Nach Gerichtsurteil: SPD will Vorratsdatenspeicherung „retten“ – FDP: „Totes Pferd reiten“
Die SPD will auch nach dem jüngst veröffentlichten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsgesetz (TKG) nicht ausschließen. So hält der stellvertretende Fraktionschef im Bundestag, Dirk Wiese, eine rechtskonforme Regelung nach wie vor für möglich. Die FDP bleibt skeptisch und will entsprechende Bestrebungen vollständig verwerfen.
Seit 2006 strebt die EU vergeblich einheitliche Standards an
Am Donnerstag, 7. September, hat das Bundesverwaltungsgericht ein bereits am 14. August gefälltes Urteil aufgrund von Klagen zweier Telekommunikationsanbieter (Az.: BVerwG 6 C 6.22 und BVerwG 6 C 7.22) publiziert. Darin hieß es, dass eine anlasslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung vollständig EU-Recht zuwiderlaufe.
Diese Rechtslage ergebe sich nicht zuletzt aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. April 2014. In diesem hatte der EuGH die EU-Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erklärt. Die Richtlinie hatte zum Ziel, alle Mitgliedstaaten zur Vereinheitlichung ihrer nationalen Regeln zur Vorratsdatenspeicherung zu veranlassen.
Zu einer EU-weiten Nachfolgeregelung ist es bis heute nicht gekommen. Nun ist auch die seit 2017 nicht mehr genutzte Regelung unter Verweis auf das EU-Recht endgültig zu Fall gekommen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte das Klageverfahren zwischenzeitlich ausgesetzt. Der EuGH sollte Fragen zur Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit EU-Recht klären. Im Jahr 2022 hatte er dies getan.
Wiese: „Anlasslose Vorratsdatenspeicherung durch EuGH teilweise für zulässig erklärt“
SPD-Politiker Wiese sieht in der Entscheidung dennoch noch keine endgültige Absage an einen neuen Anlauf. Er äußerte sich gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) „überrascht“, dass manche die Entscheidung als „die vollständige Absage zur gezielten IP-Adressenspeicherung“ läsen.
Der EuGH habe selbst erklärt, dass eine allgemeine und unterschiedslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sei. Dies seien unter anderem der Schutz der nationalen Sicherheit, die Bekämpfung schwerer Kriminalität oder die Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit.
Allerdings hatten die Richter entsprechende Regelungen im Telekommunikationsgesetz (TKG) als unzureichend betrachtet. Es hätten darin etwa objektive Kriterien zur Verdeutlichung eines Zusammenhangs zwischen den zu speichernden Daten und dem verfolgten Ziel gefehlt. Außerdem stellten die Vorratsspeicherung und der Zugang zu den gesammelten Informationen unterschiedliche Eingriffe in die betroffenen Grundrechte dar.
Deutsche Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung erfüllen Mindestanforderungen nicht
Für beide hätte es eine gesonderte Rechtfertigung geben müssen – diesem Umstand habe die Gesetzgebung jedoch nicht Rechnung getragen. Deshalb seien die Regelungen im Telekommunikationsgesetz zur Speicherung von Rufnummern, IP-Adressen oder der Dauer von Verbindungen nicht EU-rechtskonform.
Wie das Portal „heise.de“ berichtet, gingen dem BVerwG zufolge auch die für die Ermittlung der Speicherzwecke maßgeblichen Vorgaben im Rahmen einer Bestandsdatenauskunft deutlich über den EU-Rechtsrahmen hinaus. Bundestag und Bundesrat hatten sich auf einen entsprechenden Kompromiss im Jahr 2021 geeinigt.
Auf dieser Grundlage sollen Polizeibehörden neben Namen und Anschriften etwa auch Passwörter bei Social-Media-Diensten abfragen. Diese Regelung kann in der derzeitigen Form jedoch ebenfalls nicht bestehen bleiben.
Faeser für anlasslose IP-Datenspeicherung zur Bekämpfung von Kinderpornografie
Bundesjustizminister Marco Buschmann will nun auf das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren setzen. Dabei könnten Ermittlungsbehörden bei dem Verdacht auf eine erhebliche Straftat relevante Verkehrsdaten umgehend bei den Providern einfrieren lassen. Später seien diese in Strafverfahren nutzbar.
SPD-Fraktionsvize Wiese weist hingegen darauf hin, dass nur derjenige etwas einfrieren könne, der zuvor etwas gespeichert habe. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser will eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen und Portnummern grundsätzlich zulassen. Gerade in Bereichen wie der Kinderpornografie, so heißt es aus dem Ministerium, seien IP-Adressen häufig der einzige Anhaltspunkt für Verfolgungsschritte.
(Mit Material der dpa)
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