Streit um EU-Pfandsystem: Bierbrauer warnen vor Vernichtung von Milliarden Bierflaschen

Aus Deutschland kam massive Kritik: Die EU will die Regeln für Pfandsysteme und Verpackungen verschärfen. Dem würden in Deutschland Milliarden Bierflaschen und unzählige Flaschenkästen zum Opfer fallen. Der Brauer-Bund hat die EU zu einer Vor-Ort-Besichtigung eingeladen.
Titelbild
Rund 80 Prozent des Biers werden in Deutschland in Mehrwegflaschen verkauft.Foto: dpa
Von 5. Juni 2023

Mit den Worten „Die Pläne sind ökologischer und ökonomischer Wahnsinn“, kommentiert Dirk Reinsberg, Geschäftsführender Vorstand beim Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels, die geplanten Reformen der EU-Kommission. Die Europäische Union hat vor, eine Vereinheitlichung des Pfandsystems ihrer 27 Mitgliedstaaten vorzunehmen, wie die „Bild“ kürzlich berichtete.

Dabei sieht die verbindliche Verordnung unter anderem vor, dass die Transportverpackung eines Produktes nicht mehr als 40 Prozent größer sein dürfe als das Produkt selbst. „Im Falle von Bier“, so Reinsberg weiter, „würde das bedeuten, dass der klassische deutsche Bierkasten vor dem Aus stünde, geschreddert und vernichtet werden müsste.“

EU fordert „dauerhaft angebrachte Kennzeichnung“

Während das EU-Vorhaben darauf abzielt, das Mehrwegsystem zu stärken und den Ressourcenverbrauch zu senken, würde die Maßnahme Deutschlands Bierbrauern zufolge eher das Gegenteil bewirken.

Einen Punkt stufen die hiesigen Bierbrauer, so die „Bild“, als besonders kritisch ein: Laut der neuen EU-Verordnung sei es künftig erforderlich, auf Mehrwegverpackungen eine „dauerhaft angebrachte Kennzeichnung“ anzubringen. Bisher sind die Informationen, woraus die Verpackung besteht und in welchen Abfallbehälter sie gehört, im deutschen Mehrwegsystem mit abwaschbaren Etiketten angebracht.

Daher wären die Folgen, die sich durch die neuen Regelungen ergeben, dramatisch. Nicht nur die Bierkästen, sondern auch die Bierflaschen wären davon betroffen.

Laut dem Brauer-Bund und dem Getränkefachgroßhandelsverband müssten Milliarden deutscher Bierflaschen vernichtet werden – sie müssten aus dem Verkehr gezogen und neue Flaschen mit Präge-Logo und Seriennummer müssten produziert werden.

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Brauer-Bund: „Gut gemeint, aber schlecht gemacht“

Wie Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Brauer-Bund, gegenüber der „Bild“ anmahnt, müsse „dieser Irrsinn“ verhindert werden. Seiner Meinung nach sei das Vorhaben zwar „gut gemeint, aber schlecht gemacht“. Nur weil einige Länder im Gegensatz zu Deutschland noch keine Mehrwegsysteme im Gebrauch hätten, werde nun „ein einheitliches Gesetz über Europa gestülpt“.

Laut Eichele sei das deutsche Pfandsystem „europaweit einmalig und umweltfreundlich“. Rund 80 Prozent des Biers würden in Deutschland in Mehrwegflaschen verkauft und die rund 1.500 Brauereien hätten aktuell rund vier Milliarden Pfandflaschen im Umlauf. Die Bierbrauer prognostizieren, dass Deutschland durch die Umstellung Milliarden investieren müsste, ohne einen ökologischen Mehrwert zu erhalten.

Reaktion der EU-Kommission

In der Debatte um die Folgen der geplanten EU-Verpackungsverordnung hat sich die EU-Kommission mittlerweile zu Wort gemeldet. In einer Pressemitteilung vom 1. Juni dementiert sie die massive Kritik. So heißt es, die Behauptung der Bierbrauer, dass bestehende Bierflaschen eingeschmolzen werden müssten, „entspricht nicht den Fakten“.

Verpackungsangaben müssten zwar dauerhaft angebracht sein. Doch „ablösbare Papier-Etiketten, die im deutschen Flaschenpfandsystem üblich sind, können diese Bedingung erfüllen“. Voraussetzung dafür sei aber, dass diese verfügbar seien, solange die Flasche im Umlauf sei.

Wenn die Flasche in die Rotation zurückkomme und sich das Etikett beim Waschvorgang abgelöst habe, müsse für die weitere Wiederverwendung ein neues angebracht werden. „Es ist aber nicht notwendig, die Information in die Flasche einzugravieren“, heißt in der Pressemitteilung weiter. Diese Form der Kennzeichnung sei im Kommissionsvorschlag nur „als Option genannt“.

Noch viele Fragen offen

Der Deutsche Brauer-Bund e.V. (DBB) reagierte umgehend auf die neue Mitteilung. Er begrüße zwar die Klarstellung der EU, dennoch seien noch viele Fragen offen, wie aus der Stellungnahme vom 2. Juni hervorgeht.

Für den Verband liege das Problem darin, dass die Kommission in ihren neuen Bestimmungen verlange, dass die Informationskennzeichnung so „dauerhaft“ angebracht werden müsse, dass sie „die Nachverfolgung der Verpackung sowie die Berechnung von Umläufen und Kreislaufdurchgängen erleichtert“.

Laut dem Brauer-Bund könnten dies die bestehenden Mehrwegpfandflaschen aber nicht gewährleisten, da die Informationen des Etiketts verloren wären, sobald mit jedem Umlauf ein neues aufgebracht würde. Der Erhalt der Informationen sei nur möglich, „wenn alle Flaschen direkt markiert werden“, stellt der Verband klar. Somit bleibe weiterhin die Frage offen, „wie das umweltfreundliche Mehrwegsystem der deutschen Brauwirtschaft künftig die Vorgaben der EU erfüllen soll“.

Brauer-Bund lädt zu Vor-Ort-Besichtigung ein

In Bezug auf die Regel, dass künftig die Verpackung nicht mehr als 40 Prozent größer als der Inhalt sein dürfe, räumt die EU-Kommission ein: „… [es] spricht nichts dagegen, Transportverpackungen in bestehenden Mehrwegsystemen, wie zum Beispiel Bierkästen, von dieser Regel auszunehmen.“

In seinem Schreiben erklärt der Brauer-Bund, dass er die Bemühungen der EU, „Mehrweg zu stärken, den Ressourcenverbrauch zu senken und das Recycling von Verpackungen verbindlich vorzuschreiben“, grundsätzlich begrüße. Dennoch seien entscheidende Fragen wie die „Rücknahmepflicht für Mehrwegverpackungen oder die geforderte Verwaltungsbürokratie für Pfandgesellschaften“ bislang offen.

Schließlich weist Brauer-Bund-Chef Eichele darauf hin, dass sich die Mehrwegquoten Deutschlands bereits seit Jahrzehnten weit oberhalb der von der EU für 2040 vorgesehenen Ziele befänden. Der Verband lade die verantwortlichen EU-Politiker deshalb ein, „sich vor Ort in unseren Brauereien und im Handel ein Bild davon zu machen, wie das Mehrwegsystem in Deutschland funktioniert und von den Verbrauchern genutzt wird“.



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