Im Notfall bestimmt die Bundesnetzagentur über die Gasversorgung

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Gasherd. Symbolbild.Foto: iStock
Epoch Times24. Februar 2022


Der russische Angriff auf die Ukraine lässt Sorgen um die deutsche Erdgasversorgung weiter steigen. Die Bundesrepublik deckte 2021 fast 27 Prozent ihres Energiebedarfs mit Erdgas, von dem der weit größte Teil importiert werden muss.

Russland ist das wichtigste Herkunftsland für Importe, 55 Prozent der Gaseinfuhren stammen von dort. Wegen der strategischen Bedeutung von Gas gibt es allerdings schon länger Vorkehrungen für den Fall von Lieferunterbrechungen.

In Deutschland gibt es laut Bundesregierung und Branchenverbänden kommerzielle Erdgasspeicher an knapp 50 Standorten, die auch der üblichen Abfederung von Nachfrageschwankungen dienen und maximal beinahe 24 Milliarden Kubikmeter nutzbares Gas fassen können. Sie werden von Firmen betrieben, eine strategische staatliche Reserve gibt es nicht. Dies ist in Deutschland lediglich bei Erdöl der Fall.

Nach Angaben des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) entspricht die maximale Speichermenge in den meist unterirdischen Gasspeichern etwa einem Drittel des jährlichen Gasverbrauchs der Bundesrepublik. Allerdings sind die Speicher derzeit bei weitem nicht voll. Laut tagesaktuellen Meldedaten des Dachverbands der EU-Gasunternehmen GIE sind sie lediglich zu rund 30 Prozent befüllt.

Der „Notfallplan Gas“

Im Fall gravierender Marktverwerfungen und Versorgungskrisen seien die deutschen Behörden zu weitreichenden Eingriffen befugt, um die Versorgung zu sichern und die Verteilung knapper werdender Reserven zu priorisieren. Schon seit 2010 gilt EU-weit eine entsprechende Richtlinie zur Sicherung der Gas-Versorgung der Mitgliedstaaten.

Der darauf aufbauende „Notfallplan Gas“ kennt drei Eskalationsstufen mit unterschiedlich tiefen Eingriffen. Ab einer ersten sogenannten Frühwarnstufe träte ein Krisenstab aus Behörden und Versorgern beim Bundeswirtschaftsministerium zusammen.

In der nächsthöheren sogenannten Alarmstufe würden sich Energiefirmen noch in Eigenregie um eine Entspannung der Lage kümmern, etwa durch den Rückgriff auf Speicher, den Kauf von Erdgas aus alternativen Lieferquellen oder Verschiebung von Erdgas innerhalb der überregionalen Pipelinenetze.

Sollten auch das nicht ausreichen, könnte die Bundesregierung per Rechtsverordnung die sogenannte Notfallstufe ausrufen und sich zur Bewältigung der Krise dadurch Kompetenzen aneignen, die in einer Marktwirtschaft sonst nicht üblich sind. Die Bundesnetzagentur in Bonn würde dann das Gesamtkommando über die Gasversorgung übernehmen und könnte einschneidende Zwangsmaßnahmen anordnen. Eine zwingende, gestufte Abfolge ist dabei nicht vorgesehen. Abhängig von der Schwere der Krise könnte auch gleich die Notfallstufe greifen.

Was im Extremfall passieren kann

Für den Fall derart gravierender Versorgungskrisen würde dann ein im Energiesicherungsgesetz und in der darauf aufbauenden sogenannten Gassicherungsverordnung festgelegtes Instrumentarium greifen: Die Bundesnetzagentur übernähme die Rolle eines „Bundeslastverteilers“ zur Sicherung der überregionalen Versorgung, ergänzend würden Behörden der Bundesländer die Maßnahmen umsetzen.

Ziel dabei wäre gemäß nationalem Notfallplans Gas die „Deckung des lebenswichtigen Bedarfs“. Per Verfügung könnten Bundesnetzagentur und Landesbehörden die Versorger notfalls anweisen, wen sie wann beliefern. Eine Rationierung für „vordringliche Versorgungszwecke“ ist ausdrücklich vorgesehen, im Fall eines „ungerechtfertigten Verbrauchs“ können Abnehmer sogar zwangsweise abgeklemmt werden.

Dabei greift auch in einem extremen Krisenszenario ein „besonderer Schutz“ für Haushaltskunden, kleine Unternehmen und alle „Anbieter grundlegender sozialer Dienste“. Dazu gehören etwa Kranken- und Pflegeheime sowie Gebäude von Rettungsdiensten und Polizei. Die Versorger sind verpflichtet, die Versorgung dieser Menschen und Einrichtungen etwa im Rahmen der Fernwärmeerzeugung bevorzugt zu sichern – notfalls eben auch zulasten von Industrieverbrauchern. (afp/dl)



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