Pandemie ohne Ende? Kinderarzt fordert klare Ansagen von Regierung und Politikern

Masken, Abstand und Hygieneregeln. Seit April dreht sich alles um Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Der Kinderarzt Janzen hat inzwischen auf die vielen Fragen seiner Patienten keine Antworten mehr. Das aktuelle Ziel der Corona-Politik ist ihm nicht klar. Mit einem Appell wendet er sich an die Regierung.
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Zwei Kinder spielen Arzt.Foto: iStock
Von 31. Oktober 2020

Quarantäne, Kontaktverbot, zweiter Lockdown. Die steigende Zahl von positiv auf SARS-CoV-2 getestete Personen veranlassen die Politiker zu drastischen Maßnahmen. Doch wohin die Reise gehe und welche Ziele verfolgt würden, erschließe sich nicht jedem, sagt der Kinderarzt Janzen. Er wendet sich in seinem neusten YouTube-Video mit einem Appell an die Regierung und fordert Klarheit über die längerfristigen Ziele der Corona-Politik.

Hoffe man wirklich, dass im nächsten Jahr eine Impfung komme und sich 90 bis 95 Prozent der Bevölkerung impfen lassen? Wolle man es mit Impfungen ausprobieren und wenn das nicht klappt, dann vielleicht doch normal leben? „Oder werden wir jetzt 100 Jahre auf alles verzichten, was das Leben ausmacht, mit Familientreffen, Händeschütteln und Küsse geben?“, fragt der Mediziner im Video.

Das seien legitime Fragen von Kollegen und Bürgern „und auf diese Fragen möchte man so schnell wie möglich eine Antwort haben, damit wir eventuell wieder an einem Strang ziehen und diese Ziele erreichen“. Falls die Politiker nicht wissen sollten, wofür sie die Maßnahmen einreichen, müsse ihnen das nicht peinlich sein, erklärt er. Auch Politiker dürften sagen: Wir sind jetzt überfordert, wir sind keine Mediziner. Das werde jeder verstehen.

Nur eine Person auf der Kinderstation – dann war sie leer

Als die Corona-Pandemie ausgerufen wurde, wimmelte es in den Medien von Bilder mit überlasteten Krankenhäusern. Nicht zuletzt aufgrund der Bilder aus Italien war ersichtlich, dass dem medizinischen System ein Kollaps drohte. Das Ziel der Regierung sei allen klar gewesen, so der Arzt. „Alle Menschen haben das verstanden“, erklärt er, „und die Patienten, die das nicht verstanden haben, konnte ich in der Praxis gut aufklären.“ Alle zogen an einem Strang und meisterten die Situation gemeinsam.

Ende April/Anfang Mai hat sich die Situation dann geändert. Die Hälfte der Kliniken stand leer. In dieser Zeit hat der Arzt Dienste in Kliniken gemacht, wo auf einer Station mit 20 Betten nur ein Patient lag. Als er diesen Patienten entließ, gab es keinen Patienten mehr – weder stationär noch in ambulanter Behandlung. Damals war das medizinische Personal in Kurzarbeit.

Da hat man sich als Arzt gefragt: Warum machen wir denn jetzt nicht endlich was Neues?“

„Warum hat man zu dieser Zeit junge Leute und Kinder, die nicht zur Risikogruppe gehören, nicht wieder normal leben und quasi mit leichten Verläufen durchseuchen lassen?“, fragt er sich. Dann hätten die Patienten, die im Sommer mit leichter Erkältung COVID-19 weggesteckt hätten, im Winter nicht mehr zum Infektionsgeschehen beitragen.

Das fragte sich der Kinderarzt im Mai, im Juni. „Bis 15. Juni durften wir nicht einmal reisen“. Stattdessen habe Regierung alles getan, damit sich so wenig Leute wie möglich infizieren – mit Masken und Abstand.

Von Anfang an hätten Virologen gesagt, dass man lernen müsse, mit dem Virus zu leben. „Jetzt ist ein halbes Jahr vorbei.“ Die Zahlen steigen und schon nach wenigen Herbstwochen mit ersten leichten Erkältungen sind die Intensivstationen zur Hälfte gefüllt „und wir sprechen wieder vom zweiten Lockdown“. Und das bei mildem Wetter von 12 bis 16 Grad Außentemperatur.

Warum wir den Sommer verpasst haben, ist uns Medizinern kaum bekannt.“

Vielleicht gebe es Ärzte, die das wissen, ihm jedenfalls sei das nicht klar. „Was bleibt unserer Regierung denn jetzt überhaupt noch?“ Das wäre sehr wichtig zu erfahren.

Spaltung in der Bevölkerung und unter Ärzten

Der Arzt befürchtet gesellschaftliche Spaltungen durch die Corona-Politik. Momentan gebe es zwei Lager in der Bevölkerung: Die einen seien diejenigen, die die Regierung und ihre Maßnahmen kritisieren und hinterfragen, und die anderen, die das Vorgehen für richtig erachten. Dazwischen gebe es eine große Menge Menschen, die sich nicht entscheiden könne.

Man kann doch nicht wollen, dass es zu Weihnachten nur noch zwei gegensätzliche Lager gibt, die aufeinander losgingen, sagt der Mediziner.

Auch bei Ärzten gebe es eine Polarisierung. „Man kann kaum mehr ruhig sprechen mit Kollegen über das Thema Corona“, schildert er. Jeder wisse irgendwas, was mit der Meinung des anderen nicht zusammenpasse. Jeder habe seine Meinung, „aber was unsere Regierung uns sagen möchte und von uns überhaupt verlangt, ist irgendwie keinem klar – und mir auch nicht“.

Die Lösung: Runder Tisch mit allen Beteiligten

Der Arzt wünscht sich, dass alle an einen Tisch kommen. Man macht einfach einen runden Tisch und nimmt aus verschiedenen Berufsgruppen die schlausten Köpfe, schlägt er vor. Spezialisten aus Wirtschaft, Medizin und anderen Bereichen könnten so mit Charité-Virologen Christian Drosten und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach eine Woche lang verschiedene Strategien erarbeiten, und zwar so, „dass jeder Arzt, jeder Bäcker, jeder Busfahrer“ wisse, was man erreichen wolle, um wieder normal leben zu können. „Dann funktioniert die Gesellschaft wieder.“

Falls man dies nicht tue, prophezeit er, wird es in Berlin immer mehr Menschen geben, die protestieren. Immer mehr würden die Regierung kritisch betrachten.

Das wird am Ende nicht gut ausgehen – für euch Politiker vor allem, aber auch für uns Bürger natürlich“, warnt der Kinderarzt. „Ein Land funktioniert nur, wenn die Politiker einen guten Job machen und wenn die Leute quasi mit der Politik einverstanden sind.“

Der Kinderarzt, dessen Berufsmotto „Behandle jedes Kind so, als ob es dein eigenes wäre“ lautet, hatte sich Anfang des Monats zu Mund-Nasen-Bedeckungen und einer dazu von ihm beabsichtigten Studie geäußert. Sein Video auf YouTube wurde daraufhin gelöscht und er wurde von der lokalen Presse verleumdet, wie er auf seiner Webseite mitteilte. In einem Statement schreibt er:

„Ich bin weder Coronaleugner noch ein Verschwörungstheoretiker! Ich habe im Video nicht behauptet, dass die Maske schadet oder gar lebensgefährlich ist, sondern ich möchte es lediglich genau untersuchen, um das Nutzen/Risiko-Verhältnis für die Politiker zu erleichtern und selber wieder normal schlafen zu können…

Ich will damit nicht unsere Politiker schlecht machen, sondern einen eventuellen Schaden unseren Kindern und Kindern in ganz Europa (viele Länder schauen nach Deutschland und vertrauen unserer Einschätzung, was Maskenunbedenklichkeit angeht) ersparen. Ich habe mehrfach versucht, alles zu ignorieren und einfach weiterzuleben, ohne an möglichen Schäden zu denken, ging leider nicht.“

[Anm.d.Redaktion: Wie uns der Arzt mitteilte, hatte er Dienst auf einer Kinderstation, während der letzte Patient entlassen wurde.]



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