Startschuss zur Haushaltsdebatte im Bundestag: Kritik an ausufernden Sondervermögen

Am Dienstag begann im Bundestag die Haushaltsdebatte zum Etatentwurf von Minister Lindner. Dieser betonte, die Schuldenbremse werde erneut eingehalten. Kritiker weisen hingegen auf die Größe der Sondervermögen hin.
Titelbild
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 5. September 2023


Insgesamt vier Tage wird der Bundestag in erster Lesung über den Haushaltsentwurf debattieren, den Bundesfinanzminister Christian Lindner am Dienstag, 5. September, vorgestellt hat. Am Freitag gehen die Vorlagen zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss, am 1. Dezember soll er beschlussreif sein. Zu Beginn der Haushaltsdebatte verteidigte der Minister seinen Entwurf. Er verwies unter anderem darauf, dass dieser allen Herausforderungen zum Trotz bereits zum zweiten Mal in Folge die Schuldenbremse einhalte.

Minister Lindner lobt seinen Etat für Einhaltung der Schuldenbremse

Lindner erklärte, mit dem Entwurf beginne die Rückkehr zu „langfristig tragfähigen Staatsfinanzen“. Es werde deutlich, dass für „neue uferlose Schulden“ kein Raum mehr sei. Der Minister wies darauf hin, dass sich allein die Zinskosten im kommenden Jahr auf 37 Milliarden Euro belaufen würden.

Dies sei „mittlerweile doppelt so hoch wie der Etat der Bildungs- und Forschungsministerin“ und entspreche einer Verzehnfachung gegenüber 2021. Immerhin seien an Ausgaben etwa 30 Milliarden Euro weniger vorgesehen als im laufenden Jahr. Lindners Entwurf für 2024 sieht an solchen insgesamt 445,7 Milliarden Euro vor.

Die Gesamtausgaben lägen etwa um ein Viertel über jenen des Vor-Corona-Jahres 2019. Die geplante Neuverschuldung von 16,6 Milliarden Euro genüge jedoch den Vorgaben des Grundgesetzes. Neben dem Etatentwurf für 2024 geht es in der Haushaltsdebatte auch um die mittelfristige Finanzplanung bis einschließlich 2027.

Mittlerweile keine Rücklagen mehr vorhanden

Anders als im laufenden Jahr kann der Minister hinsichtlich des Haushalts für 2024 nicht mehr auf Rücklagen zur Absicherung der Schuldenbremse zurückgreifen. Die Inflation bleibt zudem hoch, die Zinslast, hohe Tarifabschlüsse und der andauernde Ukraine-Krieg sorgen für zusätzlich steigende Kosten.

Sparen will Lindner unter anderem an den Bundeszuschüssen für die Rentenkassen und die gesetzliche Pflegeversicherung. Bezüglich der Krankenkassen soll der Zuschuss formal stabil bleiben, allerdings sollen Sonderzuschüsse aus den Corona-Jahren wegfallen. Die Einkommensgrenze für die Zahlung von Elterngeld will die Ampel auf 150.000 Euro halbieren.

Die Sparvorgaben des Haushaltsentwurfs treffen jedoch auch Freiwilligendienste, Beratungsstellen für Flüchtlinge, Radwegeprogramme oder das Programm „Demokratie leben“. Aber auch Polizei, Nachrichtendienste und Projekte zur Digitalisierung müssen sich auf Kürzungen im Bereich der Sachmittel gefasst machen.

Sondervermögen: Bundesrechnungshof mahnt zu Abstand von „Mischfinanzierung“

Bereits im Vorfeld der Haushaltsdebatte waren die Sondervermögen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Der Bundesrechnungshof hatte deutliche Kritik an deren Umfang geübt. Er sprach in einem Bericht von „Sonderschulden“ und warf der Koalition vor, Schulden in diesen Konstrukten zu verstecken. Dies lasse die reale Nettokreditaufnahme ansteigen und stelle das Budgetrecht des Parlaments infrage.

Nun hat der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss nachgelegt. Er warnte vor einem „Rechtsbruch“, der im geplanten Umgang der Bundesregierung mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr liegen könnte. Dieses umfasst 100 Milliarden Euro und sollte vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges den Zweck erfüllen, große Rüstungsprojekte zu verwirklichen.

Nun ist jedoch in der Bundesregierung die Rede von einem „flexibleren Einsatz“ der Mittel des Sondervermögens. Im Klartext soll dies bedeuten, dass auch eine Finanzierung laufender Ausgaben aus dem Sondertopf kein Tabu mehr sein dürfe. Der Rechnungshof sieht in einer solchen Zweckentfremdung jedoch dessen ursprüngliche Ziele als „gefährdet“.

Die Rechnungsprüfer mahnen zu einer klaren Trennung zwischen regulärem Verteidigungsetat und Sondervermögen. Das Konzept einer „Mischfinanzierung“ sei rechtlich unzulässig und steigere das Risiko zusätzlicher Belastungen für den Bundeshaushalt.

Rudolph (SPD): Nullwachstum in Deutschland ist „Erfolg“

In der Haushaltsdebatte kritisierte auch Christian Haase (CDU) die Bedeutung und das Volumen der Sondervermögen. Lediglich „Verschiebebahnhöfe“ und Haushaltstricks machten der Ampel das formale Einhalten der Schuldenbremse möglich. „Schuldenaufnahme bleibt jedoch Schuldenaufnahme, egal, wo man diese versteckt“, betonte Haase. Er prognostizierte eine Anheizung der Inflation durch die geplanten Ausgabenprogramme.

Thorsten Rudolph (SPD) hingegen verteidigte die Politik der Ampel. Er sieht im deutschen Nullwachstum einen „Erfolg“ – immerhin hätten andere Länder nicht diese hohe Abhängigkeit von russischem Gas gekannt. Die langfristigen Wachstumschancen Deutschlands seien „intakt“. Die Union pflege „Alarmismus“, indem sie Deutschland als „kranken Mann der Weltwirtschaft“ darstelle.

Vonseiten der AfD kritisierte Karsten Hilse einen „zur Religion erhobenen“ Klimaschutz. In Anlehnung an eine Aussage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck äußerte der Politiker:

Beim Wirtschaftswachstum sind wir nicht Letzter, es ist nur keiner mehr hinter uns.“

Hilse forderte eine Auflösung des „Klima- und Transformationsfonds“, ein Ende der CO₂-Bepreisung und eine Rückkehr zur Kernkraft.

Grüne stellen sich in Haushaltsdebatte hinter den Kurs der Ampel

Für die Grünen verteidigte Andreas Audretsch die Haushaltspolitik der Ampel. „Wir investieren in alle erforderlichen Bereiche“, hieß es von seiner Seite. „Wohlstand, Klimaschutz und gute Jobs“ seien keine Widersprüche. Grüner Stahl, die Errichtung von Produktionsstätten für Batteriezellen oder die Ansiedlung von Intel in Magdeburg würden bestehende Jobs erhalten und neue schaffen.

Christian Görke von der Linkspartei bescheinigte der Ampel hingegen, ein „steuerpolitischer Totalausfall“ zu sein. Sie habe es verabsäumt, Reiche höher zu besteuern und verschenke durch das „Wachstumschancengesetz“ Geld. Die Koalition habe sogar „auf notwendige Einnahmen“ durch eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne verzichtet. Aus Sicht der Linken stellte Görke fest: „Dieser Haushalt gefährdet den Zusammenhalt und wird die Wirtschaftskrise beschleunigen.“

Sozialverbände nehmen Anstoß an Kürzungen

Kritik am Haushaltsentwurf üben auch Sozialverbände. Die Diakonie Deutschland weist darauf hin, dass die geplanten Kürzungen sich in unterschiedlichsten Bereichen auswirkten. Dies betreffe den Arbeitsmarkt ebenso wie Familienferienstätten, den Jugendmigrationsdienst, die Pflege oder die Kindergrundsicherung.

Die Magdeburger „Volksstimme“ zählt auf, dass beispielsweise 500 Millionen Euro weniger vorgesehen seien für Jobcenter und die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen. Für die Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres stünden 78 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Und statt 12 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung, die Bundesfamilienministerin Lisa Paus gefordert hatte, gebe es ganze 2,4 Milliarden Euro.

(Mit Material von AFP)



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