Spahn will das Absaugen von Körperfett zur Kassenleistung machen

Mitglieder aller Parteien warnen vor der Aushebelung der Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Kassen durch das Bundesgesundheitsministerium.
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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn stößt mit seinen Plänen, den Kassen vorschreiben zu wollen, welche Behandlungen sie zahlen müssen, auf wenig Gegenliebe.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times11. Januar 2019

Die gesetzlichen Krankenkassen sollen nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in bestimmten Fällen künftig das Fettabsaugen bezahlen. Dafür soll sein Ministerium die Möglichkeit bekommen, selbst eine Kassenleistung einzuführen. Spahn verwies in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf bis zu drei Millionen Frauen mit krankhaften Fettverteilungsstörungen, die ihre Therapie nicht bezahlt bekommen. Union und SPD im Bundestag stellten sich gegen das Vorhaben.

Spahn verwies auf ein Gerichtsurteil, demzufolge die Betroffenen Frauen die Therapie nicht mehr von der Kasse bezahlt bekämen. „Ihnen wollen wir schnell und unbürokratisch helfen“, sagte der Minister der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Freitag. Es geht um die Behandlung des so genannten „Lipödems“, die die Kassen nicht bezahlen, weil der Nutzen noch nicht hinreichend belegt sei.

Mit einem Ergänzungsantrag zum derzeit im Bundestag beratenen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) will Spahn nun neu regeln, dass künftig in bestimmten Ausnahmefällen sein Ministerium entscheiden kann, welche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden die Kassen bezahlen müssen.

Bisher entscheidet stets die Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Kassen darüber, ob eine medizinisch Leistung von den Kassen übernommen werden muss oder nicht. Dafür gibt es den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als oberstes Beschlussgremium der Selbstverwaltung. Dessen Tätigkeit will Spahn mit seinem jetzigen Vorstoß aber nicht in Zweifel ziehen, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte.

Die Anforderungen für die Entscheidung, eine Behandlung per Rechtsverordnung zur Kassenleistung zu machen, sollen dem Ministerium zufolge sehr hoch sein. Die Verordnung solle zudem zeitlich befristet werden können.

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Georg Nüßlein (CSU) warnte in der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstagsausgabe) vor neuen Milliardenkosten für das Gesundheitswesen. „Derart pauschal eine Zusage für Millionen Fälle zu machen, ist nicht in Ordnung“, sagte der CSU-Politiker. „Es muss sichergestellt werden, dass kosmetische Eingriffe nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft gehen.“ Nüßlein warnte davor, „vorschnelle Erwartungen zu wecken, die dann nicht zu erfüllen sind“.

Auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach lehnte die Idee ab, Behandlungsmethoden ohne medizinischen Nutzen per Rechtsverordnung an der Selbstverwaltung vorbei von den Krankenkassen bezahlen zu lassen. „Es wäre die grundsätzliche Abkehr vom Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung, dass die Selbstverwaltung nach evidenzbasierten Kriterien entscheidet, welche Leistungen erstattet werden.“ Es müsse mehr wissenschaftliche Prüfung der Wirksamkeit von Verfahren geben, nicht weniger.

Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar, erklärte, es wäre „der völlig falsche Weg, künftig per Ministererlass Methoden in die Regelversorgung bringen zu wollen, für die es keine hinreichende medizinische Evidenz gibt“. Die Organe der Selbstverwaltung müssen aber schnellere Entscheidungen treffen.

Politische Beobachter weisen darauf hin, dass unlängst auch die Bildungsministerin in Bereiche eingreifen wollte, die von den Beteiligten, im Rahmen ihrer Tarifautonomie, selbst reguliert werden. Bei ihrem Vorhaben ging es um die Festlegung der Mindestausbildungsvergütung.  Sowohl Arbeitgeber als auch Parteien und Gewerkschaften kritisierten, teils scharf, den Versuch der Ministerin ihre Kompetenzen zu überschreiten.

(afp/al)



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