Über 3600 Missbrauchsfälle in der Kirche: Anzeige soll Ermittlungen anstoßen

Mit ihrer Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche fordern sechs Juristen Staatsanwaltschaften zu Ermittlungen in den 27 deutschen Bistümern auf.
Titelbild
Rosenkranz und Schreiben in der Hand eines Priesters. Für Deutschland hat eine Studie im vergangenen Monat ergeben, dass zwischen 1946 und 2014 mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 Minderjährige missbraucht haben sollen.Foto: Jochen Lübke/dpa
Epoch Times3. November 2018

Eine Strafanzeige gegen unbekannt wegen der mehr als 3600 juristisch nicht aufgearbeiteten Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche beschäftigt Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland.

Sechs Juristen hatten vergangenen Freitag bei den Staatsanwaltschaften im Bezirk aller 27 katholischen Bistümer Anzeige wegen sexuellen und schweren sexuellen Missbrauchs eingereicht. Sie sehen die Ermittlungsbehörden in der Pflicht, tätig zu werden, wie der Passauer Anwalt Holm Putzke sagte.

Mit ihrer Anzeige haben die Juristen einen Stein ins Rollen gebracht, wie eine Nachfrage bei Staatsanwaltschaften ergeben hat. „Wir haben überlegt, hier einen Anstoß zu geben“, sagte Putzke der Deutschen Presse-Agentur. Und weiter: „Wenn wir nicht auf den Rechtsstaat vertrauen würden, dann hätten wir diese Strafanzeige nicht gestellt.“

Die Anzeige werde derzeit geprüft, hieß es etwa von den Behörden in Freiburg, Osnabrück und Würzburg. In Köln und Regensburg waren die Staatsanwaltschaften nach eigenen Angaben unabhängig von der Anzeige bereits mit der Prüfung eines Anfangsverdachtes befasst.

Die Juristen argumentieren, die von der Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Missbrauchsstudie habe „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für Straftaten geliefert. Nicht unkompliziert sei die Frage nach der Verjährung bei diesen Fällen. Jedoch könnten sich wahrscheinlich zurück bis 1998 Fälle finden, die nicht verjährt seien, sagte Putzke.

Die Staatsanwaltschaften stünden nun in der Pflicht, die Bistümer anzuschreiben und um Herausgabe der dort vorhandenen Akten zu bitten, die zwar in die Missbrauchsstudie eingeflossen sind, den Strafverfolgungsbehörden aber noch nicht zur Prüfung vorgelegen haben, sagte Putzke. Als Zeugen müssten die Bistümer ihr Wissen dazu gegebenenfalls herausgeben. Sollten sie das nicht machen, müssten sie durchsucht und gegebenenfalls die Akten beschlagnahmt werden. Die Weigerung, vorhandene Akten herauszugeben, könnte eine Strafvereitelung darstellen.

Weltweit steht die katholische Kirche wegen Missbrauchsskandalen in der Kritik. Für Deutschland hatte eine Studie im vergangenen Monat ergeben, dass zwischen 1946 und 2014 mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 Minderjährige missbraucht haben sollen. In Kirchenakten wurden Hinweise darauf gefunden, dass 4,4 Prozent aller Kleriker Kinder oder Jugendliche missbraucht haben könnten. Vielfach wurde der Missbrauch vertuscht.

Der Leiter der Untersuchung, Harald Dreßing, hatte nach deren Veröffentlichung einen mangelnden Aufklärungswillen in weiten Teilen der Kirche beklagt. Das Ausmaß des Missbrauchs als auch der Umgang der Verantwortlichen damit sei erschütternd gewesen. Als Reaktion hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, Reformen angekündigt, etwa die Ehelosigkeit von Priestern auf den Prüfstand stellen zu wollen. Im Jahr 2010 hatten die katholischen Bischöfe bereits ihre Vorschriften im Zusammenhang mit möglichen Missbrauchsfällen verschärft. Seither wird nach Kirchenangaben automatisch bei jedem Verdacht auf sexuellen Missbrauch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die Anzeigepflicht entfalle nur, wenn das Opfer dies ausdrücklich wünsche, heißt es. (dpa)



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