Rechtsprofessor im Interview: Die Reduktion des Menschen auf eine Gefahrenquelle ist menschenverachtend

„Grundrechte sind keine Schön-Wetter-Grundrechte“, sagt Prof. Dr. Martin Schwab. Geimpfte erhalten nun Privilegien, jedoch sei das Menschenbild hinter dieser Festlegung verächtlich. "Dieses Menschenbild lautet: Das Individuum ist, indem es existiert und ausatmet, eine Gefahr für andere."
Professor Dr. Martin Schwab sieht kein schnelles Ende im Prozess um die Soldatenimpfpflicht
Professor Dr. Martin Schwab arbeitet an der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld.Foto: Stephan Kröker / Epoch Times
Epoch Times13. Mai 2021

„Grundrechte bekommen wir nicht vom Staat, wir haben sie von Geburt an“, sagt Professor Dr. Martin Schwab der Epoch Times im Exklusiv-Interview. Schwab hält es für gefährlich, jeden Menschen als einen potenziellen „Virus-Überträger“ zu sehen. Das stehe nicht im Einklang mit der Menschenwürde, die im Grundgesetz verankert ist, so Schwab. Zudem sei das Verabsolutieren des Infektionsschutzes gegenüber allen anderen Freiheitsrechten eine Gefahr für die freiheitliche Ausrichtung unseres Gemeinwesens.

Epoch Times traf sich mit dem Rechtswissenschaftler der Universität Bielefeld und sprach mit ihm über die neuen Lockerungen für Geimpfte – einen Tag bevor diese in Kraft traten. Schwab ist seit fast 18 Jahren Hochschullehrer und war zudem drei Jahre Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin.

Frage: Die sogenannten Ausnahmen für COVID-Geimpfte kommen. Der Bundestag hat zugestimmt, der Bundesrat hat es auch schon durchgewunken. Einschränkungen für Geimpfte fallen ab Sonntag weg. Man könnte auch sagen, sie sollen ihre Grundrechte, oder Freiheiten, größtenteils zurückbekommen.
Ist das mit dem Grundgesetz vereinbar? Wie sehen Sie das verfassungsrechtlich?

Martin Schwab: Mir gefällt schon die Formulierung „wir bekommen unsere Grundrechte zurück, wenn wir uns impfen lassen“ im Ansatz nicht. Denn Grundrechte bekommen wir nicht vom Staat, sondern wir haben Sie von Geburt an. Sie sind uns weggenommen worden in erheblichem Maße.

Ich sehe in der ganzen Corona-Politik – das hat man bei den Masken gesehen, das hat man bei den Testungen gesehen und das sehen wir jetzt auch bei Lockerung und für Geimpfte – folgendes Problem. Wir operieren dabei mit einem Menschenbild, das mit Grundgesetz Artikel 1 Absatz 1 „die Würde des Menschen ist unantastbar“ nicht im Einklang steht.

Dieses Menschenbild lautet: „Das Individuum ist, indem es existiert und ausatmet, eine Gefahr für andere. Das Individuum ist daher angehalten, andere Menschen vor sich selbst zu beschützen. Wer das nicht tut, der hat auch keine Freiheitsrechte verdient.“ Das ist die Prämisse, die dieser Privilegierung von Geimpften zugrunde liegt.

Diese Reduktion des Individuums auf eine Gefahrenquelle halte ich für menschenverachtend, das ist nicht menschenwürdig.

Es verkehrt Grundannahmen über das Mensch-Sein ins Gegenteil. Das Mantra, das man diesen Impfungen beilegt und das medial entsprechend verbreitet wurde, ist ja nicht: „Ich soll mich impfen, um mich selber zu schützen“, sondern „Ich soll mich impfen lassen, um andere zu schützen“.

Der Fokus liegt gar nicht auf dem Schutz meiner selbst. Der Fokus liegt auf: „Ich soll bloß nicht dieses Virus weitergeben.“ Und da ich ja angeblich ein asymptomatischer Träger von einem Killervirus bin, müsste ich jederzeit damit rechnen, dass ich da, wo ich bin, andere Menschen gefährdet. Und ich sollte bitte alles tun, um das zu unterlassen, denn mein Gegenüber könne sich ja nicht selber schützen. Das ist genau die Frage.

Wenn ich an die Eigenverantwortung des menschlichen Individuums glaube, dann ist es erstmal seine eigene Aufgabe, seine eigene Gesundheit zu schützen. Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ich nicht krank werde, es ist meine Aufgabe, mein Immunsystem zu stabilisieren. Es ist meine Aufgabe, durch die Auswahl der Ernährung dafür zu sorgen, dass mein Immunsystem stabil bleibt.

Wenn ich das jetzt zum Beispiel auf meine Person projiziere: Ich habe Übergewicht. Übergewicht ist für COVID ein Risikofaktor. Wer bin ich denn, dass ich anderen Menschen sage, lasst euch impfen, damit ich nicht an COVID erkranke?

Diese Menschen werden mir mit Recht entgegenhalten: „Martin Schwab du mit deinem Übergewicht! Fang mal an abzuspecken und dann können wir darüber reden, ob wir dich beschützen! Aber erstmal minimiere deine eigenen Risikofaktoren.“

Der Grundsatz der Eigenverantwortung wird durch die Grundannahme, die der Politik der hinter den Corona-Maßnahmen zugrunde liegt, ins Gegenteil verkehrt. Das halte ich nicht für menschenwürdig.

Deswegen halte ich auch die Privilegierung von Geimpften nicht für menschenwürdig – schlicht und einfach, weil sie auf dieser völlig falschen und verfassungsrechtlich haltlosen Grundannahme beruht.

Frage: Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es denn nun für den Einzelnen oder auch für die Bevölkerung um diese Maßnahmen jetzt nochmal gerichtlich prüfen zu lassen?

Martin Schwab: Im Prinzip müsste ich die Grundrechtsbeschränkung, die mich trifft, in sich angreifen, und in diesem Zusammenhang nicht nur rügen, dass mein Grundrecht auf freie Berufsausübung, auf Reisefreiheit oder was auch immer ich da rüge, verletzt ist. In sich, weil die Maßnahme unverhältnismäßig ist. Das müsste ich in meinen Klagevortrag mit aufnehmen.

Außerdem ist die Differenzierung zwischen Geimpften und Ungeimpften nicht haltbar wegen Verletzung von Grundgesetz Artikel 1.

Ich müsste mich also gegen die einzelne Maßnahme wehren. Und in diesem Kontext unter anderem einen solchen Vortrag halten, wie ich es gerade beschrieben habe.

Frage: Es gibt ja einige Verfahren beim Bundesverfassungsgericht gegen das neue Infektionsschutzgesetz, hauptsächlich gegen Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen. Einige Eilverfahren wurde bereits abgewiesen, aber die Hauptverfahren stehen noch aus. Wie sehen Sie die Chancen, dass jetzt durch diese Verfahren solche Einschränkungen wieder aufgehoben werden?

Martin Schwab: Was ich bis jetzt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gesehen habe, stimmt mich nicht optimistisch. Weil immer gesagt wird „na ja, wir müssen doch alles tun, damit sich diese Seuche nicht weiter verbreitet.“

Das Motto „wenn die Pandemie vorbei ist und wir über die Hauptsache entscheiden, dann können wir immer noch gucken“ halte ich für gefährlich. Denn es wird eine Gefahr ausgeblendet: die Gefahr, unter dem Deckmantel des Infektionsschutzes die gesamten Koordinaten unseres Staatswesens nach dem Motto „Grundrechte gibt es immer nur, wenn wir das verantworten können, nur um die Seuche zu verhindern“ zu verschieben.

Das halte ich für ganz gefährlich. Auch im Eilverfahren ist es ganz gefährlich, dass man sich auf den Standpunkt zurückzieht und sagt: „Wir haben jetzt eine Pandemie. Das ist jetzt gerade ganz gefährlich und kommt mir bitte jetzt nicht mit ‚wir wollen unsere Freunde sehen und wir wollen nach Mitternacht noch vor der Haustür‘.“

Das führt am Ende dazu, dass der gesamte Grundrechtekatalog, sei es auch nur temporär, unter einem  solchen Vorbehalt steht.

Es besteht natürlich noch eine Gefahr. Wir wissen alle, dass Macht auch Versuchung bedeutet. Wenn man Politikern einmal die Macht gibt, solche Freiheitsbeschränkungen zu verordnen, wenn gerichtliche Kontrolle in allen Verfahren mehr oder weniger nicht stattfindet und die Politiker sich an die Machtfülle gewöhnen, die durch das Ausbleiben der Kontrolle, durch das Ausbleiben von Machtbegrenzung generiert wird, dann besteht schon die Gefahr, dass dann noch weitergehende Eingriffe in die Grundrechte stattfinden. Diese würden wohl ebenfalls kontrollfrei bleiben. Dann gerät das Grundverständnis von einer freiheitlichen Grundordnung ins Wanken.

Das ist eine Gefahr, der wir ins Auge blicken müssen, wenn wir den Grundrechtsschutz an der Annahme enden lassen, „hier ist ein absolutes Killervirus unterwegs und jetzt müssen wir mal die Füße stillhalten.“

Grundrechte sind keine Schön-Wetter-Grundrechte. Grundrechte sind gerade dann zum Aufruf zu bringen, wenn wir sie am dringendsten brauchen.

Ja, das Verabsolutieren des Infektionsschutzes gegenüber allen anderen Freiheitsrechten ist eine Gefahr für die freiheitliche Ausrichtung unseres Gemeinwesens.

Das Interview führte Stephan Kröker.



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