Nach Terror-Feiern in Neukölln: Özdemir fordert härteren Umgang mit Islamverbänden
Es waren nur etwa 50 bis 60 Personen, die am Samstag in der Sonnenallee von Neukölln am Solidaritätsaufmarsch mit dem Terror der Hamas gegen Israel teilnahmen. Darüber hinaus ist die Vereinigung „Samidoun“, die der marxistisch-leninistischen PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) nahesteht, nicht für besondere Religiosität bekannt. Dennoch könnte die Verteilung von Süßigkeiten zur Feier von Terrorismus eine neue „Islam-Debatte“ in Deutschland befeuern.
Özdemir fordert „anderen Umgang“ mit muslimischen Verbänden
Bundeslandwirtschaftsminister und Grünen-Politiker Cem Özdemir hat den Terroranschlag der Hamas genutzt, um deutsche Islamverbände ins Visier zu nehmen. Bei „Anne Will“ forderte Özdemir, man müsse „die Samthandschuhe bei muslimischen Verbänden auch mal weglassen“. Es müsse ab sofort einen „anderen Umgang“ geben mit der „Islamlobby“.
Parteien hätten bisher eine „unbeschreibliche Naivität“ im Umgang mit den Islamverbänden gezeigt. Bundesländer strebten Staatsverträge mit „orthodoxen Islamverbänden“ an, obwohl „die uns hier den Mittelfinger zeigen“.
Ein weiterer Grünen-Politiker, Danyal Bayaz, wirft den Verbänden vor, sich nicht zu den feiernden Terrorverherrlichern in Neukölln geäußert zu haben.
Publizist Baé: Özdemir fördert „Verschwörungsmythos der AfD“
Die Äußerungen Özdemirs veranlassten den Publizisten Tarek Baé auf Facebook zu einer scharfen Replik. Er warf ihm vor, Muslime in gleicher Weise in Kollektivhaftung zu nehmen, wie Antisemiten dies immer schon bei Juden praktiziert hätten. Özdemir fördere „den Verschwörungsmythos der AfD, Muslimen würde man alles durchgehen lassen“, und stachele zu Hass an. Weiter äußerte Baé:
Moscheeverbände sind Religionsgemeinschaften. Sie kümmern sich um religiöse Dienste. Sie sind nicht Presseorgane. Darüber hinaus stellen sich Moscheen und muslimische Stimmen ständig gegen Gewalt. Egal, ob sie israelische oder palästinensische Zivilisten trifft. Wie jeder normale Mensch. Oder siehst du in ihnen keine Menschen?“
Unverständnis bei Islamverbänden über Kritik an ihren Statements
Auch in islamischen Verbänden selbst herrscht Unverständnis über die Kritik an ihren Reaktionen auf den Terrorakt. Sowohl die DITIB als auch der Koordinationsrat der Muslime, der Verband VIKZ oder die IGMG haben Erklärungen zu den Entwicklungen in Israel und Gaza veröffentlicht.
Der Tenor war dabei, dass man jedwede Gewalt ablehne, den Tod von Zivilisten verurteile und sich von antijüdischen Äußerungen distanziere. Was jedoch bei keinem Funktionär, der sich namens deutscher Islamverbände zu Wort meldet, durchklingt, ist eine Verurteilung der Hamas. Deren Benennung als Terrororganisation unterbleibt durchgängig.
Häufig werden palästinensische Terrorakte auch in einem Kontext mit Handlungen des israelischen Staates gesetzt. In den Statements äußern die Verbände Mitgefühl mit zivilen Opfern auf beiden Seiten. Allerdings findet keine Bezugnahme auf die Ursachen statt. Kritiker – auch aus der eigenen Community – sehen dies als Relativierung an. Immerhin wären zivile palästinensische Opfer israelischer Militäraktionen in Gaza nie zu beklagen gewesen, hätte die Hamas nicht wahllos Terror gegen Bewohner Israels verübt.
Murat Kayman vom Verein „Alhambra e. V.“ wirft den etablierten Islamverbänden vor, die Reaktion auf palästinensische Terrorakte aussitzen zu wollen. Solange, bis es eine israelische Antwort gebe und man Leichenbilder aus Gaza nutzen könne, um Israel anzuprangern.
Unterschiedliche Wahrnehmungen des Nahost-Konflikts
Tatsächlich ist die Wahrnehmung des Nahost-Konflikts in weiten Teilen der muslimischen Community auch insgesamt eine deutlich andere als in weiten Teilen der deutschen Politik. Dies beginnt bereits bei der Solidarität mit Israel als Teil der deutschen Staatsräson, die vor allem in Zeiten terroristischer Angriffe beschworen wird.
Die meisten Muslime in Deutschland sind Einwanderer, die seit Beginn der 1960er-Jahre ins Land gekommen waren, und deren Nachfahren. Sie betrachten diesen Teil der deutschen Staatsräson als Konsequenz aus dem Holocaust. Dieser ist aus ihrer Sicht aber in erster Linie ein Menschheitsverbrechen, das Europäer im Allgemeinen und Deutsche im Besonderen verursacht hätten. Deshalb betreffe – so die Einschätzung vieler muslimischer Einwanderer – die daraus erwachsene Verantwortung gegenüber Israel auch in erster Linie die „Alteingesessenen“.
Dazu kommen Narrative historischer, religiöser und nationaler Art, die dazu führen, dass viele Muslime einen Unterschied machen zwischen ihrer Position zum Judentum und jener zu Israel als Staat. Zahlreiche Positionen in diesem Bereich sind Ausdruck weitverbreiteter, propagandistischer Verschwörungserzählungen. Einige davon sind unverkennbar antisemitisch – wie etwa Darstellungen von Israel als „Kindermörder“ oder die Behauptung, das Land wolle gegen die Al-Aksa-Moschee vorgehen.
Das Kolonialismus-Narrativ und seine Widersprüche
Einige andere sind hingegen komplexer und sind auch der europäischen Linken oder äußersten Rechten nicht fremd. In Teilen der muslimischen Community reiht sich die Position zu Israel etwa ein in die Kolonialismus-Debatte. Die Entstehung des Staates Israel auf dem Boden des „Britischen Mandatsgebiets Palästina“ und der UN-Teilungsplan werden als kolonialistischer Akt Englands und Frankreichs wahrgenommen. Viele Muslime stehen auf dem Standpunkt, dass arabische Bewohner des Mandatsgebiets mit der Gründung des jüdischen Staates die Zeche für europäische Verbrechen bezahlen würden.
Es wird argumentiert, dass die Palästinenser im „größten Freiluft-Gefängnis der Welt“ sitzen und Israel einen „Apartheidstaat“ aufgebaut habe. Die unterschiedlichen Wahrnehmungen des Nahost-Konflikts sind damit zu einem Ur-Konflikt zwischen der arabischen Welt und dem Westen geworden.
Eine Lösung wird nur möglich sein, wenn die zugrunde liegende Opfer-Täter-Spirale durchbrochen werden kann. So erklärte der ehemalige Staatspräsident Israels, Schimon Peres, kurz vor seinem Tod, es sei besser, Fantasie und Vorstellungsvermögen zu lehren als Geschichte.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion