Nach AfD-Erfolg: Merz sieht Grüne als „Hauptgegner“ und kritisiert „Volkserziehungsattitüde“

Die AfD befindet sich weiter im Aufwind, die Union stagniert. Für Friedrich Merz ist das ein Anlass, die Grünen bis auf Weiteres zum „Hauptgegner“ der CDU zu erklären.
Friedrich Merz, der Vorsitzender der größten Oppositionsfraktion im Bundestag ist, kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung beim Klimaschutz scharf.
CDU-Chef Friedrich Merz macht die Grünen auf Bundesebene für die „Polarisierung um die Energiepolitik“ verantwortlich.Foto: Jens Büttner/dpa
Von 28. Juni 2023

Ungewohnt kritische Töne kommen nach dem AfD-Wahlerfolg im thüringischen Landkreis Sonneberg aus der CDU in Richtung Grüne. Parteichef Friedrich Merz persönlich will gegen diese „klare Kante“ zeigen und sieht sie bis auf Weiteres als „Hauptgegner“ in der Bundesregierung.

Merz äußerte sich am Montag, 26. Juni, in Kiel. Zuvor hatte er ein Treffen der Unionsfraktionsvorsitzenden besucht, wie die „Tagesschau“ berichtete. Am Tag zuvor hatte der AfD-Kandidat Roland Sesselmann sich in der Stichwahl um das Landratsamt in Sonneberg gegen einen CDU-Politiker durchgesetzt. Alle übrigen Parteien hatten zuvor zu dessen Wahl aufgerufen.

Kein Widerspruch zu Koalitionen auf Landesebene?

Der CDU-Chef will in den kommenden Wochen und Monaten die „Auseinandersetzung deutlich verstärken“. Man wolle dem Eindruck widersprechen, die Union würde „immer schon nach links schielen und sagen, wir müssen unbedingt mit denen irgendwann in die Koalition“.

Zu Bündnissen der Union mit den Grünen auf Länderebene sieht Merz dabei keinen Widerspruch. Die Landespolitik habe „andere Themen“. Außerdem sei es ein Ausdruck von „Arbeitsteilung“, wenn Unionsverbände in den Ländern andere Prioritäten setzten. Dass jede Regierungsbeteiligung der Grünen auf Länderebene deren Macht über den Bundesrat stärkt, thematisierte der CDU-Vorsitzende nicht.

Merz macht Grüne für AfD-Höhenflug verantwortlich

Stattdessen übte Merz Kritik an der „penetrant vorgetragenen Volkserziehungsattitüde“, mit der die Grünen im Bund die Bevölkerung gegen sich aufbrächten. Die Partei sei dafür verantwortlich, dass „diese Polarisierung um die Energiepolitik, um die Umweltpolitik in Deutschland in dieser Weise entstanden ist“.

Einer jüngst veröffentlichten INSA-Umfrage zufolge teilen 29 Prozent der Bundesbürger diese Auffassung. Allerdings äußern 13 Prozent, die Union trage die hauptsächliche Verantwortung für den Aufstieg der AfD. Eine relative Mehrheit von 30 Prozent machte alle übrigen Parteien gleichermaßen dafür verantwortlich.

Jüngsten Umfragen zufolge würde die AfD auf Bundesebene mindestens 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Die Union bliebe zwar stärkste Partei, CDU und CSU stagnierten jedoch auf einem verhältnismäßig bescheidenen Niveau von gemeinsam 26 bis 27 Prozent.

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Kritik an Außenpolitik, doch wenig Unterschiede

Selbst an der Außenpolitik der Grünen übt Merz Kritik. Diese komme im Ausland „belehrend und moralisierend“ daher. Dies „lassen sich auch ausländische Gastgeber nicht bieten“. Merz hatte bislang zwar Kritik an Begriffen wie „feministische Außenpolitik“ geübt, wie sie Bundesministerin Annalena Baerbock verwendet hatte.

Inhaltlich hat Merz jedoch kaum signifikante Unterschiede zu den außenpolitischen Positionen der Grünen erkennen lassen. Stattdessen hatte er insbesondere mit Blick auf den Ukraine-Krieg wiederholt eine noch aggressivere Parteinahme für Kiew gefordert und die SPD für deren vermeintliche Zögerlichkeit kritisiert.

Damit lag der CDU-Vorsitzende auf einer Linie mit den Grünen und der FDP, die noch mehr Waffenlieferungen an die Ukraine und noch schärfere Sanktionen gegen Russland fordern. Die AfD hat hingegen – als einzige Bundestagspartei neben Teilen der Linken – beides wiederholt abgelehnt. Dieses Thema hatte trotz fehlenden kommunalpolitischen Bezuges auch für zahlreiche Wähler in Sonneberg eine Rolle gespielt.

„Sehr bürgerlich, sehr liberal und partnerfähig“

Seit seiner Rückkehr in die Politik hat Friedrich Merz höchst unterschiedliche Signale in Richtung der Grünen ausgesandt. Im Jahr 2018 erklärte er gegenüber „Bild am Sonntag“, er habe früher ein „extrem kritisches“ Verhältnis zu diesen gehabt. Mittlerweile sehe er sie jedoch als „sehr bürgerlich, sehr offen, sehr liberal und sicherlich auch partnerfähig“ an.

Vor allem über den heutigen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir war Merz voll des Lobes: „Wir kennen uns ganz gut, und wir teilen in vielen politischen Fragen eine Meinung.“
Im Juni 2019 warf er der auf einer medialen Sympathiewelle reitenden Partei hingegen „Umweltpopulismus“ vor. Im „Handelsblatt“ erklärte er, die Grünen würden „eine schöne neue Welt versprechen und auf komplexe Fragen zu einfache Antworten geben“.

Ist Haseloff für Merz nach wie vor das Vorbild?

Zwei weitere Jahre später forderte der heutige CDU-Chef seine Partei auf, sich von den Grünen abzugrenzen. Diese vertreten „heute ganz überwiegend ein wohlhabendes Großstadtmilieu“. Grün müsse man „sich leisten können“. Die Union dagegen sei „in der Breite der ganzen Bevölkerung aufgestellt“.

Unmittelbar zuvor hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt mit deutlichem Vorsprung gewonnen. Ihm war es dabei gelungen, einerseits die AfD in Schach zu halten – und andererseits die Grünen aus der Regierung zu drängen. Merz führte Haseloffs Erfolg darauf zurück, dass dieser auf die Bevölkerung statt auf die „Insider des Politikbetriebs“ gehört habe. Damals äußerte Merz:

Gender-Sprech und Identitätspolitik mögen in bestimmten Kreisen schick sein, die Bevölkerung hat ganz andere Sorgen.“

In Magdeburg regiert seither eine sogenannte Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP. Derzeitigen Umfragen zufolge wäre als Regierungsoption ohne Grüne und AfD nur ein solches Bündnis oder eine schwarz-rote Koalition möglich.



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