„Metropolfilialen“: Supermärkte werden kreativ mit Kindergärten, Parkplätzen und im Wohnungsbau

Angesichts der Wohnungsnot und knapper Flächen in vielen Städten rücken Handelsketten von der klassischen Filiale mit großem Parkplatz ab. Sie setzen auf Kombinationen mit Wohnungen und sogar Kindergärten - nicht ganz uneigennützig.
Titelbild
Die Computer-Darstellung zeigt die vom Discounter Lidl geplante «Metropolfiliale» in Frankfurt-Niederrad.Foto: Lidl/dpa
Epoch Times6. April 2018

Bodentiefe Fenster, breite Gänge, begrüntes Dach mit Photovoltaikanlage, Ladestationen für Elektro-Autos – und das auf engstem Raum. Im Frankfurt-Niederrad will Lidl sein Image polieren und zugleich dem Platzmangel in der Stadt begegnen.

Die Enge lässt den Discounter kreativ werden: Parkplätze werden unter der Filiale angelegt, eine Rolltreppe führt zu den Verkaufsflächen. Die erste „Metropolfiliale“ sei eine Blaupause, „wie wir uns Einzelhandel in dicht besiedelten innerstädtischen Gebieten vorstellen“, erklärte Alexander Thurn, Geschäftsleiter Immobilien bei Lidl Deutschland, zum Spatenstich.

Bräuchten übliche Filialen mit vorgelagerten Parkplätzen eine Fläche von mindestens 6000 Quadratmetern, komme dieser spezielle Bautyp mit der Hälfte aus. Und Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann kündigte eine enge Kooperation mit der Handelskette an – „auch beim Wohnungsbau.“

In Großstätten sind die Grundstücke teuer

Mit den Plänen ist Lidl nicht allein. Eingeschossige Flachbauten mit üppigen Parkplätzen für den Großeinkauf am Wochenende – dieses Bild in deutschen Städten dürfte seltener werden. Lebensmittelhändler errichten zunehmend Filialen mit angeschlossenen Wohnungen, Arztpraxen und Büros.

Gab es bisher schon angemietete Geschäfte im Erdgeschoss von Wohnungen und auch einzelne gemischte Projekte, gewinnt die „Nachverdichtung“ nun an Fahrt. „Der Trend zum Neubau gemischter Handelsimmobilien ist noch jung“, sagt Marco Atzberger, Mitglied der Geschäftsleitung beim Handelsinstitut EHI.

Norma etwa hat im Obergeschoss einer Filiale in Nürnberg eine Kindertagesstätte errichtet, Wasserspielplatz auf dem Flachdach inklusive. Ferner hat die Handelskette auf dem Grundstück auch den Neubau von Reihenhäusern und Geschosswohnungen geplant. Das Projekt sei Vorbild für weitere Filialen gerade in Bayern, heißt es.

Aldi Süd hat ähnliche Pläne: In Ballungsräumen wie Köln oder München würden Filialen in Kombination mit Wohnungen realisiert, teilte das Unternehmen mit. Man stehe neuen Konzepten „offen gegenüber“.

Und Lidl will im Frankfurter Gallus-Viertel eine Filiale abreißen, die samt Parkplatz ein 7700 Quadratmeter großes Grundstück belegt. Zu viel Raum für einen eingeschossigen Bau, findet Lidl, zumal die Gegend durch mehr Wohnungsbau „zunehmend attraktiv“ werde.

Lidl plant mit der kommunalen Gesellschaft ABG 110 Wohnungen auf dem Gelände – 40 direkt über der neuen Filiale und weitere 70 in einem separaten Gebäude. Die Parkplätze werden teils in eine Tiefgarage verbannt.

Mit solchen Plänen kommen Händler den Anforderungen von Städten entgegen, die dringend Wohnraum brauchen“, sagt Atzberger.

Mehrgeschossige Handelsimmobilien seien betriebswirtschaftlich effizienter und nebenbei näher am Kunden. „Wer über einem Lebensmittelmarkt wohnt, kauft dort wahrscheinlich auch ein.“

Aldi baut in Berlin Wohnungen

Teils agieren Handelsketten aber auch unter politischem Druck. Aldi Nord etwa will in Berlin 2000 Wohnungen errichten. Die ersten in Neukölln und Lichtenberg würden in Kürze gebaut, weitere 15 Standorte in der Hauptstadt habe man im Blick. Mit dem Projekt geht Aldi auch auf Berlins Senat zu, dem die üppigen Discounterflächen wegen der Wohnungsnot ein Dorn im Auge sind.

Handelsketten dürften mit gemischt genutzten Immobilien leichter Baugenehmigungen in Städten erhalten“, sagt Atzberger.

Zudem setzt der Immobilienboom die Handelsketten selbst unter Druck. In Metropolen seien Planungen für rein eingeschossige Supermärkte plus Parkplätze wegen der hohen Grundstückpreise „wirtschaftlich nicht realisierbar“, erklärte Rewe. Der hochpreisigere Händler setzt aber eher auf zentrale „City“-Filialen in städtischen Wohnhäusern.

Selbst bei anderen Händlern finden neue Filialtypen Gefallen: So strebt der Möbelriese Ikea zunehmend in die Innenstädte und kann sich nun Büros und Wohnungen auf dem Dach von Geschäften vorstellen. „Wir trauen uns zu, solche Modelle zu entwickeln. Umgesetzt werden sollten sie dann mit lokalen Partnern“, kündigte Ikea an.

Die neuen Vorzeigefilialen haben jedoch auch Nachteile, etwa eine aufwendigere Statik. Aus Anwohnersicht ist ebenfalls nicht alles rosig: Supermärkte liegen oft an Verkehrsachsen und sind so Lärm beim Kommen und Gehen der Kunden ausgesetzt. Zumal manche Geschäfte bis in den späten Abend hinein geöffnet haben.

Zudem sei Vermietung keine Kernkompetenz von Händlern, sagt Experte Atzberger. Verwalteten sie Wohnungen in eigener Hand, seien sie Ansprechpartner für Reparaturen und Mieterbeschwerden. Eine Auslagerung an Dienstleister lohne hingegen erst bei vielen Objekten. „Die neuen Filialkonzepte müssen sich insofern noch bewähren.“ (dpa)



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