Nun will er Heizungsgesetz generalüberholen

Von der Kanzlerhoffnung droht Minister Habeck immer mehr zur Belastung für die Ampelkoalition zu werden. Beim Heizungsgesetz probt er die Flucht nach vorn. Eine Analyse.
Robert Habeck ist Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.
Robert Habeck ist Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.Foto: Britta Pedersen/dpa
Von 27. Mai 2023

Im Jahr 2019 hatte Rainald Becker ihn im Sinn, als er in den „Tagesthemen“ äußerte, die Zeit sei in Deutschland „reif für einen grünen Kanzler“. Das Magazin „Politico“ erklärte ihn noch im Vorjahr zum „Macher Europas“ und dessen einflussreichsten Politiker. Mittlerweile wird Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Beliebtheitsrankings nach unten durchgereicht – und selbst aus den eigenen Reihen erntet er Gegenwind. Zuletzt etwa vonseiten des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

Habeck stellt umfangreiche Gespräche in Aussicht

Mit seiner Ankündigung, die umstrittene Novelle zum Gebäudeenergie-Gesetz (GEG), bekannt als „Heizungsgesetz“, zu überarbeiten, sucht Habeck nun einen Weg zur Schadenbegrenzung. Zwar machen Grüne, SPD und zahlreiche Unterstützer der grünen Agenda in den Medien derzeit Front gegen die FDP. Immerhin verhindert es zurzeit diese, dass der Entwurf in den Bundestag eingebracht wird.

Allerdings scheint sich Habeck selbst darüber im Klaren zu sein, dass sein jüngster politischer Karriereknick untrennbar mit dem Heizungsgesetz verbunden ist. Vor allem sein Energie-Staatssekretär Patrick Graichen hatte mit seinen dogmatischen Positionen für Irritationen gesorgt.

Mittlerweile hat Graichen infolge des Vorwurfs der Vetternwirtschaft seinen Rücktritt erklärt. Habeck hat unterdessen angekündigt, in der kommenden Woche mit dessen Nachfolger Philipp Nimmermann und Ampel-Abgeordneten zu sprechen. Der Minister will „das Gesetz besser machen“, äußerte er am Samstag, 27.5., gegenüber den Zeitungen der „Funke-Mediengruppe“.

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Heizungsgesetz bald nicht mehr wiederzuerkennen?

Die möglichen Änderungen, die Habeck in Aussicht stellt, gehen zum Teil an die Substanz des Vorhabens. So soll es im Heizungsgesetz eine Staffelung geben: Ab 2024 soll es vorerst nur für nach dem 1. Januar genehmigte Neubauten gelten. Für Bestandsgebäude soll es längere Fristen geben, bis der Einbau von Heizungen, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien funktionieren, zur Pflicht wird.

Auch die Technologieoffenheit will Habeck deutlich erweitern – und schon stehen Vorhaben wie das Verbot des Heizens mit Holzpellets infrage. Es soll ein „Maßnahmenpaket für den Nah- und Fernwärme-Ausbau“ geben. Außerdem will der Minister Übergangsfristen mit dem Neu- und Ausbau von Wärmenetzen abstimmen.

Nicht zuletzt befürwortet Habeck jetzt eine „pragmatische, unbürokratische Härtefallregelung“. Diese soll dafür sorgen, dass „von niemandem etwas verlangt wird, was er oder sie nicht leisten kann“. Im Gegenzug will der Politiker die Gewähr, dass das Gesetz doch noch vor der Sommerpause auf den Weg kommt. Diese beginnt am 7. Juli. Bis dahin gibt es nur noch drei Sitzungswochen.

Filz-Verdacht wird weiterhin an Habeck haften

Für Habeck wäre es zumindest ein Teilerfolg, einen überarbeiteten Entwurf seines großen Prestigeprojekts noch vor Sommer unter Dach und Fach zu bringen. Ob er damit seine politischen Zukunftsambitionen retten kann, ist dennoch ungewiss. Bereits im April zweifelten die ersten Medienformate an, ob Habeck tatsächlich noch in der Lage sein wird, sich für 2025 als Kanzlerkandidat ins Spiel zu bringen.

Selbst wenn das Heizungsgesetz in moderaterer Form Gestalt annehmen sollte, bleiben andere Unwägbarkeiten weiterhin am Grünen-Politiker haften. Dazu gehören die Vorwürfe von Vetternwirtschaft und Intransparenz.

Zwar ist Staatssekretär Graichen mittlerweile Geschichte. Zudem hat das Ministerium Daten zu den Startup-Investitionen von Wirtschaftsstaatssekretär Udo Philipp veröffentlicht. Der Eindruck bleibt dennoch bestehen, dass Filz-Vorwürfe in der Behörde erst nach wochenlangem öffentlichem Druck ernst genommen wurden. Unterhalb der Ebene Graichens bleiben zudem Beschäftigungsverhältnisse aufrecht, die den Beigeschmack persönlicher oder politischer Nahebeziehungen aufweisen.

Durchwachsene Bilanz auch bei grünen Schwerpunktprojekten

Grünen-Anhänger attestieren ihrem früheren Star-Minister, Deutschland trotz ausbleibender russischer Gaslieferungen unbeschadet durch den Winter gebracht zu haben. Kritiker hingegen betrachten dies eher als Konsequenz milder Temperaturen denn staatsmännischen Geschicks.

Die Energiepreise und die Inflation bleiben hoch. Zahlreiche Unternehmen wandern ins Ausland ab, vor allem energieintensive Branchen sehen sich von Deutschland aus nicht mehr als konkurrenzfähig. Mit seinem Konzept einer Gasumlage erlitt der Minister Schiffbruch, nun will er einen subventionierten Industriestrompreis durchsetzen. Die FDP stellt sich auch hier quer – weil dies nicht die strukturellen Probleme lösen würde. Außerdem hält Bundesfinanzminister Christian Lindner die geplante Regelung für potenziell verfassungswidrig.

Die Klimabilanz bleibt durchwachsen, weil Habeck um jeden Preis den Ausstieg aus der Kernkraft Mitte April durchziehen wollte. Stattdessen gingen 12 zusätzliche Kohlekraftwerke ans deutsche Stromnetz. Teurere Importe sichern zusätzlich die labile Stromversorgung in Deutschland.

Baerbock als personelle Alternative für ein Jamaika-Bündnis?

Aber auch der Ausbau der erneuerbaren Energien erreicht nicht die Geschwindigkeit, wie Habeck sich erhofft hatte. Genehmigungsverfahren für Windkraft gehen weiterhin langsam voran. Dazu kommt eine unzureichende Transportinfrastruktur.

Dies hat zur Folge, dass etwa Windräder abgeschaltet werden müssen, wenn sie produzieren, weil der Strom nicht abtransportiert werden kann. Aus den eigenen Reihen regt sich zudem Unmut darüber, dass Habeck immer mehr Freiflächen für Wind- und Solaranlagen mobilisieren will.

Auffällig ist, dass sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in den Debatten, in denen ihr Kollege unter Beschuss steht, stark zurückhält. Dies verstärkt den Eindruck, dass sie das Sinken von Habecks Stern als ihre Chance betrachtet. Schon 2021 hätte sie Bereitschaft gezeigt, als Kanzlerkandidatin ins Rennen zu gehen.

Damals hatte sich der „Schweinebauer“ noch gegen seine „vom Völkerrecht“ kommende Konkurrentin behaupten können. Mittlerweile stehen seine Chancen schlecht. Vor allem das Schwächeln der SPD könnte zudem einer personellen Alternative in die Hände spielen, die auch unter selbstverorteten „Konservativen“ Bewunderung erfährt.

(Mit Material von dpa)



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