Roland Tichy: „Bestätigungsjournalismus ersetzt regierungskritische Berichterstattung“

Der Journalist und Publizist Roland Tichy entdeckt im deutschen Journalismus immer häufiger Autoren, die einen Haltungsjournalismus statt faktenbasierten Journalismus praktizieren. So würden regierungskritische Berichte immer mehr durch einen sogenannten Bestätigungsjournalismus ersetzt, der jede Debatte und Kritik schon im Keim versuche zu ersticken.
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Der traditionelle faktenbasierte Journalismus wurde abgelöst durch einen Bestätigungsjournalismus, erklärt Roland Tichy in seinem Artikel.Foto: iStock
Epoch Times16. August 2018

Bevor der sogenannte Haltungs- und Bestätigungsjournalismus näher unter die Lupe genommen wird, geht es zunächst um ein Umfrageergebnis zu der Fragestellung  „Sind die Deutschen der Meinung, dass Probleme mit der Zuwanderung nach Deutschland von einigen politischen Akteuren und Medien hochgespielt werden.“ INSA-Markttrend, ein privates Markt- und Sozialforschungsinstitut mit Sitz in Erfurt, ging dieser Frage nach. Dazu führte sie eine repräsentative Onlinebefragung mit 2.000 Teilnehmern durch.

Das Ergebnis: 40 Prozent stimmten dem nicht zu. 39 Prozent hingegen sind der Meinung, dass dies stimmt. Während bei den männlichen Befragten 44 Prozent zustimmten, ist nur gut ein Drittel der Frauen der Meinung, dass dies zutrifft (35 %). Somit ist unter den Frauen (41 Prozent) der Anteil der der Aussage nicht zustimmt höher als bei den Männern (38 Prozent).

Auch auf das Alter bezogen zeigt sich ein differenziertes Bild. So stimmten die altersmäßigen „Randgruppen“ also die Jungen und die Alten häufiger zu, dass es so sei.

Nach West – Ost Unterteilung zeigen sich enorme Unterschiede. Im Osten stimmten deutlich weniger Befragte der Aussage zur Zuwanderung zu (45 Prozent). Während im Westen nur 38 Prozent der Aussage nicht zustimmten. Zugestimmt hatten im Osten 34 Prozent, 41 Prozent im Westen.

Auf das Wahlverhalten bezogen traten die größten Unterschiede bei den Befragten auf. Während 68 Prozent der Grün-Wähler zustimmten, dass die Medien das Problem mit den Zuwanderern hochspielen, waren es bei den AfD-Wählern gerade mal 15 Prozent. Dagegen sahen 76 Prozent der AfD-Wähler dies nicht so. Bei den Grün-Wählern sahen dies 20 Prozent nicht so.

Dazwischen lagen die SPD- und die CDU/CSU-Wähler, die gleichermaßen zu 56 Prozent zustimmten, dann die Linken-Wähler mit 52  Prozent und schließlich mit 41 Prozent die FDP-Wähler. Neben den AfD-Wählern überwog nur bei den FDP-Wählern der Anteil, der nicht der Aussage zustimmte.

Was sagt das Umfrageergebnis nun tatsächlich aus?

So das Umfrageergebnis – doch lässt sich davon etwas ableiten? Roland Tichy, Journalist und Publizist, sieht darin eine wachsende Abkehr der Leser vom bevormundenden Journalismus, einer Art Haltungsjournalismus, vielleicht vergleichbar mit einem Gesinnungsjournalismus, der den traditionellen faktenbasierten Journalismus abgelöst hat. Dabei ersetze die „politische Überzeugung die Recherche“. Die Anhänger dieser Strömung würden dabei so weit gehen, dass sie faktenorientierten Journalismus als „Neutralitätswahn“ abwerten, schreibt Tichy in seinem Artikel.

So etwas kenne man aus Diktaturen ob zu NS-Zeiten als auch zu DDR-Zeiten und anderen dem Kommunismus zugewandten Regimen. Die Medien als belehrendes, eigentlich manipulierendes Instrument der Regierung, womit sie ihre Wahrheit der Volksmasse eintrichtern will. In der BRD, so der Artikel, äußerte sich das lange Zeit deutlich abgemildert in einer generellen, aber nicht ausschließlichen Linkslastigkeit des Journalismus.

Bestätigungsjournalismus ersetzt regierungskritische Berichte

Als Beispiel führt Tichy den Umgang mit Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link und seinen Äußerungen an. Link wies auf offenkundig unberechtigte Kindergeldzahlungen nach Osteuropa hin. Daraufhin soll ihn ein Kritiksturm getroffen haben, statt dass dieser Zustand Kritik fand. Es würde eben die Haltung kritisiert nicht der Sachverhalt.

Mit welcher Absicht oder Haltung Link darauf hinwies, wer kann das schon sagen? Und selbst, wenn der Ausgangspunkt ethisch, moralisch verwerflich ist – die Tatsache bleibt. Mit einer misstrauischen Haltung oder einer Unterstellung vorab, dass eine böse Absicht dahinter stecke, lässt sich leicht von einer Tatsache ablenken und wird jede Debatte darüber schon im Keim erstickt.

Dabei wird die Reaktion der Süddeutsche Zeitung auf Links Äußerung zitiert: Nur aus bösartigem „Sozialneid” würden Menschen „diskreditiert, die hier in der Pflege, auf dem Bau oder saisonal als Erntehelfer arbeiten. Sie tun das meist für wenig Lohn und müssen außerdem noch ohne ihre Kinder leben. Wie traurig.“

Der Journalist Claudio Casula zeigt den Wandel in einem Tweet auf: „Früher deckten die Medien Skandale auf und die Politik wiegelte ab. Heute beklagen Lokalpolitiker massenhaften Kindergeldabgriff und die Medien reden den Skandal klein.“

Generell gelte dies nicht nur für kritische Äußerungen von Menschen des öffentlichen Interesses, sondern generell für regierungskritische Berichte, sie hätten häufig einem neuen Bestätigungsjournalismus Platz gemacht. „Doch woran liegt es, dass Journalisten sich als Regierungssprecher verstehen und Fakten zu Gunsten einer ominösen „Haltung“ unterschlagen?“, fragt der Autor und gibt zwei Erklärungsansätze wieder.

Die Flüchtlingsfrage – moralisch überhöht und tabuisiert

Der eine stammt vom Medienwissen­schaftler Mathias Kepplinger. In einem Interview mit der Tagespost sagte dieser: „Mit der deutschen Einheit zerbrach die Idee des demokratischen Sozialismus, der die linke Mehrheit der Journalisten an­hing. Das war eine schwere und lange nachwirkende Niederlage. Die Migran­tenkrise bot die Chance, die linke Mei­nungshoheit wiederherzustellen und zugleich die alte Forderung nach einer multikulturellen Gesellschaft durchzu­setzen. Die Flüchtlingsfrage wurde des­wegen moralisch überhöht und tabui­siert. Diese Position wird seitdem mit Zähnen und Klauen verteidigt.“

Der andere Erklärungsansatz bezieht sich „auf das wohlige Schuldgefühl eines linken Bürgertums“. Nach Historiker Ronald G. Asch entwickelte die Linke eine Identitätspolitik anstelle der bisherigen Klassenkampftheorie, die seither auch von vielen Journalisten propagiert wird. „Es ist die Vorstellung, dass die Gesellschaft aus Opfergruppen und aus Tätern besteht. Täter sind, ein wenig überspitzt for­muliert, vor allem weiße heterosexuelle Männer, Opfer fast alle anderen, also Frauen, ethnische Minderheiten, Homo­sexuelle oder Personen, die sich selbst einem dritten Geschlecht zuordnen. Aufgabe der Täter ist es, sich schuldig zu bekennen und rituell Buße zu tun, oder aber, noch wichtiger und erfreu­licher, noch nicht bußfertige Täter zu ermahnen und permanent zu belehren, während die Opfer Fürsorge verdienen und ein Anrecht auf Vorzugsbehand­lung haben.“

So werden laut Tichy „Wahrheiten gemacht, statt über sie zu schreiben“, wobei die Umfrage nun zeige, „dass die Leser diese Form der Bevormundung zunehmend merken – und ablehnen“. (er)



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