Nahles will „Parlamentskreis Pferd“ gründen – und wird prompt von Häme überhäuft

Wenige Tage vor den Landtagswahlen in Hessen verschickt die Bundesvorsitzende der SPD, Andrea Nahles, eine Einladung zur Gründung eines „Parlamentskreises Pferd“. Neben breiter Häme ob der vermeintlichen Bedeutungsarmut des Themas kamen auch Spekulationen auf, ob der Schritt einen möglicherweise bevorstehenden Führungswechsel in der SPD andeute.
Von 22. Oktober 2018

Im Jahr 1970 erlebte mit dem „Mann, den sie Pferd nannten“ ein Western der neuen Generation seine Kinopremiere, der als Inspiration für den späteren Welterfolg „Der mit dem Wolf tanzt“ gedient haben soll. Der Wolfsgruß gilt auch in Zeiten schwindenden Zuspruchs für die SPD in der türkischen Einwanderercommunity als verfänglich. Vielleicht auch deshalb hat sich deren Bundesvorsitzende Andrea Nahles nun dazu entschlossen, lieber die Anhänger eines anderen Wildtieres unter ihre Fittiche zu nehmen, das im Laufe der Menschheitsgeschichte für den Eigengebrauch gezähmt werden konnte.

Wie mehrere Medien berichteten, versandte Nahles jüngst eine Einladung zum Gründungstreffen des „Parlamentskreises Pferd“ an ihre Kollegen im Gründungskomitee – das sind die Abgeordneten Pascal Kober (FDP) sowie Alois Gerig und Dieter Stier, beide CDU. Dass kein Parlamentarier der AfD mit dabei ist, könnte der „Gemeinsamkeit der Hippokraten“ – nicht zu verwechseln mit den Hypokriten – geschuldet sein.

Ebenso wenig sind bislang aber auch die Linksaußenparteien – Bündnis 90/Die Grünen und „Die Linke“ – im Pferde-Parlamentskreis repräsentiert. Auch diesbezüglich spekuliert man über die Gründe. Deren Nichtberücksichtigung könnte von der eher urbanen Klientel beider Parteien herrühren, beim Zielpublikum der SED-Nachfolger zudem von deren eingeschränkter Kaufkraft, die dafür sorgt, dass man mit dem Pferd allenfalls auf dem Wege der Tiefkühllasagne in Berührung kommt.

Es könnte aber auch daran liegen, dass man dort das Pferd vielleicht als antiemanzipatorisches Symbol einer sexualrepressiven Landflucht auffassen könnte. Immerhin steuern einige nicht so fortschrittlich gesinnte Eltern aus der Oberschicht das Interesse ihrer minderjährigen Töchter gezielt von der Entfaltung des Geschlechtstriebes weg, indem sie dafür sorgen, dass deren Freizeit im Pferdestall stattfindet.

Nahles weist auf Bedeutung in Fortbewegung, Landwirtschaft und Militär hin

Im Fall von Andrea Nahles und ihrer Gründungskollegen scheint Heintjes einstiges Flehen – „Mamatschi, schenk mir ein Pferdchen“, das Original stammt übrigens von Mimi Thoma – schon früh erhöht worden zu sein. Sie sind bekennende langjährige Anhänger des Reitsports. Dass dem Pferd jedoch auch darüber hinaus eine Bedeutung zukomme, die auch einen parlamentarischen Arbeitskreis rechtfertige, begründet Nahles wie folgt:

„Wie kein anderes Tier hat das Pferd den Menschen beeinflusst: Über 5000 Jahre prägte das Pferd Fortbewegung und Transport, Landwirtschaft und Militär.“

Deshalb habe man vor, auf diesem Wege „fraktionsübergreifend im Kreis pferdeinteressierter Kolleginnen und Kollegen über aktuelle Themen zum Pferd und aus der Pferdewelt zu informieren und diese mit Gästen aus der Praxis und Wissenschaft zu diskutieren“.

Nahles weist weiter darauf hin, dass das Pferd ein wichtiger Faktor für viele landwirtschaftliche Betriebe und diesen bei der Pflege von Kulturlandschaften dienlich sei. Es bilde eine Brücke zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Auch sei die Bedeutung des Pferdes in der Therapie und in der Bildung ist in den vergangenen Jahren immens gestiegen.

„Gewisse Analogien zur SPD“

Der Parlamentskreis soll zum 20. November seine Arbeit aufnehmen. Die Ankündigung hatte prompt eine Welle der Häme und des Spotts in traditionellen und sozialen Medien zur Folge. Seit dem Triumph des Verbrennungsmotors war das Pferd zumindest für Arbeitszwecke überflüssig geworden – der „Spiegel“ meint darin „gewisse Analogien zur Rolle der SPD“ zu erkennen.

Während Nahles auf parlamentarischer Ebene der Rolle des Pferdes zunehmende Aufmerksamkeit zu schenken trachte, müsste die Menschheit selbst darüber nachdenken, wie sie es verhindern könne, künftig selbst dem Schicksal des Pferdes ausgesetzt zu sein, meinen andere. Damit spielten sie immerhin nicht auf ein mögliches Ende in der Fertiglasagne an, allerdings auf das durchaus realistische Szenario, dass die zunehmende Automatisierung eine Vielzahl derzeit noch von Menschen ausgeführter Arbeiten an Roboter überantworten könnte.

Nahles hat die Gründung des Parlamentskreises auch gegenüber der „Bild am Sonntag“ gerechtfertigt. Immerhin, so Nahles, gebe es „fast vier Millionen Reiterinnen und Reiter“ in Deutschland. Eine Sprecherin der SPD-Chefin sprach gegenüber dem „Spiegel“ von 1,5 Millionen Menschen, die deren Leidenschaft teilten.

Kober: Zeitpunkt der Einladung „reiner Zufall“

Außerdem meinte Nahles: „Parlamentarier sollen den Kontakt zu allen Teilen der Gesellschaft haben. Das ist auch richtig so.“ Ihr selbst helfe der Reitsport nach eigenen Angaben, von der Politik abzuschalten. Der „Spiegel“ weist zudem darauf hin, dass es auch andere auf den ersten Blick exotisch anmutende Diskussionskreises gebe: etwa den Parlamentskreis Automobiles Kulturgut, dessen Mitglieder sich für Oldtimer-Liebhaber einsetzen.

„Ich bedaure sehr, dass der Parlamentskreis nun als Anlass für Häme gegen Frau Nahles genommen wird“, erklärt auch Kollege Pascal Kober. Er habe Nahles persönlich angefragt, weil er von ihrer Begeisterung für Pferde gewusst habe – die SPD-Chefin besitzt einen Friesenwallach.

Auch lägen Spötter falsch, die meinten, der Zeitpunkt der Gründung deute eine möglicherweise bevorstehende Ablösung der SPD-Chefin nach den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen an – die ihr zweifellos mehr Zeit für ihr Hobby ließe. „Dass die Einladung jetzt verschickt wurde, ist eine reine Zufälligkeit“, erklärt Kober mit Blick auf den Termin zwischen den beiden wichtigen Landtagswahlen. Sein Büro habe es einfach nicht früher geschafft. „Da etwas hinein zu interpretieren, wäre unfair.“

(mit Material von dts und dpa)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion