„Merkels Migrationsputsch“ und die Krankenkassen: Professor erklärt „staatskapitalistisches Hütchenspiel“

Die Gesetzlichen Krankenversicherungen spielten beim "Merkels Migrationsputsch" keine unwesentliche Rolle, denn die Versicherungskosten der Flüchtlinge bezahlt jetzt nicht mehr der Bundeshaushalt, sondern die gesetzlichen Kassen. Prof. Albrecht Goeschel erklärt ein "staatskapitalistisches Hütchenspiel".
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AOKFoto: über dts Nachrichtenagentur
Von 19. Januar 2017

„Merkels Migrationsputsch führt hinterrücks in die Kopfpauschale.“ So oder so ähnlich könne man laut Prof. Albrecht Goeschel die Rolle der Gesetzlichen Krankenversicherung im deutschen Sozialstaat benennen.

Quer-Denken-TV hat ein Interview mit dem Professor veröffentlicht – zu einem Artikel, den er in der Frühjahrsausgabe von „TUMULT“ veröffentlichen will. Hier hat Goeschel die AOK stellvertretend für die anderen Großkassen der Gesetzlichen Krankenversicherung mit ihren gegenwärtig 75 Milliarden Euro Umsatz als „Finanzkonzern des deutschen Monetarismus“ betitelt. Sie spielen eine nicht ganz unwesentliche Rolle beim Merkels „Migrationsputsch“.

Im August 2016 habe das Bundeskabinett beschlossen, die Krankenversicherungskosten für die ins Land gerufenen Flüchtlinge nicht aus dem Bundeshaushalt, sondern aus der Gesetzlichen Krankenversicherung zu bezahlen, so Goeschel. Er vermutet, dass hiermit sogar die ganze Gesetzliche Krankenversicherung in die Luft gejagt werden könnte. Merkel hätte es ja vor zehn Jahren schon einmal mit einer Kopfpauschale probiert. Wenn man jetzt die teuren Krankheitskosten der Beamten loswerden wolle, seien vielleicht die Gesetzlichen KV’s die Lösung und die Flüchtlinge dafür die „Merkel-Vorhut“.

Einerseits sei Goeschel ja ganz froh darüber, dass der AOK-Bundesverband sich offen auf die Seite der Merkel-Regierung schlage: Jetzt hätten vielleicht viele Leute genug Wut, sich mit dem „kapitalistischen Sozialstaat Deutschland“ überhaupt zu beschäftigen, so seine These. Der AOK-Verband sei zwar immer systemkonform gewesen, aber in den 1980er und 1990er Jahren hätte er zumindest heftig protestiert, wenn diverse Koalitionsregierungen viele Milliarden Mark aus der Gesetzlichen Krankenversicherung für Aufgaben mißbrauchen wollten, die Sache des Staates waren und die dieser mit Steuern der Steuerpflichtigen und nicht mit Beiträgen der Arbeitnehmer hätte finanzieren müssen.

Ein „Staatskapitalistisches Hütchenspiel“

Sind das die berüchtigten „Versicherungsfremden Leistungen“, die der Staat nicht nur den Gesetzlichen KVs aufzwingt?

„Ja, die Verschiebung von Immigrationskosten aus dem Staatshaushalt in die Krankenversicherung der Beschäftigten und ihrer Angehörigen ist eine klassische ‚Versicherungsfremde Leistung'“, sagt Goeschel. Zur ganzen Wahrheit gehöre aber auch, dass der kapitalistische Sozialstaat insbesondere im Sektor KV und Gesundheitsvorsorge eine Art „Staatskapitalistisches Hütchenspiel“ veranstalte. Damit könnten nicht nur Steuererleichterungen für die üblichen Verdächtigen „gegenfinanziert“ werden, so Goeschel, sondern der Staat könne sich damit auch ordentlich selber mästen.

In den Vorjahren seien enorme Überschüsse aus den Versicherten und Mitversicherten herausgewirtschaftet worden, allein 2016 über 30 Milliarden Euro. Damit könne die Regierung ihre eigenen Haushaltsüberschüsse unbemerkt steigern, und genauso würde man derzeit verfahren: „Die Flüchtlingskosten werden zunächst aus den Rücklagen des Gesundheitsfonds finanziert – erst nach den Bundestagswahlen werden dann die Beitragssteigerungen kommen. Da sitzt das Regime aber schon wieder auf der Regierungsbank“, so der Professor.

Konkret liege der Trick bei dieser Sozialsstaatsbetrügerei darin, dass alles so unübersichtlich sei, das nur der gewinnen könne, der wisse, unter welchem Hütchen er die Gelderbse versteckt habe.

„Sozialgeld als Spekulationskapital“

Für Goeschel ist klar, dass „das Regime“ den Schock der ersten Jahre der Finanz- und Realkrise benutzt habe, um beinahe unbemerkt einen Finanzputsch in zwei Schritten zu veranstalten: Die Einführung des Gesundheitsfonds und die Einführung der Schuldenbremse. Wie der Gesundheitsfonds die Krankenkassenfinanzen von den ärmeren Regionen zu den reicheren Regionen umverteilt, sei in der Fachwelt bekannt, sagt Goeschel, auch wie die Schuldenbremse den Ländern ihre eigene Sozialinfrastruktur und Sozialinvestitionspolitik raube. So gesehen sei der Gesundheitsfond mit seinen 200 Milliarden Euro Volumen für Länder und Leute wahrscheinlich noch schädlicher als die Schuldenbremse.

Abschließend interpretiert Goeschel die Öffnung der Gesetzlichen KVs für die Kapitalspekulation. Hier bestehe der Sonderweg zum „Monetarismus“ darin, dass er in der Krankenversicherung und Gesundheitsversorgung noch die überkommenen Institutionen des Bimarckschen Polizei- und Sozialstaats, d.h. die Ortskrankenkassen von 1883 und ihre Abkömmlinge benutzt, um das „Sozialgeld“ , d.h. die Geldbeiträge der Arbeitnehmer, in „Spekulationskapital“ des Finanzmarktes zu transformieren.

Das vollständige Interview finden Sie hier.

UPDATE Richtigstellung:

Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass uns zur Angabe des interviewten Professors in diesem Artikel leider ein Fehler unterlaufen war. Hier gab es eine Verwechslung zwischen Prof. Albrecht Goeschel und Dr. Albrecht Göschel. Der Soziologe Dr. Albrecht Göschel, der als erster Referent des Ludwigsburger Kongresses Taten.Drang.Kultur resümiert, steht NICHT im Zusammenhang mit diesem Artikel.

Das Interview wurde stattdessen mit Prof. Albrecht Goeschel geführt, er ist Internationaler Experte für Wirtschaftspolitik, Raumordnung, Sozialsicherung und Gesundheitsversorgung. Er ist unter anderem Consultant des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen BdO, der Sozialverbände VdK Bayern und NRW, der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Regierung der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol. Des weiteren ist er Chef des Gesundheitsresorts der Tageszeitung Ärzte-Zeitung. Wir bitten um Entschuldigung und darum, die Richtigstellung zur Kenntnis zu nehmen.



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