Situation für Journalisten in der EU weiterhin „besorgniserregend“

Angriffe auf die Pressefreiheit zeugen nach Ansicht des Medienbündnisses MFRR von einer Verschlechterung der Lage. Deutschland schaffte es 2022 nur noch auf den drittletzten Platz aller untersuchten Länder.
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Auch 2022 gab es wieder zahlreiche Attacken auf Journalisten und ihre Ausrüstung.Foto: iStocks/Liudmila Chernetska
Von 23. Februar 2023

Um die Pressefreiheit in Deutschland ist es weiterhin nicht gut bestellt. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine Studie des „Media Freedom Rapid Response“ (MFRR). Die aktuelle Analyse verzeichnet im vergangenen Jahr 87 Verstöße gegen die Medienfreiheit. Dabei sollen 143 Personen Ziel von körperlichen und verbalen Attacken gewesen sein. Damit steht Deutschland auf dem drittletzten Platz der untersuchten Länder. Schlechter schnitten nur noch die Türkei und die Ukraine ab.

Zwar sei die Zahl der Angriffe auf Journalisten niedriger als 2021, doch bleibe sie „besorgniserregend“. Die Vorkommnisse bestätigten einen Trend zur Verschlechterung der Pressefreiheit. Insbesondere gelte dies im Zusammenhang mit den Berichterstattungen über Demonstrationen. Laut der Studie war dies auch schon 2021 der Fall.

Demos gegen Corona-Maßnahmen prägten das Bild

Die Demonstrationen gegen die COVID-19-Maßnahmen prägten 2022 zum dritten Mal in Folge das Bild des Landes. Hinzu kamen zunehmend Montagsproteste gegen die Teuerungskrise. „Sie sind ein wichtiger Faktor, wenn es um Schikanen und Übergriffe auf Journalisten und Medienschaffende geht“, heißt es im Resümee der Studie.

69 Prozent aller Angriffe auf Journalisten fanden demnach während der letztgenannten Proteste statt. Am häufigsten kam es zu verbalen Beschimpfungen (32 Prozent). Dahinter landeten körperliche Attacken (30 Prozent) und Angriffe auf die Ausrüstungen der Journalisten (19 Prozent). Privatpersonen waren überwiegend das Ziel von Angriffen während der Demonstrationen (47 von 60 Attacken, 78 Prozent). Aggressive Ausfälle gegen Polizeibeamte gab es in neun Fällen (15 Prozent).

Insgesamt 813 registrierte Fälle

Der Monitoring-Bericht sammelt und analysiert alle Verletzungen der Medienfreiheit, die auf „Mapping Media Freedom“ im Laufe des Jahres 2022 verzeichnet wurden. Demnach kam es im vergangenen Jahr in den EU-Mitgliedstaaten und Kandidatenländern (zum Beispiel Türkei und Ukraine) zu 813 Verletzungen der Medienfreiheit, an denen 1.339 Einzelpersonen oder Medien beteiligt waren. Dies entspricht laut Studie einem Anstieg von 654 Fällen gegenüber 2021. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Ukraine und die Republik Moldau in der vorhergehenden Analyse noch keine Berücksichtigung gefunden hatten.

Mit 42,4 Prozent stehen verbale Attacken (Drohungen, Beleidigungen) gegen Journalisten in den EU-Mitgliedstaaten an der Spitze der Meldungen. Nach rechtlichen Vorfällen (27,2 Prozent) folgten körperliche Angriffe (20,5 Prozent) auf Rang drei. Das Eigentum der Journalisten war in 16,7 Prozent der gemeldeten Fälle Ziel von Angriffen. Die Zensurvorfälle stiegen gegenüber 2021 um fast sechs Prozent – von 8,6 auf 14,5 Prozent.

Hackerangriffe und Morddrohungen

Haupttäter waren in 37,8 Prozent der Fälle Privatpersonen – das sind allerdings 50 Prozent weniger als noch 2021. Regierung und Beamte waren die zweithäufigste Quelle von Angriffen (17,1 Prozent). Im Jahr zuvor war diese Gruppe noch für 12,3 Prozent der Fälle verantwortlich. Polizei und Staatssicherheit folgen auf Rang drei mit 11,3 Prozent (2021: 18,5 Prozent).

Der Bericht befasst sich auch mit einer anderen Bedrohung, der Journalisten zunehmend ausgesetzt sind: Angriffe aus dem Internet. Im vergangenen Jahr waren Reporter zunehmend Attacken im digitalen Bereich ausgesetzt. Dazu gehört das Hacken ihrer Telefone oder Todesdrohungen gegen sie oder Familienangehörige. Der Anteil an den Meldungen stieg von 14,1 auf 20,7 Prozent im vergangenen Jahr.

Neun tote Journalisten in der Ukraine

Der Monitoring-Bericht befasst sich auch mit der Situation in den EU-Kandidatenländern, in denen die MFRR die schwersten Verletzungen der Medienfreiheit registrierte. So waren insgesamt zehn tote Journalisten zu beklagen – neun davon kamen als Kriegsberichterstatter in der Ukraine ums Leben. In der Türkei wurde Güngör Aslan, der Chefredakteur der Zeitung „Ses Kocaeli“, ermordet.

Das MFRR wies auch auf die zunehmenden Herausforderungen und Schwierigkeiten für Journalisten hin, die über Umweltthemen wie etwa Klimaproteste berichten. Dabei reicht das Spektrum von der Verhaftung durch die Polizei bei der Berichterstattung über Demonstrationen bis hin zu körperlichen Übergriffen bei dem Versuch, über die Umweltpolitik von Privatunternehmen zu berichten.

Europa im Vergleich noch relativ sicher

Dem Bericht zufolge gilt Europa insgesamt aber weiterhin als einer der sichersten Teile der Welt, um als Journalist tätig zu sein. Der Rechtsrahmen für freien und unabhängigen Journalismus in den EU-Staaten sei „relativ stark“.

Das MFRR wird nach eigenen Angaben von einem Bündnis unter der Leitung des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit organisiert. Dazu gehören beispielsweise das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) und das Internationale Presseinstitut (IPI).



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