Straftäter, Gefährder und Identitätstäuscher: Die Suche nach der Haltung zu Abschiebungen nach Syrien

Zum Auftakt der Innenministerkonferenz am Donnerstag in Kiel hat die SPD ihr Nein zu mehr Abschiebungen in Krisenländer wie Afghanistan und Syrien bekräftigt.
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Foto: Julian Stratenschulte/Symbolbild/dpa
Epoch Times13. Juni 2019

Die Innenminister von Bund und Ländern haben auf ihrer Frühjahrskonferenz am Donnerstag in Kiel nach einer einheitlichen Linie zu Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien gesucht. Die Unionsseite mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) plädierte für eine Ausweitung der Rückführungen, die SPD wandte sich dagegen. Seehofer kündigte an, dass zur Frage von Abschiebungen nach Syrien eine neue Lagebewertung vorgenommen werden solle.

Seehofer sprach am Rande der Beratungen von einem möglichen Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK), mit dem die Bundesregierung zu einer neuen Bewertung der Lage in Syrien bis November aufgefordert werden solle. Bislang wird niemand in das Bürgerkriegsland abgeschoben, dabei soll es nach Seehofers Wort vorerst auch bleiben. Allerdings solle im Zuge der geplanten Analyse „auch bewertet werden, ob man nicht einen ersten Schritt gehen kann“. Er sprach dabei von Straftätern, Gefährdern und so genannten Identitätstäuschern.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) brachte im Nachrichtensender „Welt“ die Möglichkeit ins Gespräch, Anhänger des syrischen Machthabers Baschar al-Assad, die einst vor der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) geflohen seien, in ihre Heimat zurückzuschicken. Er sprach dabei ebenfalls von Straftätern.

Seehofer und Herrmann: Lage in Afghanistan hat sich stabilisiert

Seehofer und Herrmann plädierten auch dafür, nach Afghanistan künftig nicht nur Straftäter, Gefährder und „Identitätstäuscher“ abzuschieben. Insgesamt habe sich die Lage in dem Land so weit stabilisiert, „dass man es absolut verantworten kann, Menschen wieder zurückzubringen“, sagte Seehofer. Der Bundesinnenminister verwies ebenso wie sein bayerischer Kollege Herrmann darauf, dass dies die Haltung der Bundesregierung sei.

Demgegenüber sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) dem Sender Phoenix, bei dem Vorhaben, die Abschiebungen nach Afghanistan auszuweiten, „gehen die SPD-geführten Länder nicht mit“. Die SPD wolle humanitären Ansprüchen gerecht werden; Afghanistan sei aber nach wie vor ein unsicheres Land.

Syrien bezeichnete Pistorius als „Sonderfall“. Dort gebe es immer noch Bürgerkrieg. Menschen, die in Opposition zum syrischen Machthaber Assad würden mit einer Abschiebung unmittelbar einer Gefährdung ausgesetzt.

Pistorius wiederholte auch seine Forderung, Polizeianwärter stärker zu überprüfen, um Clan-Mitglieder und Extremisten von den Behörden fernzuhalten. Wer den Staat ablehne, solle nicht in den Polizeidienst übernommen werden. Er verwies dabei auch auf Rechtsextremisten und so genannte Reichsbürger. Als eine Möglichkeit betrachtete er einen Datenabgleich der Verfassungsschutzämter.

Innenminister beraten auch über stärkere Zusammenarbeit gegen Clan-Kriminalität

Die Innenminister wollten auf ihrer Frühjahrstagung auch über eine stärkere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Clan-Kriminalität beraten. Dazu lag den Ressortchefs ein Fünf-Punkte-Plan des Berliner Innensenators Andreas Geisel (SPD) vor. Er sieht unter anderem mehr Anstrengungen zur Abschöpfung illegal erworbener Vermögen sowie Hilfen für Ausstiegswillige vor.

Auf der Tagesordnung standen zudem die Bestrebungen der Minister, Aufzeichnungen etwa von Sprachassistenten wie Alexa oder sogenannten smarten Fernsehern und Kühlschränken als Beweismittel vor Gericht zuzulassen. Diese digitalen Aufzeichnungen sollen zwar nur mit richterlicher Anordnung ausgewertet werden dürfen, sind aber gleichwohl stark umstritten.

Schließlich sollte die Forderung Bremens erörtert werden, Profi-Fußballvereine bei Risikospielen an den Kosten für Polizeieinsätze zu beteiligen. Die Ergebnisse der Frühjahrskonferenz sollen zu deren Abschluss am Freitag vorgestellt werden.

 

Die Themenliste der Innenministerkonferenz im Detail

Abschiebungen:

Hier scheiden sich die Geister zwischen Union und SPD: Die Union will die Abschiebungen nach Afghanistan ausweiten, und diese nicht mehr nur auf Straftäter, Gefährder und Identitätstäuscher beschränken. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verweist darauf, dass auch die Bundesregierung Abschiebungen nach Afghanistan wieder generell für möglich halte. Dem widerspricht sein niedersächsischer Kollege Boris Pistorius (SPD). Afghanistan sei nach wie vor ein unsicheres Land. Deswegen werde die SPD einer Ausweitung nicht zustimmen.

Auch über Abschiebungen nach Syrien, wie sie bislang nicht stattfinden, wird gestritten. Herrmann will sie nicht mehr generell ausschließen, und verweist etwa auf Anhänger von Machthaber Baschar al-Assad, die vor der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) geflohen sind. Sie könnten durchaus nach Damaskus zurückkehren, meint der CSU-Minister. Auch hier widerspricht Pistorius unter Hinweis auf die unsichere Lage in dem Bürgerkriegsland. Die Länderminister könnten den Bund auffordern, eine neue Lagebewertung vorzunehmen, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) angekündigt.

Überwachung von Smarthome-Geräten:

Die Ressortchefs von Union und SPD wollen Aufzeichnungen etwa von Sprachassistenten wie Alexa oder sogenannten smarten Fernsehern und Kühlschränken als Beweismittel vor Gericht zulassen. Diese digitalen Aufzeichnungen sollten aber nur mit richterlicher Anordnung ausgewertet werden dürfen. Kritik daran übt der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber.

Clan-Kriminalität:

Bei der Bekämpfung krimineller Clans, die insbesondere in bestimmten Großstädten ein Problem darstellen, wollen die Länder ihre Zusammenarbeit verstärken. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat dazu einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, der in Kiel beraten wird. Er sieht eine rasche Ahndung von Regelverstößen vor – etwa schon bei Ordnungswidrigkeiten.

Zudem sollen die Anstrengungen zur Abschöpfung von Vermögen verstärkt werden – etwa durch Gründung einer Spezialabteilung bei der Staatsanwaltschaft. Schließlich will Geisel die Gewerbe- und Finanzkontrollen ausweiten, Clan-Mitgliedern den Ausstieg erleichtern und die Aktivitäten der Behörden besser koordinieren.

Polizeidienst:

Um Clan-Mitglieder, aber auch Extremisten wie die so genannten Reichsbürger, vom Polizeidienst fernzuhalten, schlägt Niedersachsen eine stärkere Kontrolle der Bewerber vor – etwa durch einen Datenabgleich bei den Verfassungsschutzbehörden.

Messerverbot:

Niedersachsen will außerdem erreichen, dass nur noch Messer mit einer feststehenden Klinge von maximal sechs Zentimetern Länge mitgeführt werden dürfen. Außerdem sollen die Kommunen Waffenverbotszonen nicht nur – wie bisher – an Kriminalitätsschwerpunkten oder im Rotlichtmilieu einrichten können, sondern etwa auch im Umfeld von Kindertagesstätten, Schulen, Flughäfen und Bahnhöfen.

Skepsis kommt hier aus Bayern: Es komme vor allem darauf an, solche Verbote umzusetzen, argumentiert Minister Herrmann.

Risiko-Spiele beim Fußball:

Das Land Bremen will die Profi-Fußballvereine für die zusätzlichen Kosten für Polizeieinsätze bei so genannten Risiko-Spielen zahlen lassen. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hat dafür einen Fonds vorgeschlagen. Auf viel Gegenliebe stößt er damit nicht: Die Sicherheit sei eine öffentliche Aufgabe, argumentiert Mäurers Parteifreund Pistorius. Dafür gebe  es Steuereinnahmen, wie sie schließlich auch die Vereine zahlen müssten. (afp)



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