„Ökologischer Fußabdruck“ kickt mit: VfL Osnabrück verpflichtet Mitarbeiter zur CO₂-Kompensation

Der Zweitliga-Fußballklub VfL Osnabrück verlangt von seinen Beschäftigten die Unterzeichnung einer „Gemeinwohlklausel“. Auf dieser Grundlage drohen Lohnabzüge für Verhalten, das den „ökologischen Fußabdruck“ vergrößert.
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Sportlich läuft es beim VfL Osnabrück derzeit nicht so gut. In Sachen Wokeness kann man mit Zweitliga-Spitzenreiter St. Pauli allerdings bald mithalten.Foto: Friso Gentsch/dpa/dpa
Von 26. Oktober 2023

Lange Zeit galt zumindest im westdeutschen Profifußball der Nachkriegszeit eine politische Ausrichtung von Vereinen als verpönt. Hintergrund war die Instrumentalisierung des Sports durch die Politik in den totalitären Regimen des Dritten Reiches und der DDR. Der FC St. Pauli galt in den 1980er-Jahren als der erste Klub, der in Selbstdarstellung und Fankultur mit diesem Grundsatz brach. Mittlerweile sind woke Statements im deutschen Profifußball Standardprogramm – und der VfL Osnabrück nimmt dafür sogar seine Mitarbeiter in die Pflicht.

„Enkeltauglichkeit“ als Ziel der Maßnahme

Stolz verkündet der derzeitige Zweitliga-Siebzehnte auf seiner Vereinsseite, „Mitarbeitende“ unterzeichneten mit ihrem Arbeitsvertrag auch eine sogenannte Gemeinwohlklausel. Vom Profi mit sechsstelligem Jahresgehalt bis zum Geschäftsstellenmitarbeiter ist jeder von ihnen gefordert, seinen „ökologischen Fußabdruck“ ermitteln zu lassen.

Anschließend sollen die Betreffenden die „individuellen CO₂-Emissionen, die in beruflichem Kontext produziert werden“, kompensieren. Die Umsetzung dieses Vorhabens unterstützt der Verein „ForTomorrow“. Seit bereits zwei Jahren soll er die „Enkeltauglichkeit“ des Vereins unterstützen.

Der Verein beteiligt sich zum einen an der Aufforstung und Pflanzen neuer Wälder in Deutschland. Zum anderen kauft er CO₂-Emissionsrechte auf, löscht diese und will so die Effizienz des Systems stützen. Diese Option soll auch beim VfL Osnabrück zum Einsatz kommen.

Zwei Drittel der Belegschaft des VfL Osnabrück bereits betroffen

Seit Mitte 2021 ist die Verpflichtung Teil aller neuen und aktualisierten Arbeitsverträge. Die Kompensation erfolge durch den Abzug des monetären Kompensationswerts vom Gehalt. In der vergangenen Saison hätten bereits 19 Arbeitsverträge die Klausel umfasst.

Auf diese Weise sei eine Kompensationssumme in Höhe von insgesamt etwa 7.000 Euro zusammengekommen. Pro Vertrag wären das knapp 370 Euro jährlich. Mittlerweile würden 40 Verträge die Verpflichtung enthalten – was zwei Dritteln der hauptamtlich tätigen Belegschaft entspricht.

In die individuelle Berechnung eingeflossen seien „unter anderem die Länge des Arbeitsweges, wie dieser zurückgelegt wird oder auch Aspekte wie vegane oder vegetarische Ernährungsgewohnheiten“. Wie die Klausel selbst aussieht und der Einwilligungsprozess der Betroffenen aussieht, darüber schweigt sich der Verein allerdings aus. Auch Arbeitsrechtler Arnd Diringer von der Hochschule Ludwigsburg konnte sie nicht in Erfahrung bringen.

Arbeitsrechtler bezweifelt rechtliche Zulässigkeit

In einem Kommentar für die „Welt“ zweifelt er an der arbeitsrechtlichen Haltbarkeit der woken Verpflichtungserklärung. Zwar äußert VfL-Geschäftsführer Dr. Michael Welling, Ziel der Gemeinwohlklausel sei gar nicht so sehr die Kompensation selbst. Vielmehr gehe es um eine „Sensibilisierung der Mitarbeitenden für das Thema Enkeltauglichkeit und die individuelle Verantwortlichkeit einer jeden Person“.

Dadurch, dass jeder Mitarbeiter die finanzielle Wirkung auf dem Lohnzettel sehe, „steigern wir nicht nur die Sensibilität, sondern geben auch einen direkten monetären Anreiz zur Verhaltensänderung“.

Man werde zwar, so beschied man Diringer, die Gemeinwohlklausel nicht im Wortlaut veröffentlichen. Allerdings teilte man auf Anfrage mit, dass man diese „wie angekündigt geprüft“ und sich „juristisch rückversichert“ habe. Näheres wolle man jedoch im Interesse der „Vertraulichkeit“ nicht bekannt geben.

Wie will der VfL Osnabrück die Vorgaben kontrollieren?

Da es auch dem VfL Osnabrück bekannt sein dürfte, dass das Privatleben eines Arbeitnehmers grundsätzlich nicht Teil des Arbeitsvertrages ist, ist die Rede von Emissionen „im beruflichen Kontext“. Dies könne beispielsweise bedeuten, dass der Verein für Fleischgenuss in seiner Betriebskantine eine Kompensation veranschlagen darf – oder für einen Parkplatz auf dem Firmengelände.

Die Sanktions- und Kontrollrechte dürften jedoch bereits dort enden, wo ein Pkw außerhalb des Vereinsgeländes steht oder die Mittagspause an der nahe gelegenen Dönerbude verbracht wird. Es bedarf für Regelungen, die in das Privatleben eines Arbeitnehmers eingreifen, stets eines besonderen Grundes.

Dies kann ein gesetzlicher sein. Zudem sind Einschränkungen im Freizeitverhalten des Arbeitnehmers auch dort zulässig, wo negative Auswirkungen auf die Qualität der Arbeitserbringung und die Arbeitssicherheit entstehen kann. Bei der Empfangssekretärin eines Fußballvereins dürfte der Anwendungsbereich der Ausnahmetatbestände jedoch überschaubar sein.

Fragen nach der bevorzugten Ernährungsweise oder der Art der Mobilität dürften vor diesem Hintergrund unzulässig sein. Bewerber oder Mitarbeiter dürften sie unzutreffend beantworten. In vielen Fällen könnte dies den Betroffenen jedoch nicht bewusst sein.

Ökotoken und „grüne Hausnummer“ in Bayern

In der Privatwirtschaft ist die Ausgestaltung von Vertragsbedingungen regelmäßig freier – wenn auch mit Grenzen. Im öffentlich-rechtlichen Bereich wären Eingriffe dieser Art in die private Lebensführung erst recht unzulässig.

Dort jedoch gibt es ebenfalls Anreize für „erwünschtes“ Verhalten, die regelmäßig auf Grundlage sogenannten „Nudgings“ erfolgen. Mit Konformität sind dabei Vergünstigungen verbunden. So gibt es in Bayern Bestrebungen, einen sogenannten Ökotoken einzuführen. Dabei soll es zum Beispiel kostenlose Besuche von Konzerten oder Ausstellungen geben, wenn man eine Punktekarte für den ÖPNV präsentiert.

Ebenfalls in Bayern sorgte vor einiger Zeit ein Vorstoß zur Verleihung einer „grünen Hausnummer“ für Furore. Kritiker sehen darin einen möglichen ersten Schritt hin zu einem Sozialkreditsystem nach chinesischem Vorbild. Befürworter wiegeln ab und unterstreichen die Harmlosigkeit solcher Anreizsysteme.

Corona-Erfahrungen zeigten anhaltend hohe Denunziationsbereitschaft

Allerdings zeigt die Erfahrung auch, dass in solchen Zusammenhängen auch stets der „Deutschland-Faktor“ einberechnet werden sollte. Die Bereitschaft zur Denunziation und Profilierung durch Anschwärzen von Mitmenschen war hier nicht nur in Zeiten der Diktatur hoch.

Einer Umfrage von YouGov zufolge bewerteten 2019 nicht weniger als 17 Prozent der Deutschen ein Sozialkreditsystem wie in China als positiv. 40 Prozent fänden es „gut, wenn sie das Verhalten anderer Bürger positiv oder negativ bewerten könnten“.

Digitale Technologien erleichtern die Denunziation zusätzlich. Die Corona-Zeit zeigte, dass auch der Staat bei Bedarf auf eine hohe Bereitschaft zu einer solchen baut. So beispielweise im Zusammenhang mit einem Formular der Stadt Essen aus dem Jahr 2020. Mit diesem konnten Bürger Corona-Verstöße ihrer Mitbürger melden und gleich Beweisfotos beifügen.



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