Nach den Landtagswahlen: Zersplitterung des Parteiensystems könnte sich 2024 fortsetzen

Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen haben die Union als Wahrer vermeintlicher Stabilität gestärkt – auf niedrigem Niveau. Darüber hinaus wenden sich die Wähler von linken Politikentwürfen ab. Das Parteiensystem zerfällt weiter.
Titelbild
Die Wahlplakate sind am 17. September 2023 in Fürstenfeldbruck zu sehen.Foto: Leonhard Simon/Getty Images
Von 9. Oktober 2023

Die amtlichen Endergebnisse der Landtagswahlen vom Sonntag, 8. Oktober, haben zumindest in Bayern noch geringfügige Veränderungen zu den letzten Hochrechnungen des Abends gebracht. So konnten sich die Freien Wähler im Freistaat noch vor der AfD positionieren. Die SPD konnte noch etwas Boden gutmachen. In Hessen hingegen stürzte sie noch weiter ab – was Fragen über die politische Zukunft von Bundesinnenministerin Nancy Faeser aufwirft.

Landtagswahlen sorgten nur auf den ersten Blick für Stabilität

Im Ergebnis scheinen die Landtagswahlen in Bayern und Hessen Stabilität gebracht zu haben. Im Freistaat kann die CSU ihre Koalition mit den Freien Wählern (FW) sogar mit noch größerer Mehrheit fortsetzen – was einzig an der Stärke des Koalitionspartners liegt.

In Hessen dürfte die schwarz-grüne Zusammenarbeit mit einer deutlich stärkeren CDU vor einer Verlängerung stehen. Zwar gäbe es auch noch die Option eines Bündnisses der Hessen-Union mit den Sozialdemokraten – unter allen Wählern würde diese als das geringere Übel wahrgenommen. Die CDU-Wählerschaft selbst bevorzugt hingegen die Fortführung der bestehenden Koalition.

Ministerpräsident Boris Rhein könnte als Argumente dafür eine fehlende Wechselstimmung und das desaströse Ergebnis der SPD anführen. Dazu kommt die Diffamierung aus den Reihen der Sozialdemokraten im Wahlkampf, von der sich sogar deren gescheiterte Spitzenkandidatin Nancy Faeser distanziert hatte. Bei der Union dürften diese noch nicht vergessen sein.

CDU und CSU – Sieger sehen anders aus

Dennoch geben die Ergebnisse der Landtagswahlen weder der CDU noch der CSU einen Grund, sich als große Sieger zu fühlen. In Bayern hat die Partei Markus Söders lediglich ihr historisch schlechtestes Ergebnis von 2018 stabilisiert. Verharrt die CSU bei den Bundestagswahlen 2025 auf diesem Niveau, droht ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Gemäß dem neuen Wahlrecht der Ampel könnten die Christsozialen ein solches nicht mehr durch Direktmandate egalisieren.

In Hessen gelang der Union ein Sprung vom schwächsten Resultat seit 1966 auf ein Niveau, das unterhalb von allen Ergebnissen der Jahre 1970 bis 2013 bleibt. Sowohl in Bayern als auch in Hessen wäre das Resultat der Union noch schlechter ausgefallen, wäre es ihr nicht gelungen, mehrere zehntausend Wählerstimmen von den Grünen zurückzuholen. Möglicherweise kamen diese von Wählern, die im medial gestützten Rausch der „Fridays for Future“-Jahre dorthin abgewandert waren – und nun die Folgen grüner Politik im eigenen Geldbeutel spüren.

Auf Bundesebene bildet sich weiterhin kein Trend zugunsten der Union ab. Zwar würden CDU und CSU Umfragen zufolge bundesweit weiterhin die stärkste Kraft bleiben. Dennoch sieht sie kein Meinungsforschungsinstitut auch nur in der Nähe der 30-Prozent-Marke. Das in Westdeutschland noch zugkräftige Argument, die Union wäre ein Garant für politische Stabilität, scheint nicht flächendeckend zu ziehen – ebenso wenig Friedrich Merz als potenzieller künftiger Kanzler.

Im nächsten Jahr hat die Union nicht mit Rückenwind zu rechnen. Bei der EU-Wahl könnte bereits eine weitere Protestwelle Platz greifen. Im Herbst folgen Landtagswahlen in drei ostdeutschen Ländern. Nur in Sachsen ist die CDU dabei noch in der Lage, von der Position der Ministerpräsidentenpartei aus zu agieren.

Freie Wähler in Bayern bärenstark – auf Bundesebene jedoch bedeutungslos

Mittlerweile ist die Proteststimmung auch im Westen angekommen. In Hessen zeigt sich dies vor allem am höchsten AfD-Landtagsergebnis, das in einem westdeutschen Bundesland je erzielt werden konnte. In Bayern steht dafür exemplarisch der dramatische Absturz der CSU in einem Regierungsbezirk wie Niederbayern.

Noch bis vor wenigen Jahren hatte die Union dort regelmäßig Ergebnisse um die 70 Prozent einfahren können. Mittlerweile hat sie sogar die relative Stimmenmehrheit in mehreren Landkreisen an die Freien Wähler verloren – und zusätzlich kann die AfD in dortigen Kommunen Ergebnisse von 20 Prozent und mehr verbuchen.

Vor allem in Bayern sind die Freien Wähler gekommen, um zu bleiben. Gleichzeitig deutet wenig darauf hin, dass es der Partei von Hubert Aiwanger gelingen wird, ihre Bedeutung im Freistaat auf die Bundesebene auszuweiten. In Rheinland-Pfalz und Brandenburg sitzen verbündete Formationen im Landtag – mit Ergebnissen knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. In Hessen reichte es trotz Zugewinnen nicht zu mehr als 3,5 Prozent.

In großen Flächenländern wie NRW oder Niedersachsen spielen die FW keine Rolle – Gleiches gilt für die Stadtstaaten. Ihr Erfolg hängt von kommunalpolitischer Verankerung und Identifikationsfiguren ab. Beides haben die Freien Wähler nicht überall. Dazu kommt, dass sie inhaltlich sehr heterogen aufgestellt sind. Dass die FW bundesweit perspektivisch die Fünf-Prozent-Hürde überschreiten werden, erscheint als unwahrscheinlich. Zur Zersplitterung tragen sie dennoch bei.

Linke Politik nicht mehr gefragt

Insgesamt spiegeln auch die Wahlergebnisse in Bayern und Hessen eine zunehmende gesellschaftliche Fragmentierung wider. Dazu kommt das ausgeprägte Ausmaß an Unzufriedenheit mit der Ampelpolitik – aber auch mit linken Politikentwürfen insgesamt. Während die Grünen immerhin darauf bauen können, dass es ein zweistelliges Wählerpotenzial gibt, das ihnen aus ideologischer Überzeugung heraus immer die Stimme geben wird, trifft dies auf die Ampelpartner nicht zu.

Die FDP kann maximal dort noch auf Rückhalt hoffen, wo sie entweder noch ein Kontrastprogramm zu den Grünen fährt oder wo sie als potenzieller Mehrheitsbeschaffer gebraucht wird. Die SPD verliert hingegen weiterhin in fast alle Richtungen. Lediglich von den Grünen konnte sie Stimmen abziehen – in Hessen auch von der Linkspartei.

Diese wiederum hat in beiden Ländern so schlecht abgeschnitten, dass sie in der Medienberichterstattung unter den „Sonstigen“ geführt wurde. Und auch ihr droht im nächsten Jahr weiteres Ungemach. Neben dem Verlust des Fraktionsstatus im Bundestag, der sich zunehmend abzeichnet, mehren sich die Anzeichen, dass aus einem jüngst vor dem Amtsgericht Mannheim gegründeten Verein die vielfach erwartete „Wagenknecht-Partei“ entsteht.

EU-Wahlen und Landtagswahlen 2024 wohl mit Wagenknecht-Partei

Die Wagenknecht-Partei könnte unterdessen nicht nur aus dem Umfeld der Linkspartei Stimmen abziehen. Vielmehr könnte sie – ähnlich wie die Freien Wähler in Bayern – eine Protest-Alternative zur AfD oder zum Nichtwählen werden.

In Hessen profitierte die AfD davon, dass sie vormalige Wähler halten und aus allen anderen Lagern Nettostimmen gewinnen konnte. Dazu kam, dass die Partei 46.000 ehemalige Nichtwähler aus der Enthaltung holen konnte.

Bei der EU-Wahl und den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg steht sie wahrscheinlich erstmals einer von Sahra Wagenknecht dirigierten Formation gegenüber.



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