Neues vom Schlächter oder: Was man bei chinesischen Buchpräsentationen erleben kann

Blutrot und todlangweilig gerät die Buchpräsentation zweier Werke des ehemaligen chinesischen kommunistischen Parteibosses Jiang Zemin. Und sonst: Vertreter des offiziellen China versuchen mir den Mund zu verbieten. Na endlich!
Titelbild
"Sie dürfen nicht hier am Messestand sein!" - Das kann man als Vertreter regimekritischer Medien von Chinesen auch bei der Frankfurter Buchmesse hören. So geschehen unserer Mitarbeiterin Nina Hamrle. (Jason Wang/The Epoch Times)
Von 15. Oktober 2009

Mehr als eine Stunde vor der Pressekonferenz ist die Ankündigung der Veranstaltung verschwunden. Und auch beim Shanghai-Stand, an dem die Bücher gezeigt werden, ist nicht auf den ersten Blick zu sehen, dass hier eine Buchvorstellung stattfinden wird. Und zwar nicht irgendeine: Hier handelt es sich um die englischen Übersetzungen zweier Bücher von Jiang Zemin, dem ehemaligen Chef der Kommunistischen Partei Chinas, der in der Verantwortung für die schwärzesten Kapitel der jüngeren chinesischen Geschichte steht: Jiang ordnete das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 an, und er verfügte auch den Beginn der Verfolgung der Meditationsbewegung Falun Gong im Jahr 1999.

Hinter einer Zwischenwand, vom Messegang nicht sichtbar, öffnet sich der kommunistisch wirkende Raum: Auf einem roten Streifen sind die „wissenschaftlichen Werke“ von Jiang Zemin in Chinesisch und Englisch zu lesen. Davor stehen zwei Regale, gefüllt mit seinen Büchern, obenauf mit – spätestens hier beginnt die Assoziation im Kopf – blutroter Schleife. Die üppige Blume davor erinnert an einen Mafiafilm. Knapp davor der Redner, der hinter dem Mikrofon eintönig die Lobpreisungen der Werke abliest und es nur hie und da einmal beim Luftholen schafft, Blickkontakt mit den Zuhörern herzustellen. Sind kurz nach der Eröffnung noch einige westliche Gesichter in der Menge auszunehmen, bröckelt die Anzahl schneller als wässriger Verputz von der Wand.

Am Ende der Buchvorstellungen werden außer den Sprechern, Vertretern des Verlages, Ehrengästen, Mitarbeitern des Messestandes und Vertretern chinesischer Medien nur wenige andere durchgehalten haben. Ob es die Sehnsucht war, die die Menschen zunächst hergetrieben hatte, bleibt ungewiss. Dass sie von der Langeweile weggetrieben wurden, kann als sicher gelten. Der insgesamt 35 Minuten dauernde Vortrag sieht wie folgt aus: Zunächst werden 20 Minuten lang in zungenbrecherischem Tempo gnadenlos unverständliche, gestelzte Formulierungen und die Lopbreisungen von chinesischen Firmen und Ministerien auf die Bücher verlesen. So ist bei den Sprechern abwechselnd in Englisch und Chinesisch etwa die Rede von „zwei Büchern über die Entwicklung der chinesischen Information, Technologie und Industrie in der Forschung der chinesischen Energieprogramme, durchgeführt in einem Schlüsselressort der Aktivität Chinas als Gasversorgerland“. Das sitzt.

In den restlichen 15 Minuten sprechen noch der westliche Verleger, dann hochrangige Chinesen in höchsten Tönen von den vorliegenden Machwerken. Der genauere Inhalt der Bücher wird nicht beschrieben. Immer wieder ist dagegen von „Zwei Meisterstücken“ die Rede. Für Fragen bleibt am Schluss – natürlich – keine Zeit, es gibt nur medienwirksames Händeschütteln. Wer will schon Fragen stellen auf einer Buchmesse.

„Sie dürfen nicht hier am Messestand sein“

Endlich kommt Abwechslung: Ein groß gewachsener Chinese im Anzug, der seinen Namen nicht bekannt geben möchte, fragt, für welche Zeitung ich tätig bin. Als ihm schließlich klar wird, dass die Epoch Times Deutschland die deutsche Ausgabe der Da Ji Yuan ist, weicht das Lächeln in seinem Gesicht zusammengezogenen Augenbrauen. Die Stirn runzelt sich, der Blick wird finster und die Gestikulation wild. „Was, Sie arbeiten für die Da Ji Yuan? Dann dürfen Sie nicht hier am Messestand sein.“ Er fährt fort mit: „Diese Zeitung mag in China keiner! Wenn Sie in China sagen, dass Sie für diese Zeitung arbeiten, bekommen Sie Probleme. Sagen Sie auch auf dieser Veranstaltung nur ja niemanden, dass Sie für diese Zeitung arbeiten, sagen Sie am besten gar nichts!“

Als ich ihm erkläre, dass ich zwar China schätze, mit den Verbrechen der Kommunistischen Partei aber nicht einverstanden bin, sagt er: „Ich schätze, dass Sie China schätzen, aber die KP hat viele Menschen in China reich gemacht.“ Und als sich schließlich auch noch das Thema Falun Gong anschneide, erwidert er: „Reden Sie nicht über dieses Thema, wir können später woanders darüber sprechen. Sagen Sie nichts mehr!“

Er geht ab und spricht aufgeregt mit anderen Chinesen im Anzug. Diese mustern mich, und dann bin ich umgeben von fünf 1,80 Meter großen Chinesen. Für mehrere Minuten verstellen sie mir den Blick, dann verschwinden sie.



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