Pistorius erhitzt mit Wehrpflichtdebatte die Gemüter
Am 20. Juli 2009 legten 400 Rekruten der Bundeswehr vor dem Reichstag ihr Gelöbnis ab. Auch die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm an der Gelöbnisfeier teil. Der Dienst in der Bundeswehr zeige, dass „Freiheit nicht zum Nulltarif, ohne verantwortungsvolles Engagement aller Bürger“ zu haben sei, sagte sie damals den Anwesenden. „Ich bekenne mich zur Wehrpflicht“, sagte Merkel weiter. Sie sei inzwischen ein „Markenzeichen unserer Streitkräfte, um die wir auch international beneidet werden“.
Bekanntlich währte das Bekenntnis der Kanzlerin nicht so lange. Nicht einmal anderthalb Jahre danach, am 22. Oktober 2010, war es der damalige Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg, der auf einer Bundeswehrtagung in Dresden die Aussetzung der Wehrpflicht bekanntgab. „An die Stelle der allgemeinen Wehrpflicht tritt ein neuer freiwilliger Wehrdienst, der jungen Frauen und Männern die Gelegenheit gibt, für [einen] Zeitraum zwischen 12 bis zu 23 Monaten freiwilligen Dienst in den Streitkräften zu leisten“, so Guttenberg.
Am 24. März 2011 beschloss der Bundestag dann mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und den Grünen die Aussetzung der Wehrpflicht. Die war nun nur noch Geschichte. Fortan ist eine Einberufung zum Militärdienst nur noch im Verteidigungs- und Spannungsfall möglich.
Verteidigungsminister entfacht Wehrpflichtdebatte
Über zehn Jahre später ist nun die Diskussion über die Wehrpflicht wieder entbrannt. Angefeuert hat diese Debatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) sagte der neu ernannte Minister auf die Frage nach der Wehrpflicht: „Wenn Sie mich als Zivilisten fragen, als Staatsbürger, als Politiker, würde ich sagen: Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen.“
Zustimmung erhält der Minister vom Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr. Verbandspräsident Patrick Sensburg sprang Pistorius in der „WELT“ sofort zur Seite. „Deutschland ist nicht zu verteidigen, wenn wir keine Wehrpflicht haben“, so Sensburg, der Oberst der Reserve ist.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hatte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) eine Einführung der Wehrpflicht nicht ausgeschlossen. „Grundsätzlich gilt das Ende der Dienstpflicht ausschließlich in Friedenszeiten. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder aktiviert werden“, sagte die FDP-Politikerin.
Allerdings verwies die FDP-Bundestagsabgeordnete auch auf die aus ihrer Sicht weitreichenden Folgen für die Wirtschaft und die Gesellschaft. Die öffentliche Diskussion um diese Frage verlaufe „teilweise nicht seriös“, so Strack-Zimmermann. Die Verschärfung des Fachkräftemangels sei dabei nur ein Punkt.
Lindner spricht von „Gespensterdiskussion“
FDP-Parteivorsitzender Christian Lindner meldete sich auch umgehend zu Wort und machte eine deutliche Ansage. „Die Wehrpflicht steht für die FDP überhaupt nicht zur Debatte. Das ist eine Gespensterdiskussion. Alle Kraft muss darauf konzentriert werden, die Bundeswehr als hochprofessionelle Armee zu stärken“, sagte Lindner der Nachrichtenagentur dpa.
Für den Marineinspekteur der Bundesmarine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, ist die Diskussion keine „Gespensterdiskussion“. Er sei immer ein Anhänger der Wehrpflicht gewesen und in seiner über zweijährigen Tätigkeit in Norwegen darin bestärkt worden, sagte Kaack der dpa.
„Ich glaube, dass eine Nation, die in diesen Zeiten auch resilienter werden muss, ein besseres Verständnis hat, wenn wir eine Durchmischung mit den Soldaten haben“, so Kaack.
In Norwegen würden alle jungen Männer und Frauen gemustert. Das seien etwa 70.000 pro Jahr. Die Streitkräfte legten dann fest, wie viele sie nehmen wollten. Im Durchschnitt seien das immer 15.000 pro Jahr. Ein Modell, dass sich der Admiral gut für Deutschland vorstellen kann.
Ordnungsruf von Fraktionschef Dürr
FDP-Fraktionschef Christian Dürr hat den Verteidigungsminister aufgefordert, die Debatte zu beenden. „Meine herzliche Bitte an die Verantwortlichen im Verteidigungsministerium ist: jetzt keine substanzlose Debatte über eine Neuauflage der Wehrpflicht, die Zeit und Geld kostet und auch noch krass gegen die Wehrgerechtigkeit verstoßen würde“, sagte Dürr dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.
Pistorius möge hier auch seine Generäle in die Pflicht nehmen. Ausdrücklich nannte der Fraktionschef hier Marineinspekteur Kaack. „Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, die Truppe so schnell wie möglich ordentlich auszustatten. Das geht mir bisher noch zu langsam. Es wäre gut, wenn der Marineinspekteur hierzu seinen Beitrag leistet.“
Unterdessen hat eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online ergeben, dass 57 Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine allgemeine Wehrpflicht für Frauen und Männer bei der Bundeswehr für sinnvoll halten. 36 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus. Sieben Prozent der Deutschen sind in der Frage unentschieden.
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