Steinmeier geht auf Distanz zu China – Habeck will Wirtschaften trennen
Bei der Entgegennahme des Henry-Kissinger-Preises am 16. November in New York hielt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Dankesrede. In dieser warnte der ehemalige Außenminister ganz undiplomatisch und in ungewohnter Offenheit vor China. China folge „neuerdings einer veränderten, einer bedrohlichen Philosophie: China unabhängig machen von der Welt und die Welt abhängig machen von China“. Dieses strategische Ziel habe Präsident Xi Jinping ausgerufen.
Das sei ein Spiel, das Deutschland nicht mitspielen wolle und auf das man reagieren müsse. „Wir müssen uns schützen. Wir müssen verhindern, politisch und wirtschaftlich verwundbar zu sein“, sagte Steinmeier. Dazu müssten die Abhängigkeiten von chinesischen Zulieferungen und Rohstoffen reduziert werden und die Volkswirtschaften widerstandsfähiger gemacht werden.
Um das zu erreichen, müsse Deutschland sich stärker mit den Ländern auf der ganzen Welt vernetzen. Protektionismus, Deglobalisierung und Bestrebungen von Autarkie erteilt der 66-Jährige aber eine Absage. Das Bemühen um internationale Zusammenarbeit und das Werben um Partner sei „eine Überlebensfrage“. Staaten, die dafür infrage kämen, seien jene, die „ein Interesse an verlässlichen Regeln, an wirtschaftlicher Entwicklung und Austausch haben“, sagte er.
Der Westen müsse prinzipienfest, aber gleichzeitig offen sein, „also anschlussfähig für Menschen in allen Teilen der Welt, für Kulturen mit anderer Geschichte, anderen Erfahrungen, anderen Traditionen“. „Der Westen“ sei für ihn eine Idee und ein Versprechen von Demokratie und Freiheit, das zuallererst im Innern der eigenen Gesellschaften erfüllt werden muss.
Die „Schaffung eines echten Monsters“
In seiner Rede lobte Steinmeier die Rolle des ehemaligen Außenministers Henry Kissinger bei der Öffnung Chinas im Jahr 1971. Zu seinen unbestreitbaren großen Leistungen habe gehört, „die Öffnung Chinas entscheidend vorangetrieben zu haben“. Der 99-jährige Namensgeber des Preises war bei der Verleihung nicht anwesend.
Doch was waren die Folgen der Öffnung? Damals hatte Kissinger auf Betreiben des US-Präsidenten Nixon in einer Geheimdiplomatie die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit dem China Mao Zedongs ausgelotet, was dann später zu einem Treffen zwischen Nixon und Chinas Ministerpräsident Zhou Enlai in Peking führte. Für die damalige Welt war das ein Epochenschritt, „weil die USA und die meisten westlichen Länder die Führung in Peking nicht als rechtmäßige Vertreterin des chinesischen Volkes anerkannten“, schreibt Andreas Rüesch in der NZZ.
Es sei ihm um die Ermöglichung einer Koexistenz der beiden Länder gegangen, nicht um Freundschaft, formuliert Kissinger dazu in seinem Buch „On China“. Die Auswirkungen seiner Politik sind jedoch bis heute zu spüren. „Indem er den Kontakt mit Peking aufnahm, trug Kissinger, ob unwissentlich oder nicht, zur Schaffung eines echten Monsters bei“, schrieb John Mac Ghlionn in der amerikanischen Ausgabe der Epoch Times.
In der Taiwan-Frage gab es damals eine politische Weichenstellung, die bis zur Präsidentschaft Donald Trumps Bestand hatte. Zum einen gaben die USA Taiwan preis, indem Kissinger erklärte, dass „wir nicht für eine ‚Zwei-China‘-Lösung oder eine ‚Ein-China, ein Taiwan‘-Lösung eintreten“, schreibt William Burr in National Security Archive. Darüber hinaus öffneten die USA mitten in der Kulturrevolution (1966–1976) ein Tor in ein von der Kommunistischen Partei regiertes China – das dabei war, Millionen Menschen zu verfolgen, zu töten und die traditionelle Kultur zu vernichten.
Für den ehemaligen US-Außenminister Mike Pompeo hat sich die Politik Kissingers des diplomatischen Engagements und der „Diplomatie um jeden Preis“ gegenüber China als Fehlschlag erwiesen, sagte er 2020.
Hat sich China verändert? Nein.
Eine weitere Aussage Steinmeiers ist: „Aber heute müssen wir eben auch feststellen: China hat sich verändert. Auf die Zeit der Öffnung ist eine Zeit der Verhärtung gefolgt.“
Grundsätzlich hat sich an der Politik der Kommunistischen Partei Chinas nichts geändert. In den „Neun Kommentaren über die Kommunistische Partei“ steht dazu: „Jeder weiß, dass sich die Entschlossenheit des kommunistischen Gespenstes, sein kollektives Interesse und seine Diktatur zu erhalten, nie ändern wird.“ Xi Jinping hat diesen Anspruch nur noch einmal deutlicher formuliert.
Ab 2023: Wohl keine deutschen Entwicklungskredite mehr für Peking
Die deutsche Wirtschaft soll nach Plänen aus dem Bundeswirtschaftsministerium weit unabhängiger von China werden – dies soll auch mit schärferen Maßnahmen erreicht werden.
In einem aktuellen Papier aus dem Wirtschaftsressort wird unter anderem vorgeschlagen, deutsch-chinesische Projekte politisch nicht mehr zu flankieren, wie das Nachrichtenportal „The Pioneer“ berichtete. Außerdem sollen chinesische Firmen bei Aufträgen für kritische Infrastruktur ausgeschlossen werden.
Der Status Chinas als Entwicklungsland bei der Förderung solle gestrichen werden und ab 2023 keine Entwicklungskredite mehr nach China fließen.
In China besonders exponierte deutsche Firmen könnten gesonderte Mitteilungspflichten bekommen, heißt es weiter. Bilaterale Projekte sollen nur bei „adäquaten chinesischen Finanzierungsbeiträgen (mindestens 50 Prozent)“ realisiert werden, zitiert „Pioneer“ aus einem Papier aus dem Hause von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Derzeit sind die Vorschläge noch nicht in der Bundesregierung abgestimmt.
„Einparteiendiktatur“ und „Klumpenrisiken“ der Wirtschaft
Mit Investitionsgarantien sollen deutsche Auslandsinvestitionen verstärkt in Märkte abseits von China gelenkt werden. In Singapur warb Habeck zuletzt dafür, dass deutsche Unternehmen vermehrt auch in anderen Regionen investieren.
In dem Papier aus dem Wirtschaftsressort wird laut dem Portal kritisiert, dass sich in einzelnen Branchen „Klumpenrisiken“ gebildet hätten – sie also ohne den chinesischen Markt kaum überlebensfähig seien. Genannt würden die Automobilindustrie, Wasserstofftechnologien, Elektromobilität, Kohlenstoffbindung sowie Erneuerbare Energien.
Es sei aus Sicht der Beamten aus dem Wirtschaftsressort offen, „inwiefern und in welchem Umfang der chinesische Markt ausländischen Unternehmen noch offenstehen wird“. Es gebe unfaire Wettbewerbspraktiken, auf die die Wirtschaft nur mit Diversifizierung antworten könne.
Deutsche Unternehmen seien „zahlreichen Diskriminierungen und Einschränkungen“ ausgesetzt, wird aus dem Papier zu den neuen chinapolitischen Leitlinien weiter zitiert. Darin werde China eine „Einparteiendiktatur“ genannt. Die Beamten schlagen demnach eine klare Fokussierung auf alternative Zukunftsmärkte wie Asien-Pazifik, Lateinamerika und Afrika vor. (dpa/red)
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