Millionenteueres Projekt: Berliner Senat beendet „grünen“ Verkehrsversuch in der Friedrichstraße

Der rot-rot-grüne Verkehrsversuch in der beliebten Einkaufsmeile der „Friedrichstraße“ in Berlins Mitte ist durch den neuen rot-schwarzen Senat beendet worden. Autos können die Straße jetzt wieder durchgängig befahren. Was das umstrittene Verkehrsprojekt den Steuerzahler kostete, fasste die Berliner AfD-Fraktion zusammen.
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Der Verkehrsversuch in der Friedrichstraße in Berlin wurde beendet.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 3. Juli 2023

Die beliebte Einkaufsstraße „Friedrichstraße“ im Herzen von Berlin mit ihren zahlreichen, teilweise luxuriösen Geschäften ist seit 1. Juli wieder durchgängig mit dem Auto befahrbar.

Der neue Berliner Senat setzte damit seine Ankündigung vom Mai 2023 um – weil keine besondere Dringlichkeit einer Umsetzung der Teilsperrung der Friedrichstraße bestehe und mehrere Widersprüche gegen die Sperrung samt gerichtlichem Eilverfahren vorliegen.

Von August 2020 bis jetzt war ein etwa 500 Meter langer Abschnitt zwischen Französischer und Leipziger Straße durch ein von der abgelösten rot-rot-grünen Regierung initiiertes Projekt namens „Flaniermeile Friedrichstraße“ für den Autoverkehr gesperrt.

Nach den damit verbundenen politischen, aber auch ausgiebigen juristischen Auseinandersetzungen, die noch weiter andauern, enden nun das Hin und Her und ein mehrfacher Wechsel zwischen Sperrung und Freigabe, der für Anwohner und Lieferverkehr immer wieder für Irritationen sorgte.

So gab es kurzzeitig eine Entsperrung (Mitte November 2022 bis Ende Januar 2023) des betroffenen Teilstücks. Sie zeigte laut einem Aktionsbündnis von Berliner Gewerbetriebenden, dass es zu einem Erholungseffekt beim Umsatz von +49 Prozent bei den von der Autosperrung betroffenen Gewerbetreibenden im Januar gab.

Verkehrsversuch kostete Millionenbetrag

Welche Kosten durch den Verkehrsversuch der Landesregierung für den Steuerzahler entstanden sind, trug die Berliner AfD-Fraktion, die sich für eine Autonutzung der Friedrichstraße einsetzte und zahlreiche Anfragen an den Berliner Senat stellte, nun zusammen.

Laut ihrer Zusammenstellung aufgrund der Regierungsantworten kosteten die gesamten Maßnahmen im Rahmen des Verkehrsprojektes Friedrichstraße an Landesmitteln 2,8 Millionen Euro.

  • 756.602,00  Euro – Verkehrserhebungen und Verkehrsdatenauswertung
  • 520.662,30 Euro – weitere zusätzliche Stadtmöbel
  • 301.556,00 Euro – Gestaltungsplanung und technische Umsetzung
  • 298.392,50 Euro – zusätzlicher Auftrag zu „Dienstleistungen bei der Unterstützung der gestalterischen Planung und die technische Umsetzung“ 12/2022
  • 191.437,00 Euro – Marketingkampagne
  • 177.879,29 Euro – Verkehrliche Beschilderungs- und Markierungsarbeiten, Verkehrseinrichtung
  • 133.059,62 Euro – Stromversorgung
  • 129.800,00 Euro – Begrünung, Begrünung der Stadtmöbel
  • 103.710,00 Euro – Parklets
  • 88.940,89 Euro – Showcases
  • 69.820,00 Euro – Weihnachtsbeleuchtung
  • 58.721,00 Euro – Abbau und Demontage in Vorbereitung Öffnung 11/2022
  • 49.282,60 Euro – Reinigung und Instandhaltung Stadtmobiliar
  • 27.812,82 Euro – Kommunikation
  • 11.401,00 Euro – Befragung Passantinnen und Passanten
  • 5.100,00 Euro – Projektevaluation Umwelteffekte
  • 1.398,00 Euro – Information Anrainerinnen und Anrainer sowie Netzwerktreffen
  • 1.000,00 Euro – Öffentlichkeitsarbeit

Summe aller bisher getätigten Ausgaben und Aufträge

  • 2.926.575,02 €
  • davon EU-Födermittel (EFRE) 108.283,32 Euro
  • davon Landesmittel 2.818.291,70 Euro

Rot-rot-grüner Senat: Verkehrsversuch war erfolgreich

Der Verkehrsversuch (§ 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO) in der Friedrichstraße samt Durchfahrtsverbot für motorisierte Fahrzeuge durch die vorherige Landesregierung fand vom August 2020 bis Oktober 2021 statt. Dabei erfolgten Untersuchungen zu den verkehrlichen, wirtschaftlichen und Umwelteffekten durch verschiedene Fachbereiche der Senatsverwaltung.

Doch statt den Verkehrsversuch dann im Oktober 2021 zu beenden und die Autosperrung aufzuheben, wurde der Verkehrsversuch verlängert. Der Senat begründete dies mit der Corona-Krise. Denn durch die Corona-Maßnahmen der Landesregierung wurde die Datenerhebung beeinflusst. Zur „Datenabsicherung und validen Projektbewertung“ hielt der damalige grüne Berliner Verkehrssenat eine Verlängerung der Autosperrung für notwendig.

Laut Zwischenbericht des damaligen rot-rot-grünen Senats hätte dann der Versuch ergeben, dass eine dauerhafte Verkehrsberuhigung des Straßenabschnitts unter Ausschluss des Kfz-Verkehrs zwischen Französische Straße und Leipziger Straße verträglich und somit dauerhaft anzustreben sei. Die Aufenthaltsqualität und damit Attraktivität der Friedrichstraße habe gegenüber der Ausgangssituation durch das Projekt „Flaniermeile Friedrichstraße“ und auf Basis der guten Zusammenarbeit mit Anrainern deutlich gesteigert werden können. Somit wäre der Verkehrsversuch erfolgreich gewesen, so der damalige Senat.

Die damalige Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) leitete dann noch kurz vor der Berliner Wiederholungswahl Ende Januar 2023 eine Umwidmung des betroffenen Teilstücks der Friedrichstraße in eine Fußgängerzone ein. Dies fand statt, obwohl das Aktionsbündnis von ansässigen Gewerbetriebenden namens „Rettet die Friedrichstraße“ sich erfolgreich juristisch gegen die Autoverkehrsperrung in der Friedrichstraße durchsetzte.

Verwaltungsgericht: Verlängerte Straßensperrung rechtswidrig

Im Eilverfahren stellte Ende Oktober 2022 nämlich das Verwaltungsgericht Berlin die Rechtswidrigkeit der Straßensperrung fest und entschied für die Aufhebung der verlängerten Sperrung. Laut Gericht lägen keine Voraussetzungen für diese verlängerte Straßensperrung über den geplanten Versuchszeitraum vor. Binnen zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung sollte die Sperrung zurückgebaut und die Straße wieder für den Autoverkehr freigeben werden. Der damalige rot-rot-grüne Senat sperrte später allerdings erneut ein Teilstück der Friedrichstraße für den Autoverkehr.

Auch kam das Aktionsbündnis zu einem ganz anderen Ergebnis als der Berliner Senat. „Das Konzept des Verkehrssenats geht nicht auf. Die Flaniermeile bzw. Fußgängerzone zieht nachweislich weniger Besucher an.“ Dies zeige die erneute Analyse einer der führenden und unabhängigen Location-Performance-Plattformen „PlaceSense“, hieß es vom Aktionsbündnis im Februar 2023.

„Ladenschließungen, Umsatzrückgänge, Besuchermangel, Stillstand, Ödnis, die Optik einer Dauerbaustelle und Berlins peinlichste neue Fahrradrennstrecke – nichts davon erhöht die Aufenthaltsqualität in diesem Bereich oder macht die Straße zu einer Flaniermeile“, erklärte das Aktionsbündnis auf seiner Website.

Was von der Politik als Erfolg verbucht werde und noch auf weitere Straßenabschnitte ausgeweitet werden soll, erklärten ansässige mittelständische Unternehmen, Gewerbetreibende, Hotellerie, Gastronomen sowie Anrainer für gescheitert.

Dieses Bündnis begrüßt nun die Wiederöffnung des für den Autoverkehr gesperrten Teilabschnittes in der Friedrichstraße und die Ankündigung des neuen rot-schwarzen Senats, in einem breiten Beteiligungsprozess und eng abgestimmt mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen eine verkehrliche Gesamtplanung für die historische Mitte in Berlin zu erarbeiten, „um eine nachhaltig funktionierende Lösung gemeinsam mit den Betroffenen und dem Bezirk zu entwickeln“.



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