Lkw-Maut und mehr Flexibilität bei Klimazielen: Koalitionsausschuss präsentiert Ergebnisse

Nach mehrtägigen Verhandlungen präsentierte der Koalitionsausschuss eine Einigung. Im Kern soll es künftig mehr Wege zur Erreichung der Klimaziele geben.
Von 29. März 2023

Am Dienstagabend, 28. März, verkündeten die Ampelparteien, dass der Koalitionsausschuss nach 30-stündigen Verhandlungen eine Einigung in der Klima- und Infrastrukturpolitik erreicht hat. Damit ist ein ernsthafter Konflikt innerhalb des Regierungsbündnisses bis auf Weiteres abgewendet.

Kern der Einigung ist eine Flexibilisierung bisheriger Ansätze zur Erreichung der Klimaziele. Es sollen demnach keine strikten jährlichen Sektorziele beim CO₂-Ausstoß in bestimmten Bereichen mehr gelten. Dazu zählten beispielsweise Verkehr oder Gebäude. Vielmehr soll es möglich sein, das Verfehlen des Ziels in einem Sektor durch zusätzliche Einsparungen in einem anderen zu ersetzen. Mit Blick auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 soll es eine „sektorübergreifende und mehrjährige Gesamtrechnung“ geben.

Koalitionsausschuss setzt Hoffnungen auf CO₂-Aufschlag bei Lkw-Maut

Auch soll ein CO₂-Aufschlag auf die Lkw-Maut von 2024 an zusätzliche Mittel für den Staatshaushalt aufbringen. Dadurch wird es der Prognose der Ampel zufolge möglich, die beschlossenen Maßnahmen ohne zusätzliche Kosten umzusetzen. Zusätzliche Mittel sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds sowie aus den Einnahmen aus dem Emissionshandel kommen.

Bereits im November 2022 hatte die Koalition Änderungen zur Lkw-Maut beschlossen, die Transporteure mit Fahrzeugen ab 7,5 Tonnen auf Autobahnen und Bundesstraßen betrafen. Dadurch sollten zusätzliche Einnahmen von 665 Millionen Euro im Jahr in den Bundeshaushalt wandern. Nun soll es ab 2024 einen zusätzlichen CO₂-Aufschlag geben – der auch Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen mit einbezieht.

Von den Einnahmen sollen 80 Prozent dem Ausbau des Schienennetzes und Bahnverkehrs zugutekommen. Erleichterungen sind vorgesehen für emissionsfreie Lkw, die bis 2025 keine und danach eine um 75 Prozent ermäßigte Maut bezahlen sollen. Auch für Handwerker soll es Sonderbestimmungen geben. Genaue Beträge sind bislang aber noch nicht bekannt.

Liberale setzen 144 Autobahnprojekt als „überragendes öffentliches Interesse“ durch

Die FDP konnte sich im Koalitionsausschuss mit ihrer Forderung nach einer Priorisierung bestimmter Autobahnprojekte durchsetzen. Demnach soll für 144 Autobahnprojekte ein „überragendes öffentliches Interesse“ gelten. Dabei gehe es vor allem um Maßnahmen zu Erhalt und Sanierung, diese sollen Vorrang vor einem Neubau haben. Im Dialog mit Wirtschaft und Verbänden will die Ampel auch die Priorisierung bestehender Projekte laut Bundesverkehrswegeplan neu ordnen.

Den Investitionsbedarf bei der Bahn beziffert die Regierung auf 45 Milliarden Euro bis 2027. Auch hier will man bestimmte Projekte als „überragendes öffentliches Interesse“ definieren. Zudem hat sich der Koalitionsausschuss auch auf den Ausbau des ÖPNV im ländlichen Raum und des Schienengüterverkehrs geeinigt. Dieser soll bis 2030 einen Marktanteil von 25 Prozent erreichen.

Naturschutzrecht vor Aufweichung

Die Priorisierung und Beschleunigung von Planungen soll auch der Schwerpunkt beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Elektromobilität sein. Dafür wird es sogar Abstriche vom Prinzip der „Realkompensation“ beim Verlust von Naturflächen geben. Im Klartext bedeutet das: Statt eines Grünflächenausgleichs soll künftig auch eine Kompensation in Geld möglich sein.

Generell wird das Ausweisen von Flächen für Windkraft leichter – auch für den Eigenverbrauch benachbarter Industrieanlagen. Mehr Solaranlagen sollen auch am Rande neuer Autobahnen und Bahnstrecken entstehen, dazu auch generell mehr Windkraftanlagen an Verkehrswegen.

Ein wichtiges Thema im Koalitionsausschuss war zudem der Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur für Elektroautos. Damit will man das Ziel von 15 Millionen zugelassenen vollelektrischen Fahrzeugen auf Deutschlands Straßen bis 2030 absichern.

Scholz: Schwierige, aber „lohnende“ Gespräche im Koalitionsausschuss

Der Beschluss, ab 2024 neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben, bleibt aufrecht. Allerdings soll auch ein Betrieb mit „grünem“ oder „blauem“ Wasserstoff oder mit Biomasse möglich bleiben. „Grüner“ Wasserstoff ist aus erneuerbaren Energien gewonnen, „blauer“ CO₂-neutral aus Erdgas.

Der Koalitionsausschuss hat zudem die Förderung des Umbaus von Heizungen aus dem Klima- und Transformationsfonds beschlossen. Eine Austauschpflicht für bestehende Heizanlagen werde es nicht geben.

SPD-Chef Lars Klingbeil äußerte sich „hoch zufrieden“ mit den Ergebnissen. Christian Lindner sprach namens der FDP von „echten Durchbrüchen“ und „wirklichen Paradigmenwechseln“. Grünen-Bundessprecherin Ricarda Lang erklärte: „Wir gehen jetzt endlich auch Strukturreformen an.“ Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte, die nach Einschätzung aller Parteien „nicht einfachen“ Gespräche im Koalitionsausschuss hätten sich „gelohnt“. Die Koalitionäre hatten seit Sonntagabend mit Unterbrechung am Montag verhandelt.

(Mit Material von AFP)



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