverband

Während die Wahl Thomas Kemmerichs in Thüringen mit den Stimmen der AfD Bundeskanzlerin Angela Merkel zur persönlichen Intervention veranlasste, schweigt die CDU beharrlich zur Wahl einer Linksextremistin ins Landesverfassungsgericht von Mecklenburg-Vorpommern.
Titelbild
Barbara BorchardtFoto: über dts Nachrichtenagentur
Von 20. Mai 2020

Nachdem im Februar im Landtag von Thüringen der von FDP und CDU unterstützte Kandidat Thomas Kemmerich im dritten Wahlgang mit den Stimmen der AfD unter Fraktionschef Björn Höcke zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, hielt es Bundeskanzlerin Angela Merkel für geboten, den Akteuren von Südafrika aus auszurichten, die Wahl wäre „unverzeihlich“ und müsse „rückgängig gemacht“ werden.

Nun hat ihr eigener Landesverband der Mitgründerin der linksextremistischen „Antikapitalistischen Linken“ (AKL), Barbara Borchardt, die Wahl zur Landesverfassungsrichterin ermöglicht – und die CDU ist auf Tauchstation.

Borchardt sieht linksextremes Engagement „nicht im Widerspruch“ zum Verfassungsrichteramt

Dass Borchardt sich von der Vereinigung, die sich offen zur „Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung“ bekennt und der Auffassung ist, „eine neue, sozialistische Gesellschaftsordnung“ sei „nicht nur erstrebenswert, sondern für das Überleben der menschlichen Zivilisation erforderlich“, mittlerweile distanziere, ist nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Erst am Montag (18.5.) teilte sie der „Welt“ auf Nachfrage mit, dass sie in der AKL „auch weiterhin aktiv sein“ wolle.

Problembewusstsein lässt Borchardt dabei nicht erkennen. Im Gegenteil – gegenüber dem Blatt betont sie:

Meine Mitgliedschaft in der Antikapitalistischen Linken steht nicht im Widerspruch zu meiner Tätigkeit als Landesverfassungsrichterin, deswegen werde ich meine Mitgliedschaft auch nicht ruhen lassen.“

Mauerbau als „alternativlos“ gerechtfertigt

Noch 2011 war die seit 1976 der totalitären DDR-Staatspartei SED angehörige Juristin Mitautorin in einem Positionspapier ihrer Partei. In diesem hat sie immerhin ein sehr eigentümliches Verständnis der Verfassung der DDR von 1949 offenbart. In dieser hieß es in Artikel 10: „Jeder Bürger ist berechtigt, auszuwandern. Dieses Recht kann nur durch Gesetz der Republik beschränkt werden.“

Der Mauerbau im Jahr 1961, der dieses Recht de facto beschränkte, war jedoch vorerst nur ein faktischer Akt der Hoheitsgewalt. Gesetze bezüglich des „illegalen Grenzübertritts“ und des Schießbefehls im Fall eines Versuchs, diesen zu unternehmen, wurden erst nachträglich geschaffen.

Borchardt meinte dennoch, der Mauerbau sei „für die Führungen der Sowjetunion und der DDR ohne vernünftige Alternative“ gewesen, Kritik daran diene lediglich der Diskreditierung des Versuchs, eine bessere Welt zu schaffen: „Nutznießer und Verteidiger des kapitalistischen Systems instrumentalisieren den 13. August 1961, um jedwede Suche nach gesellschaftspolitischen Alternativen jenseits des Kapitalismus bereits im Keim zu ersticken.“

CDU hatte bereits Wahl Borchardts als Stellvertreterin zugelassen

Der hinhaltende Widerstand gegen die Personalie Borchardt aufseiten der CDU hielt ganze zwei Tage an. Am Mittwoch der Vorwoche (13.5.) scheiterte die Wahl Borchardts an der fehlenden Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Neben den Abgeordneten der AfD, die bereits im Vorfeld angekündigt hatte, gegen die bekennende Linksextremistin zu stimmen, scheinen auch mehrere Unionsabgeordnete ihr die Stimme verweigert zu haben.

Borchardt war bereits vor dem nunmehrigen Wahlgang stellvertretende Landesverfassungsrichterin gewesen – offenbar hatte die CDU bereits zuvor keinen Anlass gesehen, auf die Verfassungstreue der Kandidatin zu beharren.

Die Folge war eine mehrstündige Sitzungsunterbrechung. Zwei Tage später – lokale Medien hatten bereits über die Möglichkeit eines Bruchs der Großen Koalition im Nordosten spekuliert – hat die CDU jedoch ihren passiven Widerstand aufgegeben. Seither zeigt sich weder der Landesverband noch die Bundesgeschäftsstelle bereit, der „Welt“ die Frage zu beantworten, warum die CDU die extreme Linke ausgerechnet als Verfassungsrichterin für geeignet befinde.

Merkel schweigt ebenso wie Bundes- und Landesverband

Kritik kam bislang nur aus der WerteUnion, die einem Verstoß gegen das Kooperationsverbot sieht, und von einzelnen Funktionären wie dem früheren DDR-Bürgerrechtler und Bundestags-Fraktionsvize Arnold Vaatz. Dieser wirft Teilen seiner Partei vor, das „Ziel einer vollständigen Rehabilitation der DDR“ zu verfolgen und sich aus „Machtkalkül“ die Linkspartei als „Koalitionsoption“ warmhalten zu wollen.

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg sieht in der Wahl Borchardts ein „fatales Signal der Verharmlosung der SED-Diktatur“. Die Union müsse „ihren eigenen Anteil daran klären, den linksextremen Bock zum Gärtner gemacht zu haben“.

CSU-Generalsekretär Markus Blume erklärte: „Wer Verfassungsfeind ist, kann kein Hüter der Verfassung sein – das ist schizophren.“ Dazu twitterte er eine Fotomontage, die Borchardt in Richterrobe unter Hammer und Sichel zwischen den Sowjetführern Lenin und Stalin zeigt.

In sozialen Medien erntete die Personalentscheidung ebenfalls Kritik. Auf Twitter schrieb der Nutzer Dominic van Lear von einer „Rückkehr der Hilde Benjamin“ – womit er auf die auch als „Bluthilde“ oder „Rote Gouillotine“ bekannte frühere DDR-Staatsanwältin und Justizministerin anspielte. Andere fragen, wo der „Aufstand der Anständigen“ und die entsprechenden Aufarbeitungen durch die „Heute-Show“ blieben.

Andere Kommentatoren übten sich in Galgenhumor: Immerhin habe Deutschland das Problem des Linksextremismus besser in den Griff bekommen als andere Länder – indem man die politische Mitte so weit nach links verschoben habe, dass daneben kein Platz mehr bliebe.



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