Nach Würzburger Messer-Anschlag: Noch immer kein klares Statement gegen islamistischen Terror

Drei tote Frauen, fünf Schwerverletzte und zwei Menschen mit leichten Verletzungen: Das ist das Ergebnis des „Dschihad“ von Abdirahman J., wie er die Morde nannte, bei denen er laut Zeugenaussagen noch „Allahu Akbar“ schrie. Doch die Politik schweigt, will keinen islamistischen Terror benennen und spricht von einem „Amokläufer“.
Von 29. Juni 2021

Noch zögert die Bundesanwaltschaft offenbar, den Fall des islamistischen Messer-Mörders von Würzburg an sich zu ziehen. Bis zum Montagnachmittag tat sie es noch nicht. Und die Politik versucht, die Einordnung der Tat als islamistischen Terrorakt zu umgehen. Regierungssprecher Steffen Seibert spricht von einem „Amokläufer (…) gegen jede Menschlichkeit und jede Religion“.

„Die Bundeskanzlerin und die gesamte Bundesregierung hoffen, dass die Verletzungen heilen, dass die Betroffenen wieder gesund werden können an Körper und an Seele und dass sie für diesen Weg Begleitung und Unterstützung finden“, so Seibert.

Die „Bild“ kritisiert in einem Kommentar das politische Schweigen nach den Morden von Würzburg: „Politische Akteure, die Rassismus und Frauenfeindlichkeit sonst klar und deutlich verurteilen, verlieren zu den Hinweisen auf Islamismus kein Wort oder schweigen zu den grausamen Frauen-Morden gar komplett.“

Kein Gewinner-Thema für Bundestagswahl 2021

Das Blatt sprach mit dem Migrationsforscher Prof. Ruud Koopmans (Humboldt-Uni Berlin): „Die Verneinung des religiösen Hintergrunds führt dazu, dass das Problem nicht erfolgreich bekämpft werden kann.“

Laut dem 60-jährigen Professor habe Deutschland ein Islamismus-Problem, was auch an der Asyl- und Migrationspolitik der Regierung liege. Es seien „überwiegend junge Männer aus Ländern, in denen der gewalttätige Islamismus sehr stark verbreitet“ sei, nach Deutschland gekommen. In dieser Zuwanderergruppe gebe es eine sehr hohe Überrepräsentation bei schweren Gewalt- und Sexualdelikten, so der Experte.

Bei 290.000 ausreisepflichtigen Ausländern und fehlendem Willen oder hohen rechtlichen Hürden bei Abschiebungen scheue die Regierungskoalition die Debatte über ihre Verantwortung für den monatelangen Kontrollverlust an den deutschen Grenzen in 2015/2016.

In der Asylpolitik seien nie Konsequenzen gezogen worden, so „Bild“. Denn Ausländerkriminalität und Islamismus seien kein „Gewinner-Thema“, heiße es in der Union.

„Wir haben keine aktive Steuerung in der Flüchtlingspolitik“, meint der Migrationsforscher, der auf die Realität verweist, in der „jeder, der einen Fuß auf europäischen Boden setzt und Asyl beansprucht, auf lange Zeit hierbleibt“.

Gegenüber der „Welt“ versprach zwar Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder (CSU), dass alles aufgeklärt werde und dass es eine „schreckliche Tat“ gewesen sei, aber ein Aspekt schien ihm besonders wichtig: „Das darf nicht politisch instrumentalisiert werden.“

CSU-Innenstaatssekretär Stephan Mayer nannte das Schweigen der Politik „besonnen und sachgerecht“ und die grüne Innensprecherin im Bundestag, Irene Mihalic, sagte: „Wir müssen jetzt erst einmal die Ermittler ihre Arbeit machen lassen, um Motiv und Hintergrund der schrecklichen Tat von Würzburg seriös bewerten und analysieren zu können.“

Täterprofil: „Mischung aus Psycho und Islamist“

Laut „Welt“ passe der Täter wahrscheinlich nicht in bisherige Schemata, sei kein einsamer Wolf, der seine Tat akribisch und alleine plane, offenbar sei er auch kein Teil einer Terrorzelle, wie in Wien oder Paris es der Fall war.

Möglicherweise sei er aber auch kein unpolitischer, psychisch gestörter Amokläufer. Er gehöre zu einer Gruppe von Tätern, bei denen beides vorliege: eine psychische Erkrankung und ein islamistischer Kontext.

Nach den bisherigen Erkenntnissen und den Aussagen von Zeugen habe der Täter gezielt zugestochen, hauptsächlich in Hals und Nacken. Bei seinen Taten schrie er nach Zeugenaussagen immer wieder „Allahu Akbar“, den Kampfruf der Dschihadisten, wie die „Bild“ schreibt.

Zudem hatte er gegenüber der Polizei etwas von „Dschihad“ gefaselt. Später wurde in seiner Unterkunft „Hinweise auf Schriftmaterial mit Hassbotschaften“ sichergestellt, so Armin Kühnert, Chef der Kripo. Ein Ermittler schätzte den Mann am Montag so ein: „Es handelt sich wohl um eine Mischung aus Psycho und Islamist.“

Frauen-Jagd in Würzburg oder Zufall?

Besonders auf Frauen hatte es Abdirahman J. am 25. Juni 2021 in der Würzburger Altstadt offenbar abgesehen, obwohl die Polizei in einer Pressekonferenz zu dem Anschlag meinte, es könnte sich auch um Zufall handeln.

Mit einem Messer tötete er drei Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren in einem Kaufhaus, bevor er auf die Straße trat und dort weitere Passanten angriff.

Nach Angaben der Polizei Bayern wurden noch drei weitere Frauen (39, 52, 73), ein elfjähriges Mädchen und ein Jugendlicher (16) schwer verletzt. Eine 26-jährige Frau und ein 57-jähriger Mann wurden bei den Messerangriffen des Somaliers leicht verletzt.

Mehrere Passanten hielten den Täter bis zum Eintreffen der Polizei in Schach und verhinderten damit zweifellos weitere Morde. Mit einem „gezielten Schuss aus einer polizeilichen Dienstwaffe“ wurde der Abdirahman J. schließlich am Oberschenkel verletzt, außer Gefecht gesetzt und festgenommen.

Am Sonntagabend erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, dass sehr viel dafür spreche, dass es sich „um eine islamistisch motivierte Tat handeln könnte“.

Trauerfeier mit Markus Söder

Am Sonntagnachmittag wurde im Dom zu Würzburg eine ökumenische Gedenkfeier mit Kranzniederlegung abgehalten. Die Polizei war verstärkt im Einsatz, „um einen sicheren und ordnungsgemäßen Verlauf der Gedenkfeier“ zu gewährleisten.

Der Trauerfeier wohnte unter anderem Bayerns Ministerpräsident Söder bei. Laut „Rosenheim24“ erklärte der Landeschef: „Wir dürfen eine solche hasserfüllte Tat niemals mit Hass oder Rache beantworten“.

Gut und Böse seien keine Frage von Religion, Nationalität oder Ethnie. Söder machte noch deutlich, dass es leider nie ganz gelingen werde, solche Taten zu verhindern. Den Angehörigen gegenüber sagte Söder, dass es ihm unendlich leid tue.

Die Polizei will in der momentanen Situation zudem mehr Präsenz in der Innenstadt von Würzburg zeigen, um „das subjektive Sicherheitsempfinden zu erhöhen“. Von einer erhöhten Gefährdungslage werde allerdings nicht ausgegangen, heißt es.

Die Polizei appelliert: „Liebe Würzburgerinnen und Würzburger, scheuen Sie sich nicht, unsere Einsatzkräfte vor Ort anzusprechen. Gerade in dieser Situation gilt es, zusammenzustehen. Die Polizei ist für Sie da.“

Abdirahman J. kam mit der 2015-Welle

Der Asylantrag des Täters war bereits abgelehnt, eine Abschiebung aber nicht angeordnet worden. Bis Oktober lief die Duldung des in einer Würzburger Obdachlosenunterkunft wohnhaften Somaliers noch. Gewalt war in seinem Leben ein immer wiederkehrender Faktor.

Bereits mit zwölf Jahren soll er in Somalia Straftaten verübt haben, eröffnete ein anderer Asylbewerber der Polizei, die den Angaben aber nicht weiter nachging. Als Abdirahman J. im Mai des Migrationsjahres 2015 nach Deutschland kam, dauerte es nur sechs Monate, bis er erstmals polizeilich in Erscheinung trat.

Nach einem Streit im Asylheim wurden Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung aufgenommen, wie die „Welt“ schreibt. Im Januar dieses Jahres fiel er erneut auf. Mit einem Küchenmesser bedrohte er Mitbewohner und Verwalter der Obdachlosenunterkunft und wurde daraufhin vorübergehend in eine Psychiatrie eingewiesen.

Zuletzt war der Somalier laut „Focus“ wenige Tage vor der Tat polizeilich in Erscheinung getreten. Er hatte Mitte Juni einen Verkehrsteilnehmer gestoppt, indem er sich vor dessen Auto stellte, anschließend ungefragt einstieg und den Fahrer aufforderte, ihn in die Innenstadt zu fahren.

Abdirahman J. wurde daraufhin für einen Tag in eine Psychiatrie eingewiesen. Laut den Ärzten bestehe keine „Eigen- oder Fremdgefährdung“. Diese Einschätzung der Ärzte sollte sich wenige Tage später als Fehleinschätzung herausstellen.



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