Promillegrenze für E-Scooter-Fahrer mit der von Radlern gleichsetzen

Sind die Strafen für alkoholisiertes Fahren mit E-Scootern zu hoch? Einige Experten schätzen das so ein. Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar wollen sie sich darüber austauschen.
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E-Scooter sind Thema beim Verkehrsgerichtstag in Goslar.Foto: iStocks/hanohiki
Von 21. Januar 2023

Fachleute und Verbände haben eine Anpassung der Promillegrenze für E-Scooter-Fahrer gefordert. Bisher orientiert sich der Wert an dem für Autos. Einige Experten fänden eine Anlehnung an den weniger strengen Grenzwert für Fahrräder passender. Das Thema besprechen Experten beim Verkehrsgerichtstag (25. bis 27. Januar) in Goslar, teilt die „Deutsche Presse-Agentur“ mit.

ADAC will Klarstellung durch Gesetzgeber

E-Scooter führen höchstens 20 Kilometer pro Stunde schnell. Damit seien sie dem Fahrrad näher als einem Auto, teilte der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) mit. Auch gesetzlich seien E-Scooter dem Zweirad näher: „So existieren weder Helmpflicht noch eine Fahrerlaubnispflicht.“ Es stelle sich daher die Frage, warum bei der Promillegrenze eine Unterscheidung gemacht werde.

Der ADAC regt eine Klarstellung durch den Gesetzgeber an. Künftig solle bei der rechtlichen Bewertung besser zwischen führerscheinpflichtigen und führerscheinfreien Fahrzeugen unterschieden werden – statt zwischen Kraftfahrzeugen und anderen Fahrzeugen.

Trunkenheitsfahrt bisher straffrei

Bisher ist das Fahren von Fahrrad oder E-Bike unter Alkoholeinfluss bis 1,6 Promille straffrei. Allerdings nur, solange der Fahrer oder die Fahrerin keine Ausfallerscheinungen habe und es zu keinem Unfall komme, erklärte Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

E-Scooter gelten aber als Kraftfahrzeuge und werden wie Autos behandelt. Das bedeutet: Bei einer Fahrt mit 0,5 Promille oder mehr begeht der Fahrer eine Ordnungswidrigkeit. Eine Geldbuße von 500 Euro und ein Monat Fahrverbot sind dann möglich.

Ab 1,1 Promille sind – selbst ohne Ausfallerscheinungen – auch höhere Geldstrafen und der Entzug der Fahrerlaubnis möglich. Autofahrer dürfen dann erst nach einer medizinisch-psychologischen Untersuchung wieder hinter das Steuer.

Fahruntüchtigkeit unter Alkoholeinfluss in Studie untersuchen

„Aus Sicht des ADAC sollte die Teilnahme am Straßenverkehr und der Alkoholkonsum immer strikt getrennt werden“, betonte der Automobil-Club. Es müsse aber berücksichtigt werden, wenn Menschen nach dem Alkoholkonsum auf das Auto verzichten und stattdessen den „weit weniger gefährlichen E-Scooter“ nutzen.

Das sieht auch Unfallforscher Brockmann so. Er regt an, in einer Studie zu untersuchen, ab welchem Blutalkoholwert eine absolute Fahruntüchtigkeit bei E-Scooter-Fahrern angenommen werden kann.

Der Verkehrsgerichtstag zählt zu den wichtigsten Treffen von Fachleuten für Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht in Deutschland. Besonders im Fokus stehen unter anderem auch die Themen Haftung von KI-gesteuerten Autos und eine mögliche Meldepflicht für Ärzte von fahrungeeigneten Patienten. Der Kongress endet traditionell mit Empfehlungen an den Gesetzgeber.

Die Zahl der Verkehrsunfälle mit E-Scootern ist in Niedersachsen zuletzt deutlich gestiegen. Im Jahr 2021 gab es in dem Bundesland 634 Unfälle mit den Elektrorollern, wie das zuständige Innenministerium Anfang Januar mitteilte. Ein Jahr zuvor lag die Zahl demnach noch bei 295. Auch die Zahl der Trunkenheitsfahrten, die zu Verkehrsunfällen führten, hat den Angaben zufolge zugenommen.

Straßenverkehrskenntnisse in Prüfung nachweisen

Der Automobil-Club von Deutschland plädiert dafür, alkoholisierten E-Scooter-Fahrern ab einem Blutalkoholwert von 1,1 Promille die Erlaubnis zum Fahren von elektrischen Tretrollern zu entziehen, falls der oder die Betroffene keinen Autoführerschein besitzt.

Darüber hinaus sollten E-Scooter-Fahrer ähnlich wie Mofa-Fahrer in einer theoretischen Prüfung Straßenverkehrskenntnisse nachweisen müssen. Auch eine Helmpflicht für Fahrzeuge, die schneller als sechs Kilometer pro Stunde fahren können, sei denkbar.

Bundesweit ist die Zahl der E-Scooter-Unfälle mit Verletzten 2021 gegenüber dem Vorjahr um 156,8 Prozent gestiegen, wie aus Zahlen hervorgeht, die der GDV veröffentlicht hat. Von 325.961 Verunglückten waren demnach 1,7 Prozent 2021 E-Scooter-Fahrer.

In knapp 90 Prozent der Unfälle war Alkohol der Grund für die Fahruntüchtigkeit des E-Roller-Fahrers. Daten aus der norwegischen Hauptstadt Oslo zeigten zuletzt, dass sich Unfälle mit E-Scootern meist nachts oder abends durch betrunkene Fahrer ereignen.

Einheitliche Rechtsauslegung angestrebt

Aus polizeilicher Sicht sei es wichtig, dass es zu einer einheitlichen Rechtsauslegung komme. Ein Beamter der Polizei Hannover nimmt in Goslar an dem Arbeitskreis zu der E-Scooter-Thematik als Referent teil.

So könne es zu einer einheitlichen polizeilichen Vorgehensweise kommen und Regeln sowie Folgen eines Regelverstoßes den Fahrern transparent vermittelt werden. Das würde zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit führen.

Der Automobil-Club Verkehr (ACV) wünscht sich von den Anbietern der Elektroroller mehr Bemühungen bei der Überprüfung der Fahrtauglichkeit der Fahrer. „Etwa in Form von Reaktionstests mithilfe einer App“, teilte der ACV mit.

Auch bei sehr hohen Alkoholkonzentrationen könne man die Fahrer nicht mit denen von Pkw oder gar Lkw vergleichen, sagte Rechtsanwältin Heike Becker vom Deutschen Anwaltverein (DAV). E-Scooter-Fahrer seien eher mit denen von E-Bikes zu vergleichen. Sie fordert deshalb eine Anhebung der Promillegrenze auf 1,6. Vor allem brauche es aber eine bundeseinheitliche Regelung.

Kaum Nutzen für die Umwelt

E-Scooter, auch E-Stehroller oder E-Tretroller genannt, sind seit dem 15. Juni 2019 in Deutschland für den Straßenverkehr zugelassen. Wer mit ihm durch die Stadt fahren möchte, muss mindestens 14 Jahre alt sein. Debatten gibt es nicht nur rund um die Verkehrssicherheit. Im Mittelpunkt stehen die Zweiräder auch, wenn es um Umweltfreundlichkeit und Verkehrsentlastung geht.

So räumte das Umweltbundesamt ein, dass E-Scooter nur dann umweltfreundlich sind, wenn sie Auto- oder Motorradfahrten ersetzen und keine weiteren zusätzlichen Fahrten mit kraftstoffbetriebenen Fahrzeugen stattfinden. Wird der E-Scooter anstatt der eigenen Füße oder des Fahrrades benutzt, ist das schlecht für Umwelt, ⁠Klima und Gesundheit.

Nur 5,5 Prozent ersetzten Fahrt mit Auto oder Motorrad

Dabei beruft sich die Behörde auf mittlerweile vorliegende Studienergebnisse.  Für Berlin und Dresden ergaben Untersuchungen der Unfallforschung der Versicherer (UDV, Juli 2021), dass nur 5,5 Prozent der E-Scooter-Fahrten eine Fahrt mit dem eigenen Auto oder mit privaten Fahrdienstanbietern ersetzen.

Knapp 30 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten die Fahrt ohne einen E-Scooter nicht unternommen. Fahrten, die auch ohne E-Scooter zurückgelegt worden wären, wären sonst zu Fuß (53 Prozent), mit dem ÖPNV (27 Prozent) oder dem (Leih-)Fahrrad (3 Prozent) erfolgt.

Eine Umfrage in Paris unter mehr als 4.000 Nutzern von Verleih-E-Scootern brachte ein ähnliches Ergebnis. Fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) wäre ohne Roller zu Fuß gegangen, 29 Prozent hätten den ÖPNV genutzt, neun Prozent wären per Fahrrad ans Ziel gekommen.

Nur acht Prozent der Befragten hätten statt E-Scooter das Auto, Taxi oder private Fahrdienstanbieter genommen. Drei Prozent hätten sich ohne Roller gar nicht fortbewegt.

Positive Effekte in den USA

In den USA scheinen E-Scooter dagegen zu positiveren Verlagerungseffekten zu führen. Diese könnten unter anderem mit unterschiedlichen Infrastrukturgegebenheiten zusammenhängen. Laut einer Umfrage der Verkehrsbehörde von San Francisco aus dem Jahr 2019 ersetzten knapp 42 Prozent der E-Scooter-Fahrten Wege mit eigenen Pkw (fünf Prozent) oder privaten Fahrdienstanbietern (36 Prozent).

Auch in einem Pilotprojekt in Portland führten die E-Scooter zu vergleichsweise hohen Verlagerungseffekten vom Pkw zum strombetriebenen Zweirad.

Aus Sicht des Umweltschutzes spricht kaum etwas dafür, das E-Scooter-Angebot in Deutschland auszubauen. So ist die Klimabilanz zumindest für die Leih-E-Scooter, die per App auf der Straße für Fahrten angemietet werden, nicht besonders gut.

Das liege unter anderem am Material, der Herstellung und der kurzen Lebensdauer, schreibt der „Stern“. Auch würden die Fortbewegungsmittel selten sorgfältig behandelt, heißt es in einer Studie der Universität North Carolina (2019).

Den größten negativen Einfluss habe es demnach, wenn Verbrennerautos die Scooter zum Laden einsammelten und dann wieder in der Stadt verteilten. Auf Kilometer pro Person berechnet sei selbst ein Dieselbus in der Stoßzeit umweltschonender, schreiben die Studien-Autoren.

Mindestens fünf Jahre Lebensdauer und austauschbare Batterien

Die Studie ist bereits ein paar Jahre alt und inzwischen haben die Sharingdienste nachgebessert. Hersteller garantierten mittlerweile eine Lebensdauer von mindestens fünf Jahren für die E-Scooter, sagt Sebastian Schlebusch. Er ist Sprecher der Plattform Shared Mobility, eines Lobbyverbands der Sharingbranche. Viele Flotten verfügten zudem inzwischen über austauschbare Batterien, sodass die Scooter nicht mehr eingesammelt werden müssten.



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