(M)Austausch: Nachbarschaftshilfe mit eigener Währung

Titelbild
Nachbarschaftshilfe: Margitta S. lässt sich von Karola L. die Ärmel kürzen.Foto: Heike Soleinsky
Von 29. November 2012

 

Für das Statistische Bundesamt gilt Karola L. (76) aus Hamburg-Osdorf als alleinstehend. Sie ist Witwe und ihr Haushalt zählt zu den 53,6 Prozent in Hamburg, in denen nur eine Person lebt. Aber steht Karola tatsächlich alleine da? Ganz sicher nicht. Denn immer, wenn sie in Nöten ist, und das ist bei Karola meist, wenn sie mal einen Mann im Haus braucht, ruft sie einen an. Und schon bald steht einer vor der Tür. Die Nachbarn wundern sich manchmal, denn es ist ja nicht immer der gleiche Herr, den Karola dann herzlich begrüßt. Aber sie beruhigt die Nachbarn dann: „Das sind alles Mäuse.“

„Mäuse“ nennt Karola die Mitglieder des Tauschrings (M)Austausch – Schenefeld, Pinneberg und Lurup. Diese wohnen zum größten Teil in Schenefeld (bei Hamburg in Schleswig Holstein), Pinneberg und den Orten und Hamburger Ortsteilen drum herum. In einem Tauschring helfen sich die Mitglieder untereinander mit ihren Fähigkeiten, ihrem Wissen und auch mit Dingen.

„Jochen ist Handwerker. Der pfriemelt so lange, bis alles so ist, wie ich es haben möchte“, sagt Karola über einen der „Mäuse“. Das „Pfriemeln“ kann für Karola die Reparatur der Nähmaschine sein oder die Installation der Straßenbeleuchtung in einem weihnachtlichem Miniatur-Dorf, das Karola immer zur Adventszeit aus Käthe-Wohlfahrt-Figuren aufbaut.

Jeder kann etwas, das einem anderen hilft

Als Gegenleistung für ihre Hilfe erhalten Tauschring-Mitglieder eine im Tauschring interne Währung, die sie wiederum bei einem anderen Mitglied gegen dessen Dienste eintauschen können. Beim (M)Austausch heißt die Währung „Mäuse.

In einem Tauschring hilft einer dem anderen.In einem Tauschring hilft einer dem anderen.Foto: Heike Soleinsky

Für Mäuse tut er alles

„Reinhard macht alles für Mäuse: Teppich verlegen, Wände streichen“, erzählt Karola, „Thomas ist bewandert mit Computern und druckt Visitenkarten in ganz kleiner Stückzahl. Wolfgang baut Schränke zusammen. Edith backt gerne Torten und Kuchen, vor allem für Jochen. Wir nehmen auch Hunde in Pflege oder geben Nachhilfeunterricht.“ Jeder kann etwas, das ein anderer gebrauchen kann. Und da es auf Mäuse keine Zinsen gibt, werden sie auch nicht gehortet, sondern man gönnt sich von den anderen Tauschring-Mitgliedern etwas. Karola hat sich gegen Mäuse bei Shiatsu entspannt: „Shiatsu ist ja ’ne Wucht!“ Von Karola wird meist ihre Nähkunst gefragt: „Ich erfülle auch Sonderwünsche.“ Zum Beispiel den Schirm einer Schirmmütze kürzen. Margitta S. lässt sich von Karola regelmäßig die Ärmel ihrer Shirts ändern. Margitta verdient sich die dafür notwendigen Mäuse unter anderem damit, dass sie für andere Mitglieder Dinge bei Ebay verkauft. Oder sie kocht für deren Partys Eintöpfe, welche laut Margitta, „garantiert alle werden“.

Auch der Hund wird gegen „Mäuse“ betreut.Auch der Hund wird gegen „Mäuse“ betreut.Foto: Heike Soleinsky

Karola direkt hat Margitta mal als Fahrerin gedient. „Was meinen Sie wie es ist, wenn man krank ist?“, fragt Karola. Im Februar dieses Jahres wurde sie angefahren: Oberschenkelhalsbruch. Monatelang konnte sie nicht Auto fahren. Im Juli 2010 wurde sie am Knie operiert. Der Garten brauchte viel Wasser. Für eine tatsächlich Alleinstehende wäre so etwas sicher ein großes Problem gewesen. Aber als Mitglied im (M)Austausch steht man ja nicht alleine da.

 

Wer sich für eine Mitgliedschaft beim (M)Austausch interessiert, erhält Informationen unter www.Maustausch.de oder telefonisch jeden Montag 09:30 – 11:30 Uhr unter 040 / 830 13 39. Außerdem jeden ersten Mittwoch im Monat um 19:45 Uhr beim offenen Mitgliedertreffen im alten Gemeindesaal der Stephanskirche in 22869 Schenefeld, Hauptstraße 39.

Unter http://www.tauschring.de/adressen.php findet man Kontaktadressen zu anderen Tauschringen in Deutschland.



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