Mittelstand warnt: Bereits kurzer Stromausfall für Unternehmen existenzgefährdend

Als „nicht dramatisch“ betrachtet mancher Netzbetreiber einen möglichen kurzfristigen Stromausfall in Deutschland. Im Mittelstand sieht man das anders.
Wie wahrscheinlich sind Stromausfälle in Deutschland in diesem Winter?
Wie wahrscheinlich sind Stromausfälle in Deutschland in diesem Winter?Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Von 2. Dezember 2022

Als „nicht dramatisch“ hat ein Vorstandsmitglied der Netzgesellschaft Niederrhein jüngst gegenüber der „Tagesschau“ die Folgen eines möglichen „Brownouts“ in Deutschland bezeichnet. Darunter versteht man eine kontrollierte Stromabschaltung von bis zu 90 Minuten auf Anforderung eines Netzbetreibers an sehr kalten Tagen. Ein solcher Schritt könnte bei Nachfrageüberhang einen nicht kontrollierten Stromausfall verhindern.

Sollte es zu so einem Szenario kommen, wäre damit „keine lebensbedrohliche Situation“ verbunden – selbst wenn man im Fahrstuhl feststecke. Es taue zudem kein Kühlschrank auf. Zudem sei die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt dazu komme und man selbst betroffen sei, sehr gering.

Zwei Stunden besiegeln Schicksal eines Küchenherstellers

Weniger entspannt sieht man die Aussicht auf mögliche „diskriminierungsfreie“ Stromabschaltungen im Mittelstand. Wie mehrere Experten gegenüber der „Wirtschaftswoche“ betonen, kann bereits ein kurzer Stromausfall für Unternehmen Schäden in Millionenhöhe bedeuten.

Der vorläufige Insolvenzverwalter Stefan Meyer verweist beispielsweise auf das Schicksal des Küchenherstellers „Rational“ aus dem niedersächsischen Melle. Deren Küchenproduktion ruht seit dem 30. August. Der Stromausfall jenes Tages, der drei Ortsteile erfasste, dauerte nur zwei Stunden.

Allerdings habe das ausgereicht, um die IT-Server, über die Planung und Produktion der Küchen gesteuert wurden, erheblich zu beschädigen. Aufgrund technischer Defekte sei auch die Notstromversorgung ausgefallen, die das Unternehmen vorsorglich installiert hatte.

Stromausfall verursachte Millionenschaden bei Infineon

Auch wenn der Küchenhersteller ein seltenes Extrembeispiel für Stromausfall-Folgen darstellen mag: Bereits kurze Blackouts hatten in der Vergangenheit oft erhebliche Kostenfolgen. Im September brannte im baden-württembergischen Rastatt ein Umspannwerk. Von dem dadurch bedingten Stromausfall waren 50.000 Einwohner betroffen.

Besonders gravierend waren die Folgen für einen Edeka-Markt: Die Kühlanlage fiel dort aus und auch nach Ende des Stromausfalls verblieben Startschwierigkeiten. Am Ende verdarben Lebensmittel im Wert von etwa 85.000 Euro, die der Inhaber entsorgen musste.

Am 13. September 2021 löste ein Luftballon in einem Umspannwerk bei Dresden einen Kurzschluss aus. Der Strom fiel in etwa 300.000 Haushalten in Stadt und Umgebung aus. Besonders stark betroffen war das Infineon-Werk: Obwohl man dort über komplexe Sicherungssysteme für solche Fälle verfügte, entstand ein zweistelliger Millionenschaden.

Die beunruhigende Quintessenz: Selbst ein Branchenriese wie Infineon ist nicht in der Lage, bei einem Stromausfall seine komplette Produktion für mehr als 20 Minuten aufrechtzuerhalten.

BBK ruft Situation im Münsterland 2005 in Erinnerung

Zwar gibt es mittlerweile einen Leitfaden des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zur Notfallvorsorge. Allerdings komme für viele Hersteller von Notstromaggregaten die Nachfrage der Unternehmen zum einen spät – und zum anderen wären es häufig zu viele, um kurzfristig alle abzudecken. In vielen Betrieben ist Experten zufolge auch die Risikoanalyse wenig ausgeprägt. Man hoffe, dass einem das Schicksal eines länger andauernden Stromausfalls schon erspart bleiben möge.

Die Vorfälle mehren sich jedoch. Das BBK selbst weist darauf hin, dass Haushalte im Jahr 2020 im Schnitt 10,73 Minuten ohne Strom auskommen mussten. Eines der extremsten Beispiele für unterbrochene Stromversorgungen sei das Schneechaos im Münsterland 2005 gewesen. Damals waren in der Vorweihnachtszeit mehr als 80 Strommasten eingeknickt – die Stromversorgung war bis zu sechs Tage unterbrochen.

Stromausfall dauert im Schnitt 13 Minuten – mehr als 166.000 Fälle im Vorjahr

BBK-Präsident Ralph Tiesler hatte auch jüngst gegenüber der „Welt am Sonntag“ erklärt, dass selbst Blackouts – also nicht geplante Stromausfälle – in Deutschland möglich sind. Allerdings halte er einen großflächigen Stromausfall für „äußerst unwahrscheinlich“. Dennoch könne es sein, dass es „regional und zeitlich begrenzt zu erzwungenen Abschaltungen kommt, um die Gesamtversorgung weiter sicherzustellen“.

Die Bundesnetzagentur bestätigt unterdessen, dass ein Stromausfall in Deutschland eine Erscheinung ist, deren Auftreten sich häuft. Allein im Jahr 2021 habe es mehr als 166.000 Versorgungsunterbrechungen im Stromnetz gegeben, die länger als drei Minuten gedauert hätten. Das seien etwa 4.400 Meldungen mehr gewesen als im Jahr zuvor.

Betroffen haben diese Privathaushalte ebenso wie gewerbliche Abnehmer oder öffentliche Einrichtungen bis hin zu Schulen und Krankenhäusern. Die Dauer der Vorfälle habe sich im Schnitt auf etwa 13 Minuten belaufen.



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