Regierungsparteien wollen Ausländerwahlrecht einführen

Geht es nach den Berliner Regierungsparteien, dann sollen alle Berliner unabhängig von der deutschen Staatsangehörigkeit, wählen dürfen – sofern sie fünf Jahre in der Hauptstadt leben. Über den Bundesrat soll das Vorhaben auch über Berlin hinaus ausgedehnt werden.
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Menschen in Berlin an der Spree nahe dem Berliner Dom.Foto: iStock
Von 16. Januar 2023

Die Berliner Regierungsparteien SPD, Linke und Grüne streben gegen den Widerstand der Oppositionsparteien AfD, FDP und CDU und trotz eines negativen Gutachtens des wissenschaftlichen Dienstes des Berliner Abgeordnetenhauses eine Wahlrechtsänderung für Ausländer auf Landes- und Kommunalebene an. Dafür will man notfalls das Grundgesetz ändern.

Der entsprechende Antrag sieht vor, dass EU-Bürger im Land Berlin neben dem bestehenden Wahlrecht auf kommunaler Ebene das Wahlrecht auf Landesebene erhalten. Das soll auch für Drittstaatsangehörige gelten, die seit mindestens fünf Jahren ihren ständigen Wohnsitz im Bundesgebiet haben.

Zudem soll der Berliner Senat eine entsprechende Initiative zur Änderung des Artikels 28 Abs. 1 des Grundgesetzes in den Bundesrat einbringen. Damit soll die zuvor genannte Wahlrechtsänderung auch über das Land Berlin hinaus ausgeweitet werden.

Mit ihrer Stimmenmehrheit im Parlament und den Ausschüssen haben die Regierungsfraktionen den Antrag trotz der Gegenstimmen der Opposition durchbringen können. Eine abschließende Abstimmung im Plenum steht noch aus.

Linken-Politikerin: Karlsruher Entscheidung nicht mehr zeitgemäß

Elif Eralp (Die Linke) begründete im Berliner Abgeordnetenhaus den Antrag damit, dass knapp 10 Millionen Menschen, also 14 Prozent der Bevölkerung, derzeit mangels deutschen Passes von Wahlen ausgeschlossen sind. Sie könnten dann „endlich überall in Deutschland dieses urdemokratische Recht“ wahrnehmen.

In Berlin sei jeder fünfte Berliner aufgrund der fehlenden deutschen Staatsangehörigkeit von Wahlen ausgeschlossen. Daher hätten sie beispielsweise beim Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ nicht mit abstimmen können, „obwohl sie genauso von zu hohen Mieten und Verdrängung betroffen sind“.

„Ich kenne die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1990, die besagt, das Wahlrecht stünde nur deutschen Staatsangehörigen zu“, erklärt die Wahlberlinerin mit türkischen Wurzeln. Doch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei nicht mehr zeitgemäß. Der Volksbegriff des Grundgesetzes müsse daher heute anders ausgelegt werden als damals und die gesamte Bevölkerung umfassen.

Sie geht davon aus, dass man möglicherweise auch ohne Grundgesetzänderung durch Änderung der Berliner Verfassung und der Wahlgesetze eine Ausweitung vornehmen könne. „Ich freue mich, dass wir heute mit diesem Koalitionsantrag verdeutlichen können, wofür Rot-Grün-Rot steht, für ein offenes, ein solidarisches Berlin.“

Im Rechtsausschuss fügte sie am Mittwoch hinzu: Man habe gesehen, dass diese demokratische Lücke und Diskriminierung auch nicht allein durch mehr Einbürgerung beseitigt werden könne. „Das ist natürlich ein Ziel der Koalition, weswegen wir das Landeseinbürgerungszentrum auch einrichten.“ Das allein löse das Problem nicht. „Wir denken, dass jeder Mensch, der hier lebt, auch hier mitentscheiden können soll, unabhängig davon, welchen Pass er hat.“

CDU-Politiker: „Wahlrecht, Kernstück unserer Demokratie“

Björn Wohlert (CDU) erklärt, man habe eine gemeinsame Verantwortung, mehr Menschen mit Migrationshintergrund aktiv zu beteiligen und zu ermuntern, „sich in unserer Gesellschaft zu engagieren“.

Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass Berlin Clankriminelle, ausreisepflichtige und über Jahre geduldete Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit kenne. „Ihnen dürfen wir das Tor zu unserem Wahlrecht, dem Kernstück unserer Demokratie, keinen Spalt öffnen.“

Nach acht Jahren auf Dauer angelegten Aufenthalts in Deutschland könnten Menschen, die sich in die Gesellschaft vollumfänglich integriert haben, die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. „Sie überzeugen uns mit ihren erworbenen deutschen Sprachkenntnissen, und sie legen ein klares Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes ab.“

Vallendar: Forderung verfassungswidrig, vielleicht sogar verfassungsfeindlich

Marc Vallendar (AfD), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion, sieht in dem Antrag von Rot-Rot-Grün einen direkten Angriff auf die Volkssouveränität und das Grundgesetz.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte 1990 die Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts in Schleswig-Holstein und Hamburg für verfassungswidrig. Im Leitsatz des Urteils stellte das Bundesverfassungsgericht damals klar: „Das Staatsvolk, von dem die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, wird nach dem Grundgesetz von den Deutschen, also den deutschen Staatsangehörigen … gebildet.“ Trotzdem werde neuerdings versucht, diesen Grundsatz weiter aufzuweichen, nun auch mit einer Verfassungsänderung.

„Ihre Forderung ist im besten Fall verfassungswidrig und im schlimmsten Fall sogar verfassungsfeindlich.“ Dabei würde so getan, als sei das fehlende Wahlrecht für Ausländer ein schreiendes Unrecht innerhalb der demokratischen Legitimation.

Es handele sich dabei um den völkerrechtlichen Normalfall in der gesamten Welt. Mit Ausnahme einiger weniger Länder wie Chile gebe es nirgendwo auf der Welt das Wahlrecht für Drittstaatsangehörige.

AfD-Politiker: „Forderung bedeutet Abschaffung und Entmündigung des deutschen Staatsvolkes“

Die jetzige Forderung sei nichts anderes als die Abschaffung und die Entmündigung des deutschen Staatsvolkes – nach dem Motto: „Deutschland finde ich zum Kotzen. Daher hole ich Menschen aus fremden Ländern ins Land, bezahle ihnen Leben und Unterkunft mit Geldern der deutschen Steuerzahler. Und ich erkaufe mir dann ihre Stimme bei den kommenden Wahlen, wenn die Gefahr besteht, dass die schon länger hier Lebenden meinen Machenschaften auf demokratischem Wege ein Ende bereiten wollen.“

Und er ergänzt: „Folgt mir das Volk nicht, mache ich mein eigenes Volk, ganz nach dem Ausspruch von Frau Baerbock: Es ist mir egal, was meine deutschen Wähler denken.“ Sie folgen dem Ruf der kommunistisch-marxistischen Lehre, wonach der Nationalstaat und die Volkssouveränität und damit auch die Demokratie als solche als großes Übel zu überwinden sind.

Am Mittwoch ging Vallendar im Rechtsausschuss erneut auf die Entscheidung von Karlsruhe im Jahr 1990 zur Änderung des Wahlrechts ein: Karlsruhe hätte damals erklärt, dass sich der Begriff des Volkes weder durch die ethnische Zugehörigkeit definiert noch durch den Kreis der durch die Entscheidung der Staatsgewalt betroffenen Personen.

Die Richter machten auch klar, dass auch die Zunahme des Anteils der Ausländer an der Gesamtbevölkerung nicht zu einem Bedeutungswandel des Begriffs „des Volkes“ geführt habe, der es erlauben würde, allen der staatlichen Herrschaft Unterworfenen die gleichen demokratischen Rechte einzuräumen.

„Wenn sie auf der einen Seite das Ausländerwahlrecht fordern“, so Vallendar in Richtung Regierungsparteien, „fordern sie gleichzeitig auch für die deutschen Staatsbürger die Beschneidung ihres eigenen Wahlgewichts und ihres eigenen Stimmgewichts“. Er ist sich sicher: „Das Bundesverfassungsgericht wird genauso wie beim Mietendeckel entscheiden und wird Ihnen das Ding um die Ohren hauen.“

Grünen-Politiker: „Politische Teilhabe erhöht die Akzeptanz politischer Institutionen“

Für Jian Omar (Grüne) ist das Ziel des Antrages politische Teilhabe für alle Berliner – mit oder ohne deutschen Pass. Denn politische Teilhabe sei ein wichtiger Teil gesellschaftlicher Verwurzelung, erklärt der Grünen-Politiker. „Eine breite politische Teilhabe erhöht zudem die Akzeptanz politischer Institutionen und ihrer Entscheidungen“, so Omar.

Björn Matthias Jotzo (FDP), parlamentarischer Geschäftsführer und Innenausschussmitglied, führt aus, dass Karlsruhe den Begriff „das Volk“ als das deutsche Volk auslegt. „Gegenbeispiele, die eine Deutung des Wortes ‚Volk‘ im Sinne von Bevölkerung nahelegen, gibt es nicht.“

Daher spreche aktuell vieles dafür, dass die Ewigkeitsklausel nach Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes einer Grundgesetzänderung tatsächlich im Wege stehen könnte. „In der Berliner Landesverfassung wird im Gegensatz zum Grundgesetz sogar ganz explizit immer von ‚den Deutschen‘ gesprochen.“

Das alles könne aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, so der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. „Der Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit muss und soll vereinfacht werden.“ Jotzo appelliert dafür, dass eine Einbürgerung nach fünf Jahren schon möglich sein soll. „Bei besonderen Integrationsleistungen sollte dies sogar schon nach drei Jahren möglich sein.“ Aber da sei man heute noch nicht. „Der von Ihnen vorgelegte Antrag geht viel zu weit.“



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