SPD Berlin: Müller könnte länger bleiben als erwartet – und Chebli bald im Bundestag sitzen
Die Corona-Krise hat auch in Berlins SPD ihre Spuren hinterlassen. Insbesondere ist es ihr nicht gelungen, die eigentlich für das Frühjahr geplante Wachablöse an der Spitze des Landesverbandes und im Amt des Regierenden Bürgermeisters zu vollziehen. Nun soll der Landesparteitag im Oktober stattfinden – und Michael Müller hat eigentlich seinen Rückzug angekündigt.
Dieter Weirich hat in der „Tagespost“ die Lage analysiert und hält nicht nur einen Verbleib Müllers für möglich, sondern auch einen Sitz für die frühere Integrationsstaatssekretärin Sawsan Chebli im Bundestag.
Berlins SPD nur noch auf Platz 4
Müller gilt im Landesverband bereits seit längerem als Achillesferse. Der zunehmend scharf linken Basis und aufstrebenden Funktionsschicht der Berliner SPD gilt er als zu moderat, den Wählern als zu farblos und wenig charismatisch.
Der jüngsten INSA-Umfrage zufolge würde die SPD mit nur noch 16 Prozent hinter CDU, Grüne und Linkspartei auf Platz 4 in der Wählergunst zurückfallen. Im Herbst 2021 wird nicht nur ein neuer Bundestag, sondern auch ein neues Abgeordnetenhaus in der Bundeshauptstadt gewählt.
Zwar gilt die Ablösung Müllers an der Landesspitze durch ein Team aus der früheren Neuköllner Bürgermeisterin und nunmehrigen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und dem Fraktionschef MdA Raed Saleh als ausgemachte Sache. Ob Giffey allerdings wie von der Parteibasis gewünscht auch vor Ende der Legislaturperiode Müller im Amt des Regierenden Bürgermeisters beerben könnte, sei alles andere als sicher.
Die Koalitionspartner von linksaußen sind sich des Beliebtheitsdefizits Müllers durchaus bewusst und wollen auch deshalb alles daran setzen, dass dieser bis zu den Wahlen im Amt bleibt – und nicht Giffey die Möglichkeit gibt, einen Amtsbonus als vermeintlich neuem Besen, der gut kehre, für sich zu nutzen.
Grüne und Linke wollen Giffey keinen Amtsbonus gönnen
Immerhin haben sich im Zuge der Corona-Krise die persönlichen Beliebtheitswerte Müllers auf niedrigem Niveau erholt. Dies könnte seine eigene Lust am Regieren wieder verstärken. Immerhin habe er in Bereichen wie Wissenschaft und Forschung noch das eine oder andere vor, ließ er vor einem Monat die Medien wissen.
Dass es lange Zeit hinter den Kulissen als ausgemachte Sache galt, dass Müller auch nach dem Ende seiner Regierungszeit auf Platz 2 der Landesliste hinter der designierten Spitzenkandidatin Giffey kandidieren würde, sorgt in Teilen der Partei für Unmut. Dass man in den Umfragen hinter beiden Linksaußen-Parteien rangiert, sei ein Indiz dafür, dass man selbst einen weiteren Linksruck vollziehen müssen, ist man dort überzeugt.
Zwar scheidet Eva Högl nun als potenzielle Konkurrenz ambitionierter Berliner SPD-Linker aus, weil sie als Wehrbeauftragte im Bund gebunden ist.
Dennoch gilt es als ausgemachte Sache, dass Juso-Chef Kevin Kühnert seine Chance gekommen sieht und dabei auf Schützenhilfe des Bundes-Führungsduos aus Saskia Esken und Walter Borjans zählt. Um sich in die Breite abzusichern, attestiert er auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz einen „tollen Job in Corona-Zeiten“.
Chebli: Über Twitter hohen Bekanntheitsgrad aufgebaut
Unterdessen hält „Tagespost“-Analyst Weirich es auch für möglich, dass mit der Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement und Bevollmächtigten des Landes beim Bund, Sawsan Chebli, ein Mandat im Bundestag anstrebt.
Dass sie in den vergangenen Jahren selten eine Chance verstreichen ließ, um mit einem kontroversen Tweet Aufsehen hervorzurufen, macht sich jetzt schon in Form eines ausreichenden Maßes an Prominenz bezahlt. Dies könnte der in Charlottenburg ansässigen Integrationspolitikerin eines möglichen Bonus im Rennen um ein Bundestagsmandat einbringen.
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