Meißner OB-Wahl geht in zweite Runde: Darum zog AfD-Kandidat Keiler zurück

Die Wellen schlagen hoch in Meißen. Am Sonntag findet der zweite Durchgang der Meißner OB-Wahlen statt. Eigentlich ist der OB einer Stadt dessen Verwalter, doch diesmal trat ein Herausforderer an, der offenbar lieber Politik als Verwaltung macht.
Titelbild
Das Meißner Rathaus.Foto: istock
Von 18. September 2018

Schon lange gab es keine „Schlacht um Meißen“ mehr. Ganz anders in diesem Jahr, in dem Meißen einen neuen Oberbürgermeister wählt. Seit 2004 hatte der parteilose, aber CDU-unterstützte Olaf Raschke die Wähler mit bis zum Teil 80 Prozent auf seiner Seite. Dieses Jahr sollte das anders werden.

Und damit es anders wird, holte sich das Bündnis „Bürger für Meißen-Meißen kann mehr“ den über Sachsens Landesgrenzen hinaus bekannten Theologen Frank Richter als Kandidaten, unterstützt von den Parteien SPD, Linke und Grüne.

Richter, der von 2009 bis Anfang 2017 Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und vom 1. Februar 2017 bis zum 30. Juli 2018 Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche in Dresden war, will in Meißen einen „politischen Wechsel“ herbeiführen, so sagt er es zumindest gegenüber „Welt“. Richter war 2017 aus der CDU ausgetreten, ist jetzt parteilos und wurde im Meißner Wahlkampf aktiv vom sächsischen SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig unterstützt.

Zur Wahl am 9.Oktober war ihm sein „politischer Wechsel“ fast gelungen, denn er landete mit 36,3 Prozent der Stimmen vor dem Amtsinhaber Raschke, der 32,5 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte. Als Dritter platzierte sich der FDP-Kandidat und Meißner Stadtrat Martin Bahrmann mit rund 15 Prozent, kurz dahinter Dr. Joachim Keiler von der AfD mit 13,7 Prozent. Weit abgeschlagen Heiko Lorenz von der Volkspartei.

Am kommenden Sonntag wird erneut gewählt, denn eine absolute Mehrheit konnten weder Richter noch Raschke bisher erreichen. Diesmal reicht eine einfache Mehrheit für den Sieg. Lorenz, sowie der AfD-Kandidat Keiler zogen mittlerweile ihre Kandidatur zurück, Bahrmann will jedoch nach gutem Zureden seiner Hintermänner noch einmal antreten. Enttäuschend für diejenigen, die gehofft hatten, der Rückzug Bahrmanns könnte sich erfolgreich auf einen der beiden Spitzenkandidaten auswirken. Die Hoffnung gab es allerdings auf beiden Seiten.

Der Wahlkampf in Meißen wurde von den jeweiligen Anhängern teilweise recht heftig geführt. Bürgern, die gegen Richter polemisierten, wurde mehr als nur einmal gedroht mit: „was würde ihr Arbeitgeber wohl dazu sagen?“, und am besten sollte man Geschäfte und Unternehmen von Raschke-Wählern nicht mehr unterstützen, hieß es von Seiten eifriger Richter-Wahlkämpfer. 

So schrieb die „Sächsische Zeitung“ am 11. September: „Erschreckend seien die Reaktionen gewesen, als sich öffentlich 61 Meißner zu Amtsinhaber Olaf Raschke (parteilos) als ihrem Kandidaten bekannten. Aus dem Unterstützerkreis um den Herausforderer Frank Richter (parteilos) sind nach Angaben der Briefschreiber Raschkes Anhänger „als Umfaller und käufliche Personen“ bezeichnet worden. Stadträten wurde namentlich Filz und Eigennutz unterstellt, ohne dafür belastbare Belege zu liefern, ist in dem Brief zu lesen. Wörtlich heißt es: „Wie geht das zusammen? Gibt es hier eine Doppel-Richter-Strategie: Zum einen der versierte Moderator, der vermitteln will und zum anderen eine rücksichtslose Unterstützermannschaft, die ihm den Weg im Wahlkampf ebnet?“

Da gibt es zudem den Historiker Johannes Zeller, der Richter vorwirft, eben nicht der Gründer der „Gruppe der Zwanzig“ zur Wendezeit 1989 gewesen zu sein, wie es von seinen Wahlhelfern immer wieder betont werde. Richter sei seinen Angaben zufolge gerade einmal 23 Stunden als damaliger Kaplan in der Gruppe dabei gewesen. Bereits am folgenden Tag habe ihm die katholische Kirche nahegelegt, wieder auszutreten. „Von Richters Wahlhelfern wird er jedoch unermüdlich als DDR-Bürgerrechtler und Gründer dieser Gruppe dargestellt“, so Zeller. 

Trotz allem hat Richter seinen Ruf als „Vermittler zwischen den Fronten“ weg. Heute wird er erneut bezeichnet als einer, der mit den „Bösmenschen“ redet. 2015 hatte er öffentlich den Dialog mit Pegida gesucht, macht aber auch keine Hehl daraus, dass er eine erstarkende AfD in Sachsen als Gefahr sieht. Auf der Rückseite seines Buchs „Hört endlich zu!“ ist zu lesen: „2017 zog die AfD in den Bundestag ein. In Sachsen wurde sie zur stärksten politischen Kraft. Die Folgen sind noch nicht absehbar.“

Eins ist ihm zumindest schon mal gelungen, er hat die AfD bei der OB-Wahl in Meißen auf die hinteren Plätze verwiesen. Die Epoch Times sprach mit dem Kandidaten Dr. Joachim Keiler und wollte von ihm wissen, warum er seine Kandidatur zurückgezogen hat:

Keilers Statement wortwörtlich wiedergegeben:

Wir sind realistisch genug zu erkennen, dass wir aus den für den relativ kurzen Wahlkampfeingriff nicht so schlechten 13,7 % keine relative Mehrheit von über 30 % machen können. Dies unterscheidet uns vom Kandidaten der FDP. Es wird nicht überraschen, dass die AfD und auch ich keinesfalls einem eventuellen Sieg eines rot-rot-grünen Wählerbündnisses in die Tasche arbeiten wollen. Somit war logische Konsequenz, nicht mehr im zweiten Wahlgang anzutreten, obwohl wir der Annahme sind, dass wir das Ergebnis noch etwas verbessern könnten. Die Sächsische Zeitung hatte nämlich am 05.09.2018, also kurz vor der Wahl, eine Umfrage unter Abonnenten der Zeitung veröffentlicht, wonach ich als Kandidat der AfD 2,5 % der Stimmen erhalten würde. Diese Umfrage wurde als aktuell beschrieben, obschon online eine Kommentierung dieser Umfrage durch die beauftragte Firma Lootsenboot GmbH bereits unter dem 22.08.2018 zu lesen war. Mithin kann die Umfrage nur in der Zeit vor dem 22.08.2018 erfolgt sein und eine Veröffentlichung am 05.09.2018 ohne Nennung des Erhebungszeitraums dürfte dazu geführt haben, dass so mancher Wähler die Stimme als verschenkt ansah, so er sie mir gegeben hätte. Gleichwohl sind Umfragewerte von Bundestags- und Landtagswahlen keineswegs im Kommunaldirektwahlverfahren zugrunde zu legen. Ich will deshalb der Stadt Meißen die Chance geben, eine rot-rot-grüne Ausrichtung zu verhindern.

Persönlich darf ich anmerken, dass in den diversen Diskussionsrunden der Kandidat Frank Richter wenig real- und kommunalpolitische Kenntnisse zeigte, darauf verwies, dass er im Amt Mitarbeiter habe, die die Verwaltungsaufgaben erledigen würden und er vornehmlich sich in den Bürgerdialog begeben würde. Ihnen als Journalisten ist klar, dass dies der wahre Populismus ist. Gerade die Stadt Meißen befindet sich in einer stark angespannten finanziellen Situation und braucht einen kompetenten Rathauschef, der auch die finanziellen Probleme seriös behandeln kann. Da ich nicht zuletzt im Wahlkampf eine starke Verbundenheit zu Meißen entwickelt habe, ist dies ein weiterer Grund durch Kandidaturverzicht Gelegenheit zu geben, bessere Lösungen als Frank Richter zu wählen, der Meißen zum Experimentierfeld rein ideologieorientierter Politik machen möchte.“

Richter, der wohl „beste Diplomat, den wir derzeit in Dresden haben“, wie der Chef des Kuratoriums der sächsischen Landeszentrale Lars Rohwer ihn einmal bezeichnete, hat wenig Freunde im konservativen Lager. Viele rechnen es dem amtierenden OB Raschke hoch an, dass er in Sachen Migration kein euphorischer Türenöffner war.  Richter hat bisher nicht deutlich klar gemacht, wie er zum Thema Migration steht, aber in einem Punkt ist er sich sicher, nämlich dass diese „besser geordnet“ werden müsse, so sagte er in einem Gespräch mit Epoch Times Ende August. Dies halte er „für eine ganz wichtige Aufgabe, weil wir auf Dauer mit vielen Menschen aus anderen Kulturen hier werden leben können oder eben müssen.“



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