Mensch kein „reines Objekt der Technik“: Ethik-Kommission präsentiert Leitlinien für autonomes und vernetztes Fahren
Ein neuer Bericht der Ethik-Kommission zum autonomen und vernetzten Fahren ist veröffentlicht: Warnung vor einer Totalüberwachung der Autofahrer, Forderung nach klaren gesetzlichen Haftungsregeln und der Schutz des menschlichen Lebens als höchste Priorität sind die drei Kernpunkte des Berichts, die der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in Auftrag gab. Er enthält 20 „ethische Regeln“, die als Leitlinien für Programmierer, Politik und Gesetzgeber gedacht sind.
Die Mitglieder der Ethik-Kommission hätten „Pionierarbeit“ geleistet, sagte Dobrindt am Dienstag in Berlin. Deutschland sei „das erste Land der Welt, das neben den technischen und regulatorischen Entwicklungen auch die ethischen Fragen“ in dieser Breite diskutiert habe. Der Kommissionsbericht könne „Eckpfeiler für ein nationales und internationales Regelwerk“ bieten.
Di Fabio: Dank Fahr-Assistenz-Systemen „keine 3.000 Verkehrstote mehr“
Das automatisierte und vernetzte Fahren sei „ethisch geboten, wenn die Systeme weniger Unfälle verursachen als menschliche Fahrer“, betonte der Vorsitzende der Ethik-Kommission, der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio. Schon mit den vorhandenen Fahr-Assistenz-Systemen gebe es einen Sicherheitsgewinn.
Er sei „überzeugt, dass wir keine 3.000 Toten mehr“ auf Deutschlands Straßen haben werden. „Das Ideal einer kollisionsfreien Verkehrsführung“ sei aber „möglicherweise noch fern“, warnte er.
Mensch kein „bloßes Netzwerkelement“ – Leben soll geschützt werden
Zugleich sei „eine gesetzlich auferlegte Pflicht zur Nutzung vollautomatisierter Verkehrssysteme oder die Herbeiführung einer praktischen Unentrinnbarkeit ethisch bedenklich, wenn damit die Unterwerfung unter technische Imperative verbunden ist“, heißt es in dem Bericht.
Der Mensch dürfe nicht zum „bloßen Netzwerkelement“ degradiert werden, warnte die Kommission, die sich aus Rechts- und Sozialwissenschaftlern, Kirchenvertretern, Technikexperten, Verbraucherschützern, Softwareentwicklern und Vertretern der Autoindustrie zusammensetzt.
Teil- und vollautomatisierte Verkehrssysteme dienen der Kommission zufolge zuallererst der Verbesserung der Sicherheit aller Teilnehmer im Straßenverkehr. Dabei habe der Schutz von Menschen „Vorrang vor allen anderen Nützlichkeitserwägungen“.
Mensch darf nicht bloß mathematischer Teil des Systems werden
Mit Blick auf unausweichliche Unfallsituationen heißt es, „jede Qualifizierung“ nach persönlichen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, körperlicher oder geistiger Verfassung sei „strikt untersagt“ – genauso verboten sei es, Opfer gegeneinander aufzurechnen.
Zudem sei die Programmierung, sofern technisch machbar, so vorzunehmen, dass „im Konflikt Tier- oder Sachschäden in Kauf“ zu nehmen seien, wenn dadurch Personenschäden vermeidbar seien.
Verantwortung bei Unfällen soll bei Herstellern und Betreibern der technischen Systeme liegen
Der Bericht betont zudem, dass sich die bislang dem Menschen vorbehaltene Verantwortung bei automatisierten und vernetzten Fahrsystemen „auf die Hersteller und Betreiber der technischen Systeme“ sowie „die politischen und rechtlichen Entscheidungsinstanzen“ überträgt.
„Wenn das Lenkrad eingezogen wird, übernimmt der Hersteller die Haftung“, sagte Di Fabio und forderte dafür klare gesetzliche Regelungen.
Datenweitergabe streng überprüfen – nicht automatisieren
Fahrzeughalter und –nutzer müssen der Kommission zufolge „grundsätzlich über Weitergabe und Verwendung ihrer anfallenden Fahrzeugdaten“ entscheiden dürfen.
„Einer normativen Kraft des Faktischen, wie sie etwa beim Datenzugriff durch die Betreiber von Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken vorherrscht, sollte frühzeitig entgegengewirkt werden“, mahnt die Kommission.
„Der Kunde muss ganz bewusst entscheiden können, welche Daten er preisgibt und was mit seinen Daten passiert. Er darf nicht zum reinen Objekt der Technik werden“, sagte Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) der „Rheinischen Post“ (Mittochausgabe). (afp)
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