25 Prozent weniger Gas aus Russland: „Was jetzt morgen passiert, ist unklar“
Durch den Transitstopp für russisches Erdgas an einem wichtigen Knotenpunkt in der Ostukraine sind binnen eines Tages 25 Prozent weniger Erdgas durch eine der Hauptpipelines nach Deutschland geflossen. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte am Mittwoch in Berlin, der Rückgang gegenüber dem Vortag sei in Waidhaus an der deutsch-tschechischen Grenze festgestellt worden – einem von insgesamt drei Übergangspunkten für Erdgas aus Russland.
„Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil und die Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet“, betonte die Ministeriumssprecherin. Der Rückgang des Gastransits durch die Ukraine werde derzeit durch höhere Gasflüsse insbesondere aus Norwegen und aus den Niederlanden ausgeglichen.
Kein nennenswerter Anstieg der Großhandelspreise
Aktuell sei die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet, betonte eine Sprecherin. Die Füllstände der Gasspeicher stiegen aktuell auch weiter. Aktuell seien diese zu 38,6 Prozent gefüllt. „Was jetzt morgen passiert oder in einer Woche – das ist ja noch unklar“, sagte die Sprecherin. Man könne aus der aktuellen Entwicklung noch keine Schlüsse für die Zukunft ziehen, auch Voraussagen zu Preisentwicklungen seien nicht möglich.
Der Großteil des russischen Gases erreiche Deutschland ohnehin über eine andere Pipeline, Nord Stream 1. Ein Ausweichen auf die fertig gestellte Pipeline Nord Stream 2, die am Ende nicht in Betrieb genommen wurde, schloss die Sprecherin aus. „Nord Stream 2 ist nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wirklich gestorben, und da denkt jetzt keiner daran, hierauf auszuweichen.“
Der russische Staatskonzern Gazprom hatte wenige Stunden zuvor bestätigt, dass am Mittwoch nur 72 Millionen Kubikmeter Gas durch die Ukraine in Richtung Westen fließen sollen. Am Vortag habe das Auftragsvolumen noch bei 95,8 Millionen Kubikmetern gelegen. Aufträge für die im Grenzgebiet gelegene Messanlage Sochraniwka, die Teil der Sojus-Pipeline ist, würden nicht mehr angenommen, hieß es vom ukrainischen Netzbetreiber OGTSU. Die Begründung: Russlands Besatzung mache die Kontrolle der Anlage und die der Verdichterstation Nowopskow unmöglich. OGTSU sprach von einem Fall „höherer Gewalt“.
Russlands Energieriese Gazprom hielt dagegen, man habe „keinerlei Bestätigungen über Umstände höherer Gewalt“ erhalten. Die Ukrainer hätten in den vergangenen Wochen ganz „ungestört“ in Sochraniwka gearbeitet. Die nun wegfallenden Lieferungen stattdessen direkt an den Punkt Sudscha durchzuleiten, der auf russischem Territorium nahe dem ukrainischen Gebiet Sumy liegt, sei technisch nicht möglich, hieß es am Dienstagabend aus dem Moskauer Konzern. Die Ukraine hatte das vorgeschlagen. Ob ein Ersatz über andere Routen möglich ist, ließ Gazprom zunächst offen.
Der russische Staatskonzern bekräftigte einmal mehr, alle seine Verpflichtungen gegenüber europäischen Kunden zu erfüllen. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte: „Russland hat immer zuverlässig seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt und hat weiter vor, sie zu erfüllen.“
Die vertraglich mögliche maximale Auslastung des russischen Gas-Transits über die Ukraine liegt bei 109 Millionen Kubikmetern täglich. Den Angaben aus Kiew zufolge können nun bis zu 32,6 Millionen Kubikmeter pro Tag wegfallen. Die Ukraine bezieht aus der Durchleitung des russischen Gases wichtige Durchleitungsgebühren – und mahnte Gazprom an, diese auch weiter wie vereinbart zu zahlen.
Russland hat vor zweieinhalb Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine begonnen. Besonders in der Ostukraine gibt es schwere Kämpfe. Am Dienstag erklärte das russische Militär dann, gemeinsam mit prorussischen Separatisten bis an die Verwaltungsgrenzen des Gebiets Luhansk vorgedrungen zu sein.
Gasspeicher in Deutschland: Puffer für Mengen und Preise
Deutschland verfügt in Mittel- und Westeuropa über die größten Speicherkapazitäten für Erdgas. Laut Branchenverband Ines fassen sie Gas mit einem Energiegehalt von rund 255 Terawattstunden.
Das entspricht etwa einem Viertel des jährlichen Gasverbrauchs in Deutschland (rund 1.000 Terawattstunden). Laut dem neuen Speichergesetz sollen sie am 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein.
Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit eine Art Puffersystem für den Gasmarkt. Für gewöhnlich sind die Speicher mit Beginn der Heizperiode im Herbst gut gefüllt, bis zum Frühjahr nehmen die Füllstände dann ab. An kalten Wintertagen werden bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland aus deutschen Speichern abgedeckt.
In Deutschland gibt es 47 Untertagespeicher an 33 Standorten, die von rund 25 Firmen betrieben werden. Größter Speicherbetreiber ist der Energiekonzern Uniper, auf den rund ein Viertel der deutschen Speicherkapazität entfällt. Der größte Einzelspeicher wird allerdings von einer Tochtergesellschaft von Gazprom Germania betrieben, die seit Anfang April von der Bundesnetzagentur treuhänderisch verwaltet wird. Er befindet sich im niedersächsischen Rehden. Auf ihn entfällt rund ein Fünftel der deutschen Kapazität. (afp/dpa/red)
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