Mehrheit vs. „abgehobene grünaffine Meinungselite“: Wagenknecht attestiert Grünen „Übergriffigkeit wie in der DDR“

Noch-Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht hat im Vorfeld des Tages der deutschen Einheit ihre Kritik an den Grünen erneuert. „Gemessen an dem Schaden, den sie verursachen“, seien sie die „gefährlichste Partei“ im Bundestag.
Sahra Wagenknecht (Die Linke) denkt über die Gründung einer eigenen Partei nach.
Sahra Wagenknecht (Die Linke) denkt schon länger über die Gründung einer eigenen Partei nach.Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Von 1. Oktober 2023

Die langjährige Bundestagsfraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, hat im Vorfeld des Tags der deutschen Einheit (3. Oktober) ihre Kritik an den Grünen erneuert. Gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) erklärte sie, diese stünden „wie keine andere Partei für eine Übergriffigkeit, die nicht wenige Ostdeutsche an die DDR erinnern dürfte“.

Bereits 2022 hatte sie die Grünen, „gemessen an dem Schaden, den sie verursachen“, als „gefährlichste Partei“ im Bundestag bezeichnet. Zudem seien sie die „heuchlerischste, abgehobenste, verlogenste, inkompetenteste“ Kraft im derzeitigen Parlament.

Wagenknecht äußert sich noch nicht zum Stand möglicher Parteigründung

Der Tag der deutschen Einheit selbst habe Wagenknecht zufolge eine „Neubewertung“ verdient. Es gebe zwar immer noch erhebliche Unterschiede zwischen Ost und West, äußerte sie gegenüber der dpa. Solche gebe es aber auch zwischen anderen Landesteilen. Entscheidender seien die politischen Gegensätze zwischen Minderheiten und Mehrheiten.

Es gebe eine „abgehobene grünaffine Meinungselite“ auf der einen Seite. Diese treibe die Inflation nach oben, ignoriere soziale Probleme und wolle „nichts gegen die unkontrollierte Zuwanderung unternehmen“. Auf der anderen Seite stehe die Bevölkerungsmehrheit. Vor allem im Osten reagierten die Bürger aufgrund ihrer DDR-Erfahrung besonders empfindlich auf staatliche Vorgaben für den privaten Lebensbereich. Dies zeige sich etwa an solchen zum Heizen oder Autofahren.

Netzwerke sollen im Hintergrund bereits aktiv sein

Bereits vor mehreren Monaten hatte Sahra Wagenknecht öffentlich verkündet, sich die Gründung einer eigenen Partei vorzubehalten. Dies käme vor allem dann infrage, wenn es der Linkspartei nicht gelinge, sich zu erneuern.

Wie weit die Gründungspläne einer Wagenknecht-Partei schon gediehen sind und ob es schon zeitnah zu einer Gründung kommt, lässt die Politikerin weiter offen. Über diese Frage wolle sie bis zum Jahresende entscheiden. Insidern zufolge seien Netzwerke innerhalb der Linkspartei jedoch schon seit Längerem im Hintergrund aktiv, um eine Gründung vorzubereiten. Mit der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot gibt es sogar schon eine potenzielle Spitzenkandidatin zur EU-Wahl.

Auch im jüngsten Gespräch mit dpa erneuerte Wagenknecht ihren Wunsch nach einer „seriösen Adresse“ für Bürger, die derzeit die AfD als „Akt der Notwehr“ wählten. Die Noch-Linkspolitikerin räumt ein, dass die Gründung einer Partei eine „wahnsinnige Kraftanstrengung“ bedeute. Deshalb könne sie über eine solche auch nicht allein entscheiden. Allerdings fühlten sich viele Bürger von keiner Partei mehr vertreten.

Aust: Wagenknecht könnte „Überbietungswettbewerb an Realismus“ auslösen

Über die längerfristigen Erfolgsaussichten einer Wagenknecht-Partei sind sich politische Beobachter uneinig. Bereits jetzt gibt es etwa in Form der „Freien Wähler“ in Bayern Angebote für Bürger, die sich vom Mainstream entfremdet fühlen, aber eine Wahl der AfD ablehnen. Flächendeckenden Erfolg haben diese bislang aber nicht.

„Welt“-Herausgeber Stefan Aust attestiert der Politikerin, sie vertrete „bei vielen Themen […] Auffassungen, die nicht gerade vom rot-grün-schwarzen Mainstream vertreten werden“. Das mache sie auch für viele wählbar, die sich selbst nicht als „rechts“ begriffen und sich darüber ärgerten, wie einfach es die Etablierten der AfD machten. Außerdem sei sie eine potenzielle Option für Nichtwähler:

Dass eine Wagenknecht-Partei – vielleicht mit den offenbar wieder zueinander gefundenen SPD-Granden Schröder und Lafontaine – die gegenwärtige Parteienlandschaft ein Stück verändern könnte, ist nicht auszuschließen.“

Im Idealfall könne eine solche Formation einen „Überbietungswettbewerb an Realismus“ auslösen und die „unter Merkel ergrünte“ CDU wachrütteln.

Überdurchschnittliches Potenzial abseits von Grünen und Union

Der langjährige Weggefährte und „Altstar“ der Linkspartei, Gregor Gysi, traut Wagenknecht hingegen keine dauerhaften Erfolgschancen mit einem eigenen Projekt zu. Zwar würde ihr 2024 der Einzug ins EU-Parlament und in die ostdeutschen Landtage gelingen. In den Bundestag würde ihr Projekt nicht kommen, erklärte Gysi am Donnerstagabend, 28. September, bei „Markus Lanz“.

Wagenknecht könne nicht organisieren, so der Linkspolitiker. Und selbst ein dafür abgestellter Manager könne ausfallen. In jedem Fall wäre ihre Partei auf eine Person zugeschnitten. Gysi wolle bezüglich des Projekts mit Wagenknecht „reden und versuchen, es ihr auszureden“. Sollte sie dennoch „diesen Fehler“ begehen, werde er versuchen, die Mitglieder dazu zu motivieren, „dass wir dann um die Linke kämpfen“.

Einer jüngst veröffentlichten YouGov-Umfrage im Auftrag der dpa zufolge liegt das Potenzial einer Wagenknecht-Partei derzeit bundesweit bei 20 Prozent. Sechs Prozent würden ihr „sicher“ die Stimme geben, was für einen Bundestagseinzug ausreichen würde. Im Osten liegt das Potenzial sogar bei 29 Prozent.

Neben 55 Prozent der Anhänger der Linkspartei könnten sich auch 29 Prozent der AfD-Wähler eine Stimmabgabe für Wagenknecht vorstellen. Aber auch für mehr als jeden fünften Wähler von SPD und FDP (jeweils 21 Prozent) gilt sie als grundsätzliche Option. Für die repräsentative Umfrage hatte YouGov zwischen dem 15. und 20. September 2023 2.134 Personen befragt.

(Mit Material von dpa)



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