Rechtsstaat Deutschland? Eine ernüchternde Analyse von Dr. Klaus Miehling

Was sind die Merkmale eines Rechtsstaates? Leben wir einem? Was wir „Rechtsstaat“ nennen, ist nur noch abblätternder Putz auf den Mauern eines Willkürsystems. Eine Analyse und ein Plädoyer für eine ganz neue Kultur der Vernunft.
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Von 22. September 2018

Unsere Politiker werden nicht müde, den „Rechtsstaat“ zu beschwören. Aber was sind die Merkmale eines Rechtsstaats, und leben wir tatsächlich (noch) in einem? Wenn nein, wie konnte es dazu kommen? Eine Analyse sowie ein Plädoyer für eine ganz neue Kultur der Vernunft.

1. Ist Deutschland ein Rechtsstaat?

Eine wissenschaftliche Definition des Begriffes „Rechtsstaat“ gibt es nicht. Gleichwohl hat sich ein gewisser Konsens herausgebildet, welche Merkmale ein solcher aufzuweisen hat:

– Gewaltenteilung

– Gleichheit vor dem Gesetz

– Rechtssicherheit

– Gewaltmonopol des Staates, was voraussetzt:

– Schutz der Bürger vor Verbrechen, was voraussetzt:

– effektive Strafverfolgung und

– angemessene und verhältnismäßige Strafen

– Zugänglichkeit des Rechts

– Meinungsfreiheit

Betrachten wir nun, wie es sich mit diesen Merkmalen in der gegenwärtigen Bundesrepublik verhält:

1. Gewaltenteilung

Dieser Begriff bedeutet, dass Legislative (Gesetzgebung), Judikative (Rechtsprechung) und Exekutive (Polizei) voneinander unabhängig sind. Tatsächlich jedoch ist in Deutschland eine Einflussnahme der Politik (d.h. der Legislative) auf die Rechtsprechung möglich.

So werden die 16 Richter des höchsten deutschen Gerichts, des Bundesverfassungsgerichts, jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat auf zwölf Jahre gewählt. Diese Richter entscheiden bekanntlich, ob politische Entscheidungen gegen die Verfassung, d.h. gegen das Grundgesetz verstoßen. Von wirklicher Unabhängigkeit kann also nicht gesprochen werden. Man stelle sich vor, ein normaler Angeklagter dürfte sich seinen eigenen Richter wählen!

Es ist also nicht erstaunlich, dass das Bundesverfassungsgericht mit Maßregelungen der Politik eher vorsichtig ist. Beispielsweise wurde eine Verfassungsbeschwerde gegen die nach Beurteilung zahlreicher Juristen und auch ehemaliger (!) Verfassungsrichter rechtswidrige Asylpolitik gar nicht erst zur Entscheidung angenommen. Reicht sonst ein Anfangsverdacht, um Staatsanwaltschaften und Gerichte tätig werden zu lassen, so genügten hier nicht einmal kompetente juristische Einschätzungen. Es ist offensichtlich, dass diese Verweigerung politische Gründe hatte, dass die Judikative in diesem Fall von der Legislative abhängig war.

Sie ist es aber auch im Weisungsrecht der Politik gegenüber Staatsanwälten; der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Jens Gnisa bezeichnet das als „Geburtsfehler“ des deutschen Staates: „Der Justizminister kann die Anweisung erteilen, Ermittlungen aufzunehmen oder fallen zu lassen, anzuklagen oder einzustellen“ (S. 180 – Literaturangaben am Ende des Textes). Der Fall Range wird noch in Erinnerung sein. Nach diesem Maßstab war die BRD also nie ein wirklicher Rechts­staat.

Die Gewaltenteilung wird auch dadurch beschädigt, dass sogenannte Ordnungswidrigkeiten nicht verfolgt werden müssen. Das bedeutet nämlich, dass die Exekutive (Polizei) zur Judikative wird, die nach Gutdünken entscheidet, ob sie eine Tat verfolgt oder nicht, wem sie einen Bußgeldbescheid ausstellt, und wem nicht. Dies ist nicht nur individuell ungerecht (Gleichheit vor dem Gesetz, s.u.!), sondern führt in der Praxis dazu, dass bestimmte Delikte aus Gründen des Zeitgeistes praktisch nicht mehr verfolgt werden. Hier kann es wiederum Vorgaben der zuständigen Bürgermeister geben – was dann einen Einfluss der Legislative auf die Exekutive bedeutet.

Gnisa sagt unmissverständlich: „Bei einer Umfrage würden wohl die meisten Deutschen sagen, dass die Gewaltenteilung in Deutschland umgesetzt ist. Weit gefehlt“ (S. 252).

Fazit: Gewaltenteilung in Deutschland? „Weit gefehlt“!

2. Gleichheit vor dem Gesetz

Diese Gleichheit ist von vornherein eine nur relative. Bekanntlich haben Kinder und Jugendliche nicht die gleichen Rechte und Pflichten wie Erwachsene. Dass dies mit starren Altersgrenzen einhergeht, die nicht den Stand der Entwicklung im Einzelfall berücksichtigen, ist hochproblematisch. Wie willkürlich solche Grenzen sind, zeigt schon die Tatsache, dass die „Volljährigkeit“ 1974 von 21 auf 18 Jahre vorverlegt wurde.

Im gleichen Jahr wurde auch das Jugendstrafrecht eingeführt. Die Existenz zweier verschiedener Strafrechte, die für dieselben Delikte unterschiedliche Strafen bzw. Maßnahmen vorsehen, wobei unter 14jährige als „strafunmündig“ sogar völlig straffrei bleiben, widerspricht der Gleichheit vor dem Gesetz ebenso wie die Immunität von Abgeordneten und Diplomaten. So können beispielsweise sogar deren Chauffeure gegen das Straßenverkehrsrecht verstoßen, ohne dass dies Folgen hat.

Die aktuelle Bundesregierung und ihre Vorgänger haben nicht nur im Rahmen der Zuwanderungspolitik, sondern auch mit ihrer EU-Politik Recht gebrochen bzw. Rechtsbrüche der EU mitgetragen. Dafür zur Rechenschaft gezogen wurde niemand. Für Regierungspolitiker gelten Gesetze nur in der Theorie, aber nicht in der Praxis: Quod licet Iovi, non licet bovi. Seit den alten Römern hat sich da nichts geändert.

Sprichwörtlich ist der sogenannte „Migrantenbonus“ geworden. Zwar hat angesichts der allgemein milden Rechtsprechung nicht jedes milde Urteil gegen einen Migranten mit seiner kulturellen Herkunft zu tun, aber bisweilen ist das eben doch der Fall; wenn etwa die geringe Strafe für einen Mörder damit begründet wird, er habe sich „aufgrund seiner kulturellen und religiösen Herkunft in einer Zwangslage befunden“. Nach Aussage eines Oberstaatsanwaltes haben manche milden Urteile sogar damit zu tun, dass die Richter schlicht Angst vor den Kriminellen und den dahinterstehenden Clanstrukturen haben.

Es steht im Ermessen der Richter, Zeugen zu laden oder auch nicht. Das kann die Wahrheitsfindung beeinträchtigen und zu Fehlurteilen führen. In Gewaltmusik – Musikgewalt habe ich den Fall einer fortgesetzten nächtlichen Ruhestörung dokumentiert, wo die Polizei unvollständige und teils falsche Vorkommnisberichte lieferte und der offensichtlich parteiische Amtsrichter wichtige Zeugen nicht hören wollte (S. 504f). Kurz zuvor (2002) waren „zahlreiche Änderungen zur Entlastung der Berufungsgerichte sowie zur Stärkung der ersten Instanz eingeführt“ worden, die nach Auskunft eines nachträglich hinzugezogenen Rechtsanwalts eine Berufung aussichtslos erscheinen ließen. Die Kosten für das Fehlurteil beliefen sich auf rund 900 Euro, die das Opfer bezahlen musste.

Schließlich ist an die bereits erwähnte Willkür bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zu erinnern.

Fazit: Gleichheit vor dem Gesetz in Deutschland? Nein!

3. Rechtssicherheit

Das bedeutet im wesentlichen, dass man aus dem Gesetz ersehen kann, was erlaubt ist und was nicht, und welche Strafe man bei Verstößen zu erwarten hat – und dass dies in der Rechtsprechung umgesetzt wird. Im Grunde lässt sich dieser Punkt kaum von der „Gleichheit vor dem Gesetz“ trennen.

Nicht umsonst gibt es das Sprichwort „Auf See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“. Im Strafrecht lassen weite Strafrahmen sehr unterschiedliche Strafen für dasselbe Delikt zu, Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren können sogar zur Bewährung ausgesetzt werden, so dass hier zwischen Freiheit und Haft nur die Milde oder Strenge des jeweiligen Richters steht. Heranwachsende, die nach dem Gesetz „volljährig“ sind und alle Rechte eines Erwachsenen genießen, können nach Belieben des Gerichts nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt werden.

Im Zivilrecht wiederum ist vieles unbestimmt; das Urteil hängt stark von der subjektiven Einschätzung der Richter und ihrer eventuellen Parteilichkeit ab. (Dass Juristen nicht automatisch bessere Menschen sind, belegen die weiter unten erwähnten Umfragen zur Straffälligkeit von Jurastudenten.)

Wie gering die Rechtssicherheit ist, zeigt schon die Tatsache, dass Urteile nicht selten von einer Folgeinstanz aufgehoben werden. D.h. bei gleichem Sachverhalt können unterschiedliche Gerichte zu unterschiedlichen, sogar substanziell unterschiedlichen Urteilen kommen.

Fazit: Rechtssicherheit in Deutschland? Nein!

4. Gewaltmonopol des Staates

Dieses ist im Grundgesetz (Art. 20) eher indirekt festgelegt, indem alle Staatsgewalt vom (Wahl-)Volke ausgeht und von den drei „Gewalten“ Legislative, Judikative und Exekutive ausgeübt wird. Daher werden auch Urteile „im Namen des Volkes“ gesprochen. Einzelne Bürger oder Gruppen dürfen also keine gesetzgebende, urteilende oder ausführende Gewalt anwenden.

Dieses Gewaltmonopol ist schon seit geraumer Zeit durch die „rechtsfreien“ Räume ausgehebelt, deren Existenz zwar von der Politik immer wieder geleugnet wird, die es aber dennoch gibt: Dort beispielsweise, wo innerhalb bestimmter Migrantengruppen und in von diesen dominierten Stadtteilen das Recht in die eigene Hand genommen oder von selbst bestellten Friedensrichtern oder Imamen ausgeübt wird.

An vielen öffentlichen Orten wie Parks, aber auch etwa in Diskotheken, besteht seit Jahren ein florierender Drogenhandel, ohne dass dieser unterbunden wird: Auch das sind quasi rechtsfreie Räume.

Fazit: Gewaltmonopol des Staates in Deutschland? Das war einmal.

5. Schutz der Bürger vor Verbrechen

Das Gewaltmonopol des Staates und das Verbot der Selbstjustiz sind nur legitim, wenn der Staat die ihm übertragene Aufgabe, für Recht und Ordnung zu sorgen, auch erfüllt. Das ist weniger denn je der Fall. Der Staat war nicht in der Lage oder willens, den dramatischen Anstieg der Kriminalität (mehr als eine Verdreifachung von den 1950er zu den 90er Jahren*) zu verhindern; die Aufklärungsquote liegt konstant bei nur wenig über 50 Prozent, bei manchen Delikten wie Einbruch und Diebstahl weit darunter.

Durch die personell zu geringe Besetzung der Polizei und die Schließung von Dienststellen auf dem Land ist ein rechtzeitiges Eingreifen oft nicht möglich, hilfesuchende Anrufer müssen vertröstet werden. Mit der weitgehend unkontrollierten illegalen Migration hat sich der Staat sogar zu einem Einschleuser von Kriminellen gemacht, und somit seine Schutzpflicht gegenüber der eigenen Bevölkerung auf das gröbste verletzt.

Fazit: Schutz der Bürger vor Verbrechen in Deutschland? Nein!

*Die PKS weist zwar nur eine Zunahme um etwa das 2,3-fache auf, jedoch wurden 1963 die sehr zahlreichen Verkehrs- und die Staatsschutzdelikte aus der Statistik genommen, was die Steigerung eines ganzen Jahrzehnts scheinbar wieder rückgängig machte. Zwar wurden 1976 die vom Bundesgrenzschutz bearbeiteten Straftaten sowie vom Zoll bearbeitete Rauschgiftdelikte neu in die Statistik aufgenommen, doch 1984 führte die landesinterne Zusammenfassung der Seriendelikte erneut zu einem scheinbaren Rückgang.

6. Effektive Strafverfolgung

Aus dem bereits Gesagten geht hervor, dass eine effektive Strafverfolgung nicht besteht. Weder gibt es genügend Polizei- und Justizbeamte, noch genügend Haftplätze; die Aufklärungsquote ist zu niedrig, die Strafen sind es ebenfalls. Tatverdächtige müssen freigelassen werden, weil Verhandlungsfristen nicht eingehalten werden können.

Übertriebene gesetzliche Restriktionen erschweren die Arbeit von Polizei und Justiz zusätzlich. Verjährungsregelungen lassen spät überführte Verbrecher straffrei ausgehen. Eine andere der Gerechtigkeit Hohn sprechende Regelung verbietet, zu Unrecht freigesprochene Straftäter erneut anzuklagen, wenn ihre Schuld nachträglich festgestellt wird.

Fazit: effektive Strafverfolgung in Deutschland? Nein!

7. Angemessene und verhältnismäßige Strafen

Ende August bzw. Anfang September 2018 gab es diese beiden Urteile:

Ein Deutscher verübte einen Sprengstoffanschlag auf eine Moschee, bei dem niemand verletzt wurde: knapp zehn Jahre Haft.

Ein Afghane erstach eine fünfzehnjährige Deutsche: achteinhalb Jahre Haft.

Diese Beispiele belegen, dass eine Verhältnismäßigkeit im deutschen Strafrecht nicht gegeben ist. Es erscheint kaum vorstellbar, dass irgendjemand, egal, ob er eine „Kuscheljustiz“ oder harte Strafen befürwortet, für einen Mord eine geringere Strafe als für eine Sachbeschädigung als verhältnismäßig ansieht. Darüber hinaus gibt es unzählige Beispiele von Urteilen, deren Milde Empörung bei der Bevölkerung und sogar bei den berichtenden Journalisten auslöst, wie etwa Bewährungsstrafen für Kindesmissbrauch oder Vergewaltigung, ja sogar bei Vielfachtätern.

Oft, aber keineswegs immer, hat das mit dem bereits erwähnten Jugendstrafrecht zu tun. Dieses sieht weit mildere Strafen als für Erwachsene vor und wird für Jugendliche bis 17 Jahre zwingend, für Heranwachsende von 18 bis 20 Jahren fakultativ angewendet. Der oben genannte Afghane war nach einem Gutachten zwar vermutlich volljährig, aber seine Minderjährigkeit konnte nicht vollständig ausgeschlossen werden, so dass er nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde, das selbst für die schlimmsten Verbrechen eine Höchststrafe von nur zehn Jahren (15 bei Heranwachsenden, aber nur bei „besonderer Schwere der Schuld“) vorsieht.

Im Erwachsenenstrafrecht wiederum ist das Urteil „lebenslänglich“ eine Mogelpackung, denn im Regelfall bedeutet das ebenfalls nur 15 Jahre. Lediglich in besonders schweren Fällen wird eine so frühe vorzeitige Entlassung ausgeschlossen oder anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet.

Spätestens seit den 1980er Jahren war es das Ziel, insbesondere im Jugendstrafrecht Haftstrafen weitestgehend zu vermeiden und Erziehung, ja sogar „Hilfe“ (für den Täter!) vor Strafe zu stellen. Jugendliche und auch Erwachsene können sogar mehrfach straffällig werden, ohne in Haft zu müssen.

Auch hier kann von Verhältnismäßigkeit keine Rede mehr sein, und als Ergebnis ist folgerichtig die Kriminalität weiter gestiegen; die Jugendkriminalität in den 90er Jahren geradezu explosionsartig, was freilich auch mit der damals in Mode kommenden Rapmusik zu tun hatte.

Im Falle des verurteilten Afghanen dürfte kaum jemandem zu vermitteln sein, dass ein Mörder, der einem Mädchen statistisch gesehen etwa 70 Lebensjahre geraubt hat, noch als junger Mensch in seinen Zwanzigern das Gefängnis verlassen kann. Solche Urteile „im Namen des Volkes“ zu sprechen, ist zynisch.

Der Anteil unbedingter Freiheitsstrafen (d.h. ohne Bewährung) an den Verurteilungen betrug gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland rund 70 Prozent, in der ersten Jahren der BRD noch etwa 40 Prozent. Heute kommen „weniger als 8% der Verurteilten – unter Berücksichtigung von Diversion [Verfahrenseinstellung]: insgesamt weniger als 4% der als überführt geltenden Täter – in den Strafvollzug. Rechtsfolge der Straffälligkeit ist heute in aller Regel eine ambulante Reaktion“ (Spiess, S. 425). „Erst denjenigen, der immer und immer wieder kriminell wird, trifft dann doch mal die Härte des Gesetzes“, schreibt Richter Jens Gnisa (S. 246).

Richtig wäre stattdessen, den Anfängen zu wehren, damit die Leute eben nicht „immer und immer wieder kriminell“ werden.

Die oben genannten zehn Jahre für einen Sprengstoffanschlag erscheinen zwar angemessen, aber solche Strafen sind die große Ausnahme. Man wird den Verdacht nicht los, dass hier wie dort politische Urteile im Sinne des Multikulturalismus gefallen sind: Angemessen harte Strafe für einen Deutschen, der einen Anschlag auf eine Moschee verübt, unangemessen milde Strafe für einen Afghanen, der eine Deutsche ermordet. Um dies sicher zu beurteilen, müsste man freilich die allgemeine Urteilspraxis der beiden Richter kennen. Möglicherweise tendiert der eine grundsätzlich zu harten, der andere zu milden Urteilen.

Fazit: angemessene und verhältnismäßige Strafen in Deutschland? In aller Regel nicht!

8. Zugänglichkeit des Rechts

Was nützt das Recht, wenn es hohe Hürden gibt, um es zu bekommen? Die Bildung in Deutschland ist bis hin zur Universität (fast) kostenlos, aber ein Rechtsstreit ist teuer. Gnisa rechnet vor, dass bei einem Streitwert von 600 Euro, bei dem beide Parteien anwaltlich vertreten sind, Gebühren von 682,60 Euro entstehen (S. 192). Der Ausgang ist stets ungewiss, so dass viele Menschen darauf verzichten, ihr Recht einzuklagen.

So richtig der Gedanke ist, dass Kosten vom Verursacher zu tragen sind, so wäre in einem Rechtsstaat der Zugang zur Justiz (wie zur Hilfe der Polizei) das erste was kostenfrei sein müsste, wenn man von diesem Prinzip denn abweichen möchte – und das geschieht bekanntlich vielfach. Gnisa weist zudem darauf hin, dass kleinere Gerichte aus Sparsamkeitsgründen geschlossen werden, was für viele Bürger weite Wege (bis zu 80 km!) bedeutet, wenn sie ihr Recht einklagen wollen. Zwar gibt es die Möglichkeit rein schriftlicher Verfahren, aber das ist natürlich oft nicht ausreichend.

Fazit: Zugänglichkeit des Rechts? Erschwert!

9. Meinungsfreiheit

In Diktaturen wie der DDR und Scheindemokratien wie der gegenwärtigen Türkei werden allzu laute Regierungskritiker eingesperrt, hierzulande sind es sogenannte Holocaustleugner. Es gibt also Meinungsäußerungen, die in Deutschland verboten sind. Ich nenne das die „Ja, aber“-Meinungsfreiheit:

Selbstverständlich bin ich für Meinungsfreiheit, aber wer diese Meinung äußert, der gehört eingesperrt!“

In anderen Bereichen gibt es zwar prinzipiell Meinungsfreiheit, aber sie kann zu negativen Konsequenzen führen, so dass im Ergebnis auch hier keine wirkliche Meinungsfreiheit besteht. Es ist bezeichnend, dass beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz die politische Meinung als schutzwürdiges Kriterium fehlt.

Wer wegen seiner Religionszugehörigkeit, Weltanschauung Staatsangehörigkeit, Behinderung oder sexuellen Orientierung beispielsweise als Stellenbewerber oder Mieter abgelehnt wird, kann dagegen klagen und zumindest Schadenersatz verlangen. Nicht so, wer aus politischen Gründen abgelehnt wird. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden:

Eine politische Überzeugung fällt nicht unter diesen Begriff von Weltanschauung, selbst wenn sie Sichtweisen von Politik und Gesellschaft sehr umfassend erklärt.“

Nun bliebe noch das Grundgesetz, Art. 3, Abs. 3: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Vor diesem Hintergrund fragt man sich nun, wozu es überhaupt des AGG bedurfte. Wollte man davon ablenken, dass eigentlich auch die politische Überzeugung geschützt ist? Das GG wird aber gerne dahingehend gedeutet, dass es nur das Verhältnis zwischen Staat und Bürger regle.

Daher wird im Arbeits- und Zivilrecht eher das AGG herangezogen, welches die politische Meinung eben nicht schützt. So ist eine Kündigung aus politischen Gründen durchaus möglich, nur heißt sie dann „Auflösung des Arbeitsverhältnisses“: Wenn die Kündigung vor Gericht nicht durchkommt, so genügt unter Umständen die Erklärung des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen, dass es ihnen nicht zuzumuten sei, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen bzw. mit ihm zusammenzuarbeiten, damit das Gericht den Arbeitsvertrag auflöst. Der Arbeitnehmer erhält dann zwar eine Abfindung, aber seinen Arbeitsplatz hat er dennoch verloren. Und diejenigen, welche aus Intoleranz die Kündigung betrieben haben, zahlen die Abfindung normalerweise nicht aus eigener Tasche.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz war der jüngste direkt von der Legislative ausgehende Schlag gegen die Meinungsfreiheit. Natürlich gibt man vor, dass nur rechtswidrige Inhalte gelöscht werden sollen; da dies der Betreiber einer Netzplattform aber nicht zweifelsfrei beurteilen kann und ihm astronomische Geldstrafen drohen, werden sicherheitshalber auch viele zulässige Meinungsäußerungen gelöscht; zudem hängt die Löschpraxis von der politischen Einstellung der Mitarbeiter ab.

Fazit: Meinungsfreiheit in Deutschland? Nur sehr eingeschränkt!

Schlußfolgerung: Die BRD der Gegenwart erfüllt keine einzige der Voraussetzungen für einen Rechtsstaat.

2. Ursachen: „Erst kommt die Gleichheit, dann die Moral“

Kriminalität kann effektiv bekämpft werden. Die Garantie innerer und äußerer Sicherheit ist die Grundaufgabe und die eigentliche Rechtfertigung des Staates. Bevor dies nicht gewährleistet ist, haben alle anderen Auf- und Ausgaben zurückzustehen.

Wie kann es also sein, dass Polizei und Gerichte unterbesetzt werden, dass durch geringe Strafen und Verfahrenseinstellungen auf das Sühnebedürfnis der Opfer, auf die präventiv so notwendige Abschreckung und auf das Aus-dem-Verkehr-Ziehen von Kriminellen verzichtet wird?

Wie kann es sein, dass zig Milliarden für illegale (!) Einwanderer zur Verfügung gestellt werden, während die Sicherheit der eigenen Bürger zu Tode gespart wird?

1. Der Fluch der Demokratie: Sozial- vor Rechtsstaat

„Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ Diesen Spruch des kommunistischen Dichters Bertolt Brecht haben viele verinnerlicht, ja sogar pervertiert in „Erst kommt die Gleichheit, dann die Moral“. Die von Bismarck eingeführten und seither immer mehr ausgeweiteten staatlichen Sozialleistungen, verbunden mit Propaganda von „sozialer Gerechtigkeit“, haben bei den Bürgern eine Anspruchs- und Versorgungsmentalität entstehen lassen.

Um gewählt zu werden, müssen Politiker diese Haltung befriedigen:

Wählst du mich, nehme ich deinem reicheren Nachbarn zur Linken und dem Kinderlosen zur Rechten etwas weg und gebe es dir.“

Daher gibt es keine einzige auch nur annähernd an die berüchtigte Fünf-Prozent-Hürde heranreichende Partei, welche sich gegen die Umverteilungsideologie des Sozialstaates positioniert.

Somit wuchsen die Sozialleistungen zum mit Abstand größten Haushaltsposten, und wo sie die Möglichkeiten überstiegen, wurden Schulden gemacht. Entsprechend weniger Geld blieb für die eigentlichen Staatsaufgaben übrig, die im Haushalt geradezu zu einer Marginalie geworden sind. In der Zeit des Werteverfalls (dazu gleich mehr) kommt hinzu, dass vielen Bürgern, die es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen, die nachlässige Haltung des Staates sehr entgegenkommt.

2. Eine Folge des Werteverfalls: Sympathie für Kriminelle

In den 60er Jahren (in den USA schon etwas früher), kam es zu einem geradezu revolutionären Werteverfall. Alte Tugenden wie Fleiß, Ehrlichkeit, Pflichtbewusstsein und Gesetzestreue wurden verachtet, ein Entzivilisierungsprozess eingeleitet.

Die grundlegende Ursache dafür liegt in der Populärkultur, insbesondere in der durch die Massenmedien flächendeckend verbreiteten aggressiven Musik des Jazz, Rock‘n‘Roll und Beat, die einen egoistischen Hedonismus propagierte, und mit der die junge Generation jener Zeit sozialisiert wurde.

Die bei uns so genannten 68er begannen ihren „Marsch durch die Institutionen“ und gelangten in Schlüsselpositionen von Politik, Justiz, Lehre und Medien. Indem eine aggressive Musikmode die andere ablöste, war die Umerziehung der kommenden Generationen bis auf den heutigen Tag sichergestellt.

Rund um die Uhr verfügbare Fernsehgewalt und entsprechende Videospiele kamen später noch hinzu. Umfragen ergaben, dass sogar der größte Teil der Jurastudenten – der künftigen bzw. heutigen Richter, Rechts- und Staatsanwälte! – bereits einmal eine (nicht unbedingt entdeckte) Straftat begangen hatte: Kriminelle urteilen über Kriminelle!

Man kommt nicht um den Eindruck herum, viele Juristen würden ihren Beruf nicht deshalb ergreifen, um Gerechtigkeit herzustellen, sondern um sie im Gegenteil zu verhindern. Somit braucht man sich über milde Urteile, über zweite, dritte und vierte Chancen für Straftäter nicht zu wundern. Und während Staatsanwälte eine erwiesene Unschuld des Angeklagten normalerweise akzeptieren, versuchen Rechtsanwälte auch bei bewiesener Schuld mit allen möglichen Tricks noch eine möglichst geringe Strafe herauszuschinden.

Wenn sich aber sogar unter Juristen zahlreiche Straftäter befinden, dann dürfte das für Politiker erst recht gelten. Tatsächlich findet sich im Netz eine lange mit Belegen versehene Liste krimineller deutscher Politiker. Kein Wunder also, wenn die Politik niedrige Strafrahmen vorgibt – man könnte ja selbst einmal auf der Anklagebank sitzen!

3. Neue Weltordnung: Destabilisierung als Programm?

Inzwischen kann es nicht mehr als „Verschwörungstheorie“ abgetan werden, dass eine neue Weltordnung geplant ist, die eine Abschaffung der Nationalstaaten und die Errichtung einer Weltregierung (die eine sozialistische Diktatur sein wird) vorsieht.

Um die Mehrheit der Bevölkerung dafür zu gewinnen (man will ja den demokratischen Schein wahren), muss nationalstaatliches und völkisches Denken ausgemerzt werden. Dies geschieht in erster Linie durch Indoktrination in Schule, Universität und öffentlich-rechtlichen Medien.

Gleichzeitig soll der alte „Inzest“ (Wolfgang Schäuble!) durch eine ethnische Durchmischung abgelöst werden, so dass längerfristig die natürlichen Unterschiede zwischen den Menschen geringer werden und eine Einheitsrasse entsteht: intelligent genug, um die ihnen zugewiesene Arbeit zu erledigen, und dumm genug, sich mit ihrem Sklavendasein zufriedenzugeben. Der alte sozialistische Gleichheitstraum des „neuen Menschen“!

Bevor dieses Ziel irgendwann erreicht ist, wird es natürlich nicht ohne ethnische Konflikte abgehen, wie sie in allen Vielvölkerstaaten und nun auch in Deutschland zu beobachten sind. Diese Konflikte destabilisieren die Nationalstaaten ebenso wie die geduldete Kriminalität.

Spätestens beim Ausbrechen eines Bürgerkrieges wird das zu Notstandsgesetzen und einem Eingreifen der geplanten EU-Armee, schließlich zum europäischen Zentralstaat führen (wieder Schäuble: „In einer Zeit der Globalisierung sind Nationalstaaten offensichtlich nicht mehr geeignet, um Probleme zu lösen oder Interessen wirksam zu vertreten“).

Die EU ist somit gleichzeitig Experimentierfeld wie auch Etappenziel für die angestrebte Weltregierung. Die Weigerung der Politik – entgegen ihrer Lippenbekenntnisse – konsequent und wirkungsvoll gegen Kriminalität vorzugehen, könnte also ebenso wie die Zuwanderungspolitik der bewussten Destabilisierung des Landes dienen.

Dafür sprechen auch die Vehemenz, mit der gegen Kritiker der EU und der Massenmigration vorgegangen wird, sowie die irrationalen Argumente, die gegen eine effektive Kriminalitätsbekämpfung vorgebracht werden (s.u.).

3. Wie sieht effektive Kriminalitätsbekämpfung aus?

Man kann zwischen von mir so bezeichneten primären und sekundären Kriminalitätsursachen unterscheiden. Die primären bewirken, dass jemand Kriminalität überhaupt als Handlungsoption akzeptiert (also die „kriminelle Energie“), die sekundären bewirken, dass er sich für diese Option tatsächlich entscheidet.

Die primären Ursachen liegen also im Charakter des Menschen begründet, die sekundären in erster Linie im politischen Bereich, nämlich in unzureichender Prävention, Strafverfolgung und Abschreckung.

Umfragen zeigen, dass sich die kriminelle Energie im Zuge des Werteverfalls mindestens verdoppelt hat; d.h. etwa doppelt so viele Menschen wie früher billigen Straftaten bzw. sind selbst dazu bereit. Die Differenz zur tatsächlichen Steigerung auf mehr als eine Verdreifachung hinge demnach mit der mangelnden Kriminalitätsbekämpfung zusammen.

1. Bekämpfung der primären Ursachen

– Fortpflanzungsverbot für Straftäter: Dies wäre bei der aktuellen Rechtslage wohl kaum durchzusetzen, und eine Zwangsabtreibung bei Zuwiderhandlung wäre ethisch nicht vertretbar; zumal ein Kind von Straftätern zwar mit überdurchschnittlicher Wahrscheinlichkeit, nicht aber mit Sicherheit selbst zum Straftäter wird.

– Eingriff in die DNA: Dazu ist das Wissen, welche Gene zur Ausbildung eines kriminellen Charakters beitragen, noch zu rudimentär; eine Akzeptanz eines solchen Vorgehens ist ebenfalls nicht abzusehen.

– Erziehung: Dies ist derzeit das Mittel der Wahl. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur Eltern und Lehrer die Kinder und Jugendlichen erziehen, sondern auch und vor allem die Medien, mit denen der durchschnittliche Jugendliche mehr Zeit verbringt als in der Schule. Tatsächlich war, wie bereits erwähnt, der allgemeine Werteverfall erst durch die massenhafte Verbreitung aggressiver Musik möglich geworden.

Hier ist aber seitens der Politik und der Pädagogik keinerlei Einsicht vorhanden. Im Gegenteil: In Schulen wird Pop-, Rock- und Rapmusik nicht nur im Unterricht behandelt, sondern sogar aktiv betrieben. In Chemnitz unterstützten Politiker, sogar der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier persönlich, ein linksradikales Konzert, bei dem gewaltverherrlichende Texte gegrölt wurden. Deutlicher als je zuvor setzte die Politik hier aggressive Musik ein, um die Massen auf ihren globalsozialistischen Kurs einzuschwören.

2. Bekämpfung der sekundären Ursachen

Wäre es den Politikern mit der Kriminalitätsbekämpfung ernst, dann würden sie sich auf eine simple Tatsache besinnen: Wer Kriminelle von Straftaten abhalten will, muss logischerweise das Begehen von Straftaten unattraktiv machen; d.h. der potenzielle Straftäter muss zum Schluss kommen, dass Verbrechen sich nicht lohnt. Zu diesem Schluss kommt er dann, wenn das Entdeckungsrisiko (also die Aufklärungsquote) hoch und die zu erwartende Strafe abschreckend genug ist.

– Erhöhung der Aufklärungsquote: Dies erreicht man durch personell und technisch angemessene Ausstattung der Polizei, mehr Befugnisse für die Ermittlungsbeamten (z.B. DNA-Tests nicht nur bei schwersten Delikten) sowie eine möglichst flächendeckende Kameraüberwachung des öffentlichen Raumes.

– Abschreckende und angemessene Strafen: Bewährungsstrafen sind abzuschaffen. Eine Tat ist entweder strafwürdig oder nicht. Abzuschaffen sind auch das Strafmündigkeitsalter und das Jugendstrafrecht. Gerade in einem jungen Alter können Strafen besonders beeindrucken und eventuell eine weitere kriminelle Karriere sozusagen im Keim ersticken. „Lebenslänglich“ muss auch „lebenslänglich“ bedeuten. Die Haftbedingungen müssen unangenehm sein. Nicht zuletzt bewirkt die Haft, dass der Verurteilte – zumindest außerhalb der Gefängnismauern – keine weiteren Straftaten begehen kann. Somit sind lange Haftstrafen auch ein Beitrag zur Prävention. Warum eigentlich gibt man bei der Strafzumessung nicht auch den Opfern eine Stimme?

– Zuwanderung kontrollieren: Die Kriminalstatistik zeigt, dass Zuwanderer aus bestimmten Ländern und Kulturen überdurchschnittlich oft Straftaten begehen. Es muss sichergestellt werden, dass nur solche Menschen ins Land kommen, die sich ausweisen können und strafrechtlich in ihren Heimatländern noch nicht in Erscheinung getreten sind. Ein Bleiberecht darf nur erhalten, wer sich nichts zuschulden kommen lässt und seinen Lebensunterhalt selbst verdient. Die Streichung oder wenigstens drastische Reduktion von Sozialleistungen würde Deutschland für Zuwanderer, die auf Kosten des Steuerzahlers leben wollen, unattraktiv machen. Hier hat allerdings das BVerfG ganz im Sinne der globalsozialistischen Politik einen Riegel vorgeschoben. Ein Urteil, das Richter Gnisa zu Recht für „sehr problematisch“ hält (S. 29).

4. Übliche Einwände

Gegen die eben genannten Maßnahmen werden von vielen Politikern und Juristen Einwände wie die folgenden vorgebracht:

– Kriminalität im Jugendalter ist normal.

Der Anteil krimineller Jugendlicher ist durch den Werteverfall in der Tat so hoch geworden, dass Kriminalität als „normal“ bezeichnet werden kann, wenn das normal ist, was viele Menschen tun. Sollen wir es deshalb hinnehmen? Selbstverständlich gibt es auch Menschen, die ohne Kriminalität durch die Jugendphase kommen, und an denen müsste man sich orientieren. Dies wäre im eigentlichen Sinne als „normal“ zu betrachten: „wie es die Norm sein sollte“.

– Kriminalität im Jugendalter ist eine vorübergehende Erscheinung.

Selbst wenn das zuträfe, so gibt es bekanntlich permanent Menschen im Jugendalter, und folglich permanent eine hochgradig kriminelle Bevölkerungsgruppe. Die Erscheinung ist also gesamtgesellschaftlich gesehen dauerhaft und keineswegs „vorübergehend“.

Tatsächlich aber verlagert sich die Kriminalität mit zunehmendem Alter lediglich auf Delikte mit geringerem Entdeckungsrisiko wie beispielsweise Steuerhinterziehung und Sozialbetrug. Manfred Laucht verweist auf wissenschaftliche Erkenntnisse, „denen zufolge aggressive und dissoziale Verhaltensmuster von Kindern nicht nur eine hohe Tendenz zur Chronifizierung besitzen, sondern auch eine ausgeprägte Therapieresistenz und eine ungünstige Prognose für vielfältige Formen der Fehlanpassung (von Delinquenz bis Drogenabhängigkeit) im Erwachsenenalter aufweisen – und dies in besonderem Maße, wenn es sich um so genannte ‘early starters’ handelt, um Kinder also mit einem frühen Beginn derartiger Verhaltensmuster” (S. 47).

Ian Robertson stellt fest: „Aggression, sobald sie einmal im Gehirn verankert ist, ist fast so stabil wie Intelligenz” (S. 302). Sogar der Kriminologe und ehemalige Justizminister in Niedersachsen Christian Pfeiffer, der in den letzten Jahren eher durch verharmlosende Stellungnahmen auffiel, hatte das erkannt: „Kinder- und Jugendkriminalität kann nicht länger als Ausdruck einer vorübergehenden Krise des Heranwachsens interpretiert werden” (zit. n. Gerster/Nürnberger, S. 105).

– Wer im Affekt handelt, unter Drogen- oder Alkoholeinfluss steht, der macht sich keine Gedanken über zu erwartende Strafen.

Dies ist nur ein Teil der Straftäter; auf Diebe und Betrüger trifft das in der Regel nicht zu. Doch auch bei Taten im Affekt oder unter Alkoholeinfluss „denkt“ das Gehirn unbewusst mit: Der Impuls zur Tat wird mit um so größerer Wahrscheinlichkeit umgesetzt, je geringer die zu erwartenden Folgen sind.

– Wer zu Haftstrafen verurteilt wird, wird eher rückfällig.

Dieser Einwand hat einen entscheidenden Denkfehler: Um zu den vier Prozent (s.o.) der Straftäter zu gehören, die in Deutschland zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt werden, muss man entweder ein notorischer Wiederholungstäter sein oder ein besonders schweres Verbrechen begangen haben. Dass diese „Elite“ besonders häufig rückfällig wird, hat also nicht direkt mit der Höhe der Strafe zu tun, sondern mit der außerordentlichen kriminellen Energie, die diese Personen schon vor der Verurteilung besaßen.

– Im Gefängnis wird man durch den Kontakt zu anderen Straftätern erst recht kriminell.

Dies ließe sich durch Einzelzellen, in denen auch die Mahlzeiten eingenommen werden, leicht unterbinden. Es würde auch verhindern, dass sich Insassen gegenseitig angreifen.

– Wir brauchen Resozialisierung statt Strafe.

Wie bereits dargestellt, ist der Charakter eines Menschen spätestens am Ende der Pubertät verfestigt und in der Regel nicht mehr veränderbar. Resozialisierung kann also nur in Ausnahmefällen funktionieren Eines der häufigsten Wörter in Presseberichten über Straftaten ist „polizeibekannt“. Die Fälle vermeidbarer Verbrechen, die im Rahmen eines Freigangs oder einer Bewährung begangen wurden, sind Legion.

Davon abgesehen schließen angemessene Haftstrafen Resozialisierungsbemühungen etwa durch Arbeit, Therapie und Entzug von Gewaltmedien nicht aus. Eine Resozialisierung ist in Haft sogar weit eher möglich als in Freiheit, wo sich der Verbrecher, vielleicht abgesehen von einem wöchentlichen Termin beim Bewährungshelfer, der Kontrolle vollständig entziehen kann.

– Im Strafrecht darf es nicht um Rache gehen.

Dann nennen wir es Sühne. Das Bedürfnis, durch Sühne eine „ausgleichende Gerechtigkeit“ zu schaffen, ist ebenso natürlich wie das Bedürfnis nach Bewahrung von Eigentum, Gesundheit und Leben: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, „Wie du mir, so ich dir“.

Wenn der Staat das Gewaltmonopol beansprucht, also persönliche Rache und Selbstjustiz verbietet, dann muss er seinerseits eine Strafe garantieren, die das Opfer als ausreichende Sühne für den erlittenen Schaden und das erlittene Leid empfindet. Tatsächlich hat sogar das Bundesverfassungsgericht die Sühne als einen Zweck des Strafrechts definiert: „Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung des Täters, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht werden als Aspekte einer angemessenen Strafsanktion bezeichnet“.

5. Zusammenfassung: Plädoyer für eine ganz neue Kultur der Vernunft

Viele werden dieser Analyse widersprechen. Es sei ja alles gesetzlich geregelt: Strafmündigkeit, Jugendstrafrecht, Strafrahmen, Verjährungsfristen, Immunität von Abgeordneten, das Kritikverbot an der offiziellen Darstellung deutscher Geschichte, die Wahl der Bundesverfassungsrichter, das Weisungsrecht der Politik, der große Entscheidungsspielraum der Justiz, die (übermäßigen) Einschränkungen der Polizeiarbeit … Also sei es auch ein Rechtsstaat.

Diese Argumentation würde den Begriff und die damit verbundenen positiven Konnotationen allerdings ad absurdum führen, denn in diesem Sinne wäre fast jeder Staat der Erde als Rechtsstaat zu bezeichnen, auch wenn Frauen gesteinigt und Regierungskritiker eingesperrt werden – es ist ja gesetzlich so geregelt!

Doch selbst wenn man dieser Auffassung folgen wollte, so bleiben noch immer die geduldeten und ungesühnten Rechtsbrüche in der EU-Finanzpolitik und im Ausländerrecht, das Versagen in der Strafverfolgung und der mangelnde Schutz der Bürger. Mit den Worten von Gnisa:

„Der Staat hat aufgehört, sich durchsetzen zu wollen […] Das Recht zieht sich auf vielen Ebenen zurück: aus der Fläche Deutschlands, aber auch aus einzelnen juristischen Fachgebieten. Aus der kleinen und mittleren Kriminalität und erst recht auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit.“ (S. 184)

Wenn man all die Mängel zusammennimmt, wenn man bedenkt, dass nur ein winziger Prozentsatz der Verbrecher einer Haftstrafe zugeführt wird, dass das Recht in weiten Bereichen nicht durchgesetzt wird, dass Politiker ungestraft das Recht brechen können, dann muss man sogar zum Schluss kommen, dass uns nur noch wenig von der Anarchie trennt.

Was wir „Rechtsstaat“ nennen, ist nur noch abblätternder Putz auf den Mauern eines Willkürsystems. Das ist politisch gewollt, denn prinzipiell ist klar, was zu tun wäre, um das zu ändern. Politiker, die Kriminalität kritisieren ohne konsequent dagegen vorzugehen, sind Heuchler, die andere Interessen verfolgen als sie vorgeben.

Eine Änderung ist nur zu erwarten, wenn eine geistig-kulturelle Wende gelingt; gewissermaßen eine Bewegung ähnlich den „68ern“, mit einem vergleichbaren „Marsch durch die Institutionen“, doch bei weitgehend umgekehrter Zielsetzung.

Das soll kein Plädoyer für eine Rückabwicklung der wenigen positiven Errungenschaften der letzten Jahrzehnte sein, wie etwa der Gleichberechtigung der Frau, sondern für eine Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit – und darüber hinaus für eine vielleicht ganz neue Kultur der Vernunft, der Freiheit und der Gerechtigkeit.

Quellen

  • Gerster, Petra u. Nürnberger, Christian: Der Erziehungsnotstand. Wie wir die Zukunft unserer Kinder retten, Berlin 2001.
  • Gnisa, Jens: Das Ende der Gerechtigkeit, Freiburg u.a. 2017
  • Laucht, Manfred: „Aggressives und dissoziales Verhalten in der Prä-Adoleszenz: Entstehungsbedingungen und Vorläufer in der frühen Kindheit“; in: Lehmkuhl, Ulrike (Hg.): Aggressives Verhalten bei Kindern und Jugendlichen. Ursachen, Prävention, Behandlung, Göttingen 2003, S. 47-56.
  • Miehling, Klaus: Gewaltmusik – Musikgewalt. Populäre Musik und die Folgen, Würzburg 2006.
  • Robertson, Ian: Das Universum in uns. Wie wir das ungenutzte Potential des Gehirns ausschöpfen können, München u. Zürich 2001 (orig.: Mind Sculpture – Your Brain’s Untapped Potential, London 1999).
  • Spiess, Gerhard: „Das Jugendstrafrecht und die ambulanten Maßnahmen: Vielfalt der Möglichkeiten – Einfalt der Praxis?“, in: Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V. (Hg.): Jugend ohne Rettungsschirm: Herausforderungen annehmen!, Dokumentation des 29. Deutschen
  • Jugendgerichtstages vom 14. – 17. September 2013 in Nürnberg, Mönchengladbach 2015, S. 421-445.

 

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