„Stalinistischer Schwulst“: Schuler verlässt „Bild“
Die sogenannten Essentials des Axel-Springer-Verlags (erstmals 1967 formuliert) umschreiben Grundpositionen, auf die jeder dort tätige Journalist inhaltlich verpflichtet wird. Anfangs gehörten Freiheit, Marktwirtschaft und deutsch-jüdische Aussöhnung dazu. In den 2000er-Jahren wurden sie zudem um das Bekenntnis zum transatlantischen Bündnis erweitert.
Stillschweigend ist mittlerweile auch die Parteinahme für die Belange der LGBTQ-Bewegung dazugekommen – davon ist jedenfalls der Leiter der „Bild“-Parlamentsredaktion, Ralf Schuler, überzeugt. Anfang August (6. 8.) kündigte er deshalb an, der Zeitung künftig nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
Schuler will „nicht unter der Regenbogenflagge arbeiten“
Zuerst berichtete „Cicero“ über das Schreiben, das an den Konzernchef der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, und an „Bild“-Chefredakteur Johannes Boie adressiert war und das dem Magazin exklusiv vorlag.
Aus diesem geht hervor, dass vor allem die jüngsten Positionierungen der Leitungsetage hinsichtlich der LGBTQ-Community Schuler dazu motiviert haben, seine Tätigkeit für das Unternehmen einzustellen.
„Ich verteidige jederzeit die Freiheit des Einzelnen“, äußert Schuler in seinem Schreiben wörtlich, „schließe mich aber keinen Kampfgruppen welcher Couleur auch immer an“. Außerdem möchte er „unter der Regenbogen-Fahne genauso wenig arbeiten, wie unter den Flaggen anderer Bewegungen“.
„Bild“-Briefing: „Eisenharter Kampf“ für LGBTQ-Rechte
Schuler nahm auch Anstoß an einer Formulierung, die einer der stellvertretenden „Bild“-Chefredakteure jüngst in einem internen Briefing verwendet haben soll. So habe es dort geheißen, die Redaktion müsse „fest an der Seite der LGBTQ-Community im eisenharten Kampf für Menschenrechte und gegen Diskriminierung“ stehen.
Ralf Schuler bewertete die Formulierung als „stalinistischen Schwulst“. So betonte er, dass er es generell nicht als die Aufgabe eines Journalisten betrachte, einer politischen Bewegung „fest zur Seite“ zu stehen.
Die Regenbogen-Fahne sei „nicht nur ein Zeichen von Toleranz und Empathie, wie wir es gern hätten“, so Schuler. Vielmehr sei sie auch „das Banner einer Bewegung, mit der man sich kritisch auseinandersetzen kann und muss, mit der man sich aber keinesfalls gemein machen darf“. Schuler argwöhnte in diesem Zusammenhang, dass „unternehmensstrategische Erwägungen da zu anderen Schlüssen führen“.
Schuler: Ausladung als Wendepunkt?
Was Schuler mutmaßlich damit andeutet, ist, dass die Vehemenz des Einsatzes der Axel-Springer-Medien für LGBTQ-Anliegen eine klar zuordenbare Ursache haben dürfte: nämlich die ausdrückliche Ausladung des Konzerns von der diesjährigen „queeren“ Jobmesse Sticks & Stones durch die veranstaltende UHLALA Group. Der Verlag hatte die Messe bereits seit 2010 aus eigenen Mitteln unterstützt.
Anlass für die Ausladung war ein kritischer Beitrag von Naturwissenschaftlern und Medizinern in der „Welt“ von Anfang Juni. Diese hatten in ihrem Gastkommentar insbesondere den öffentlich-rechtlichen Sendern „Indoktrination“ und eine „aufdringliche Sexualisierung“ von Kindern vorgeworfen.
Zudem forderten sie eine „Abkehr von der ideologischen Betrachtungsweise zum Thema Transsexualität und eine faktenbasierte Darstellung biologischer Sachverhalte nach dem Stand von Forschung und Wissenschaft“.
Konzernchef mit Rundumschlag gegen eigene Gastautoren
Döpfner meldete sich in Reaktion auf die Ausladung mit einem Kommentar zu Wort, in dem er die Wissenschaftler und ihren Artikel scharf angriff. Er bezeichnete den Beitrag als „unterirdisch“ und „wissenschaftlich […] bestenfalls grob einseitig“.
Der Ton des Artikels sei, so Döpfner, „oberflächlich, herablassend und ressentimentgeladen“. Weiterhin sei er nicht weit entfernt von der „reaktionären“ Haltung, wonach Homosexualität eine Krankheit und Transsexualität eine Einbildung sei.
Der Appell an den Schutz der sittlichen Überzeugungen der Bevölkerung sei „für jeden freien toleranten Geist unangenehm“, so Döpfner weiter. Dies gelte auch „für alle, die sich der LGBTIAQ*-Community zugehörig fühlen“. Für sie sei der Beitrag „eine Verletzung und Zumutung“.
Im gleichen Text bat Döpfner die UHLALA-Gruppe um eine Rücknahme der Ausladung – gleichzeitig forcierte der Verlag seine Bemühungen, spezifische „Queer“-Angebote seiner Medien der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Schuler spricht über eigentlichen Skandal
Schuler kritisierte in seinem Schreiben vom 6. August die bußfertige Reaktion Döpfners auf die Cancel Culture, die von den Veranstaltern der Jobmesse gegen seinen Konzern praktiziert wurde. Er beschrieb den Hintergrund der Entscheidung als den eigentlichen Skandal:
„Es kann auch nicht sein, dass Aktivisten im vorpolitischen Raum – etwa durch Ausladung von Axel Springer von einer Job-Messe – Druck im Sinne ihrer Agenda machen und der Queer-Beauftragte der Bundesregierung öffentlich ‚Hinweise‘ gibt, welchen Wissenschaftlern in der WELT besser kein Forum zu bieten sei. Dass da nicht bei allen Demokraten die Alarmglocken läuten, verwundert mich bis heute.“
Schuler ist nicht der erste Mitarbeiter, der sich mit dieser Ausrichtung nicht mehr identifizieren konnte und deshalb seinen Hut nahm. Auch die Redakteurin und Bestseller-Autorin Judith Sevinç Basad hatte „Bild“ verlassen, nachdem ein Folgebeitrag verhindert wurde. Darin sollte einer der umstrittenen Autoren, der Kinderpsychiater Alexander Korte, erneut zu Wort kommen und einige Missverständnisse klarstellen.
Den von Basad geäußerten Vorwurf der ideologisch bedingten Zensur wies „Bild“-Chef Boie zurück. Der Beitrag sei wegen „handwerklicher Mängel“ nicht erschienen. Dies erscheint für Sevinç Basad wie eine Schutzbehauptung.
Große Berufsunzufriedenheit bei Journalisten – und Ärzten
Einer jüngst veröffentlichten Untersuchung der Otto Brenner Stiftung zufolge denken derzeit fast 60 Prozent der befragten deutschen Journalisten über einen Berufswechsel nach. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht jedoch keine ideologischen Gründe oder Probleme bei der Redefreiheit. Stattdessen seien Arbeitsdruck und Transformation in den Redaktionen ein entscheidender Faktor. Der Verband fordert als Reaktion mehr Schulungen und Beratungen. So solle der digitale Wandel erleichtert werden.
Nicht nur im Journalismus, auch in der Medizin scheint es derzeit weitverbreitete Erscheinungen von Unzufriedenheit zu geben. Einer Studie des „Marburger Bundes“ zufolge denkt jeder vierte Arzt über einen Berufswechsel nach.
Neben Überbelastung und personellen Engpässen beklagen deutsche Ärzte, sich nicht angemessen um die Patienten kümmern zu können. Schuld seien dabei administrative Aufgaben, die ihnen die Zeit stehlen. Von den Befragten erklärten 57 Prozent, mehr als drei Stunden täglich für reine Verwaltungstätigkeiten, also Datenerfassung und Dokumentation, einrechnen zu müssen.
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