Stadtwerke warnen vor Scheitern der „Wärmewende“ – FDP fordert Habeck zur Nachbesserung auf

Ende März hatte die FDP nach einigen Modifikationen der von Minister Habeck geplanten „Wärmewende“ zugestimmt. Nun zeigen sich neue Ungereimtheiten.
Ein Mitarbeiter der Stadtwerke Kiel führt an den Leitungen des Gasspeichers der Stadtwerke Messungen durch.
Ein Mitarbeiter der Stadtwerke Kiel führt an den Leitungen des Gasspeichers der Stadtwerke Messungen durch. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) warnt vor einem Scheitern der sogenannten Wärmewende aufgrund unrealistischer Vorgaben.Foto: Axel Heimken/dpa
Von 17. April 2023

Am kommenden Mittwoch, 19. April, will die Ampelkoalition die Endfassung des Gesetzesentwurfs zur von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geplante GEG-Novelle beschließen. Im Juni soll der Bundestag das neu gefasste Gebäudeenergiegesetz (GEG) beschließen. Die FDP hatte Ende März nach einigen Modifikationen die sogenannte Wärmewende mitgetragen. Nun weist der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) auf neue Unwägbarkeiten hin – und die Liberalen fordern erneute Nachbesserungen.

„Wärmewende“ bedeutet weitreichende Vorgaben für Versorger

Schon ab dem kommenden Jahr soll ein Einbauverbot für neue Ölheizungen gelten. Bei Beachtung bestimmter Vorgaben sollen Hausbesitzer allerdings noch neue Gasheizungen installieren lassen dürfen. Auf Druck der FDP hat das Habeck-Ministerium diese in seinem Entwurf etwas weniger eng gefasst. So soll bei Verwendung von Ökogas ein größerer Spielraum gelten, sofern der Versorger einen Transformationsplan für eine verbindliche vollständige Umstellung auf Wasserstoff vorlegt.

Der Begriff „Ökogas“ umschreibt alle Formen von Gas, denen eine klimaneutrale Erzeugung zugrunde liegt. Über dessen Zusammensetzung sagt er jedoch noch nichts aus. Anbieter können Emissionszertifikate für die Lieferung von Erdgas erwerben oder Klimaprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützen. Eine andere Option besteht darin, Erdgas teilweise oder sogar vollständig durch Biogas zu ersetzen.

Die sogenannte Wärmewende sieht vor, dass Versorger die bis 2030 die Hälfte des von ihnen gelieferten Gases in neuen Netzen klimaneutral herstellen müssen. Bis 2035 muss die Bespeisung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme erfolgen. Bis Ende 2026 müssen dafür Transformationspläne vorliegen.

VKU bezeichnet Vorlage als unrealistisch und nicht praktikabel

Hausbesitzer dürfen noch sogenannte grüne Gasheizungen einbauen. Voraussetzung ist aber auch hier, dass der Versorger einen Transformationsplan vorlegt. Dieser muss auf eine verbindliche vollständige Versorgung der Kunden mit Wasserstoff bis zum 1. Januar 2035 vorliegen.

Die Versorger müssen alle Transformationspläne mit Investitionsplänen verknüpfen. Diese müssen zwei- bis dreijährliche „Meilensteine“ für die Umsetzung eines Neubaus oder die Umstellung des Gasnetzes auf Wasserstoff beinhalten.

Aus Sicht des VKU ist auch der überarbeitete Entwurf zur „Wärmewende“ weder realistisch noch praktikabel. De facto sorgten die EE-Vorgaben für eine Vorverlegung der Klimaziele für 2045 um zehn Jahre. Darüber hinaus bestünden noch erhebliche Unsicherheiten etwa zur Ausgestaltung der Transformationspläne.

Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet mit jährlich mehr als neun Milliarden Euro, die ein Einbau klimafreundlicherer Heizsysteme die Bürger selbst kosten wird. Über eine Betriebsdauer der Heizungen von 18 Jahren stünden dem Einsparungen in Höhe von elf Milliarden Euro gegenüber – weil Öl und Erdgas noch teurer werden würden.

Starre Vorgaben „kontraproduktiv und bewirken das Gegenteil“

Der VKU würdigt zwar, dass gegenüber dem ursprünglichen Referentenentwurf ein zumindest ansatzweise größeres Maß an Technologieoffenheit vorhanden sei. Immerhin gebe es nun mehr Erfüllungsoptionen für die Vorgaben und Kombinationsmöglichkeiten im Gebäudebestand. Allerdings fehlten unter anderem Möglichkeiten, von dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und Brennstoffzellen Gebrauch zu machen.

Gegenüber der „Bild“ erklärt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing zudem, die fehlende Technologieoffenheit behindere die Versorger bei der Anpassung. Tatsächlich würden nur wenige Versorger ihre Gasnetze für Alternativen wie Wasserstoff öffnen können. Für die Ziele der „Wärmewende“ seien die starren Vorgaben „kontraproduktiv und bewirken das Gegenteil“. Vor allem seien seriöse Transformationspläne innerhalb der eng gesteckten Fristen nicht machbar.

Die etwa 500 kommunalen Versorgungsunternehmen, die der VKU vertrete, unterhielten hauptsächlich Gas- und Fernwärmeheizungen. Die vorgesehenen Entschädigungspflichten würden Gasversorger davon abhalten, ihre Netze weiter für Alternativen zu öffnen. Gleiches gelte für die Fernwärme. Die Finanzrisiken seien einfach zu hoch.

FDP fordert Nachbesserungen an der „Wärmewende“ bis Mittwoch

Liebing weist darauf hin, dass Deutschland bereits jetzt 60 Prozent seines Energiebedarfs importiere. Der Umstieg auf grünen Wasserstoff würde diese Abhängigkeiten weiter verstärken. Effizient ließe sich dieser nur in Ländern mit hoher Sonneneinstrahlung am Tag und starkem Wind in der Nacht erzeugen.

Diese Länder – die sich von Chile über Saudi-Arabien bis hin zu Mauretanien erstrecken – liegen geografisch jedoch weit entfernt. Insbesondere in Afrika fehle es zudem oft an der erforderlichen Infrastruktur für Transport, Verladung und Verschiffung. Nicht wenige der gut schiffbaren Häfen auf dem afrikanischen Kontinent stehen zudem bereits unter Einfluss oder Kontrolle vonseiten der KP Chinas.

Liebing mahnt daher, Partnerschaften mit mindestens zehn bis 15 Lieferländern von Wasserstoff anzustreben – sollte ein Land aus politischen oder technischen Gründen ausfallen.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr fordert Habeck nun auf, sein Gesetz bis Mittwoch erneut nachzubessern. Vor allem solle dabei die Technologieoffenheit eine Erweiterung erfahren. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordert „praktikable Lösungen […], die tatsächlich technologieoffen und sozialverträglich sind“. Inwieweit die FDP tatsächlich bereit ist, das Gesetz notfalls am Mittwoch zu blockieren, bleibt jedoch offen.

(Mit Material von dts)



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