„Pirateriebekämpfung auf See ist Polizeiaufgabe“

Verteidigungsminister Franz Josef Jung an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg
Titelbild
(Thilo Gehrke)
Von 2. September 2008

„Im Einsatz für den Frieden“. Unter diesem Motto besuchte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) vorige Woche im Rahmen seiner Sommerreise die höchste militärische Ausbildungsstätte der Bundeswehr in Hamburg-Nienstedten. In der Führungsakademie der Bundeswehr (Füak), in der Lehrgangsteilnehmer aus allen Erdteilen und Kulturen auf ihre militärischen Aufgaben vorbereitet werden, fand der Minister lobende Worte für das weltweit führende Konzept der vernetzten Sicherheit, das dort gelehrt wird. Über 27 Millionen Euro sollen in den nächsten Jahren an der Füak verbaut werden.

Die Sommerreise mit über 30 Stationen bietet Jung die Möglichkeit, sich vor Ort über Aspekte der einsatzvorbereitenden Ausbildung und den Erhalt einsatzwichtiger Fähigkeiten der Offiziere zu informieren. Im Pressegespräch zeigten sich jedoch alsbald Sorgenfalten auf der Stirn des Bundesverteidigungsministers. Bislang waren der Deutschen Marine, die im Rahmen der Anti-Terror-Operation „Enduring Freedom“ am Horn von Afrika mit der Fregatte „Emden“ Seewege sicherte, aus verfassungsrechtlichen Gründen beim Kampf gegen Seeräuber die Hände gebunden.

Der Golf von Aden gehört seit dem Zusammenbruch des somalischen Staates 1991 weltweit zu den Gewässern, in denen die meisten Tanker, Handelsschiffe und Kreuzfahrer von Piraten überfallen oder mit Waffengewalt entführt werden. Nicht wenige Seeleute haben in der Vergangenheit diese Schutzlosigkeit mit ihrem Leben bezahlen müssen. Viele Reedereien vermeiden es jedoch, derartige Zwischenfälle den Behörden zu melden, da sie durch langwierige Untersuchungen eine Verzögerung ihres Termingeschäftes  befürchten.

Mit beschränkter Kampferlaubnis im Einatz

„Die Deutsche Marine ist die einzige, die im Rahmen von ‚Enduring Freedom‘ nicht gegen die Piraten einschreiten darf“, kritisierte unlängst der Verband Deutscher Reeder (VDR).

Erst vergangenen Donnerstag waren drei Schiffe vor Somalia von bewaffneten Banditen gekapert worden. Angesichts der drastischen Zunahme derartiger Fälle, die allein im vergangenen Jahr mit 263 gemeldeten Attacken weltweit einen Schaden von 13 Milliarden Euro anrichteten, hat sich die EU entschlossen, einem erneuten Einsatz am Horn von Afrika zuzustimmen.

„Die Bundesregierung befindet sich derzeit mit der EU als internationale Gemeinschaft in der Beratung, um einen Beschluss für die Durchführbarkeit der Pirateriebekämpfung durch die Deutsche Marine zu erwirken, der dann noch dem Bundesrat vorzulegen ist“, sagte der studierte Jurist Jung zum aktuellen Stand. Er fügt an, dass die Bundeswehr bei Straftaten nicht einschreiten dürfe, da Verbrechensbekämpfung laut Grundgesetz Polizeiaufgabe sei. Bislang galt im politischen Berlin die Ansicht, dass diese Beschränkung ohne Änderung des Grundgesetzes nicht aufgehoben werden könne und die Präsenz von Militär vor Ort abschreckend genug sei.

Piraterie ist insbesondere in den Gewässern vor Somalia auch deshalb so lukrativ, weil es seit der Flucht von Staatschef Siad Barre 1991 keine Staatsgewalt und somit weder Polizei noch Küstenwache gibt. Im April diesen Jahres wurde vor Somalia die Luxusjacht „Le Ponaut“ von Piraten gekapert.

Das Lösegeld für Schiff und Besatzung übersteigt oftmals den Inhalt des Bordtresors um ein Vielfaches und lässt einen neuen Trend in der Piraterie erkennen. Die Raubzüge der Warlords haben sich somit längst auf das Wasser übertragen. Die Grenze zwischen Terror und Pirateriebekämpfung ist daher immer schwerer zu bestimmen.

Thilo Gehrke, 41, ist Journalist, Fotograf und freier Autor in Hamburg und Mitglied im Wissenschaftlichen Forum für Internationale Sicherheit an der Führungsakademie der Bundeswehr.

(Thilo Gehrke)
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