Strommangel oder Blackout: „Energie21“ – eine ungewöhnliche Übung

Tirol probt den Ernstfall: Eine „Strom-Mangellage“ soll Erfahrungen für einen Blackout liefern. Krisenexperte Herbert Saurugg empfiehlt: „Wir sind dann vorbereitet, wenn jede und jeder von uns in der Lage ist, sich zumindest 14 Tage mit dem notwendigsten selbst versorgen zu können.“
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Was tun bei einem Stromausfall?Foto: iStock
Von 22. November 2021

Während Markus Söder an die zukünftige Bundesregierung appelliert, künftig eine sichere Stromversorgung zu garantieren, übte das österreichische Bundesland Tirol am 12. November den Ernstfall. Mit einer „Strom-Mangellage“ sollte gezeigt werden, dass man einen „klaren Plan“ für den Blackout-Ernstfall habe, so der Initiator der Übung, Landeshauptmann Günther Plattner. Teile der Übung wurden live in den Medien übertragen.

Probeweiser Schwarzstart im Kraftwerk Silz

„Energie 21“ hieß das Tiroler Szenario: Seit Wochen wäre es extrem kalt, überall in Europa. Der Energieverbrauch steigt, doch die Erzeugung von Energie ist erschwert. Das System droht zusammenzubrechen, ein Blackout naht.

Die Bevölkerung wurde über die Übung informiert, was im Vorfeld zu Spekulationen und Falschmeldungen über mögliche Stromausfälle geführt hatte. Doch der Strom würde nicht unangekündigt abgeschaltet, stellte das österreichische Innenministerium daraufhin klar.

Aufgabe eins für die Teilnehmer war, ein Gestänge für die Wiederherstellung der Stromversorgung zu errichten, was von Mitarbeitern des Netzbetreibers Tinetz und dem Bundesheer durchgeführt wurde. Ein Black Hawk-Hubschrauber S-70 kam zum Einsatz. Aufgabe zwei lag in der Zusammenarbeit von Bergrettung, Rotem Kreuz, Feuerwehr und Bundesheer: An der Patscherkofelbahn fiel (simuliert) der Strom aus, es mussten Passagiere aus den Seilbahngondeln gerettet werden.

Trainiert wurde gleichfalls der Neuaufbau der Energieversorgung nach einem Stromausfall, indem im Speicherkraftwerk Silz im Inntal eine Turbine probeweise gestartet wurde. Das Kraftwerk Silz ist wie die Wasserkraftwerke Kaunertal und Sellrain schwarzstartfähig, was bedeutet, dass hier bei einem Blackout der Strom auch ohne Stromzufuhr hochgefahren werden kann.

An der Übung beteiligt waren neben allen Bundesländern mehrere Bundesministerien, die Austrian Power Grid und die E-Control unter Koordination des Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements.

Österreichs Bundeskanzler: „Vorbildwirkung für ganz Europa“

„Das Zusammenspiel hat mich beeindruckt“, erklärte Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) anschließend. „Tirol geht hier in Vorlage und hat somit eine Vorbildwirkung für ganz Europa.“

Die Erfahrungen aus der Übung werden in entsprechende Empfehlungen an die Verantwortlichen münden. Die Österreichische Gesellschaft für Krisenvorsorge und das österreichische Bundesheer rechnen binnen der nächsten fünf Jahre mit einem Blackout. Eine Strom-Mangellage und ein Blackout sind allerdings unterschiedliche Dinge. Ein Blackout ist ein plötzlicher, überregionaler, weite Teile Europas betreffender und länger andauernder Strom-, Infrastruktur- und Versorgungsausfall, bei dem keine Hilfe von außerhalb zu erwarten ist. Es wären Hunderte Millionen Menschen betroffen.

Herbert Saurugg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge und Sicherheitsexperte, beschäftigt sich seit zehn Jahren sehr intensiv mit den Entwicklungen im europäischen Stromversorgungssystem. „So, wie diese bisher verlaufen sind, und das, was in den nächsten Monaten bis wenigen Jahren vor allem in Deutschland geplant ist, gehe ich fix davon aus, dass wir dieses Ereignis erleben werden. Wir sitzen hier mit 35 anderen Ländern in einem gemeinsamen Boot.“

Etwas nördlich von Tirol erklärte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder am 15. November: „Es darf keinen Blackout geben. Wir brauchen einen Sicherungsplan gegen Blackouts in Deutschland.“ Denn: „Wenn Blackouts drohen, wird der deutsche Wirtschaftsmotor stottern.“ Es sei eine Kernaufgabe der kommenden Bundesregierung, mögliche Blackouts zu verhindern und den Bau von Stromleitungen voranzutreiben. Eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke lehnte Söder ab, zugleich ist er überzeugt, dass ein vorgezogener Kohleausstieg machbar sei. Eine Übung wie in Tirol fand in Deutschland unter Einbeziehung der breiten Öffentlichkeit noch nicht statt.

Was könnte man tun?

Viele Menschen haben das Gefühl, dass man sich schwer auf einen Blackout vorbereiten kann. Einiges kann und sollte jedoch getan werden. Der deutsche Katastrophenschutz rät seit längerer Zeit, sich auf zehn Tage ohne Strom einzustellen. Dazu zählt, sich einen Lebensmittelvorrat anzulegen und mit Wasser zu versorgen.

Um einen Vergleich zu bemühen: Was bräuchte man im Falle eines Campingurlaubes? Neben Lebensmitteln sind Taschenlampen und Ersatzbatterien, auch Kerzen und Feuerzeug sowie ein Notfallradio zu empfehlen. Zudem besteht die Frage, wie man ein warmes Essen zubereiten könnte, und auch, wie mögliche Haustiere versorgt werden. An Bargeld, Hygieneartikel und persönliche Medikamente sollte gedacht werden.

Das Beispiel der Flut im Ahrtal zeigt, dass auch ein Notgepäck (ein Evakuierungsrucksack mit Dokumenten und wichtigen alltäglichen Dingen) empfehlenswert ist. Gelegentlich wird von einem persönlichen oder familiären Notfallplan gesprochen: Wer ist wo, wo könnte man sich treffen, was brauchen einzelne Familienmitglieder? Worauf kann man unter keinen Umständen verzichten? Dass sich viele darüber Gedanken machen, ist erkennbar am Absatz der Hersteller von Notstromaggregaten – die Branche boomt.

Kommunen empfiehlt Herbert Saurugg, die Blackout-Mappe für Behörden (Zivilschutz.steiermark.at, „Blackoutleitfaden für Gemeinden“) einzusetzen. Unterschätzt werde seiner Erfahrung nach auf kommunaler Ebene vor allem der ganzheitliche Umfang der Ausfälle. Je länger und großflächiger ein Blackout ist, desto gravierender sind die wirtschaftlichen Folgen.

„Strom-Inseln“

Tirol jedenfalls würde bei einem Blackout auf eine Art „Strom-Inseln“ setzen. Innerhalb von fünf Stunden könnte dieser Inselbetrieb eine Grundversorgung sichern.

Das bezieht sich auf die Gegenden, in denen die Kraftwerke ohne externe Stromversorgung gestartet werden können: darunter Sellrain-Silz, Prutz, Amlach, Kadelbach und das Achensee-Kraftwerk. Mithilfe der Kraftwerke könnte die Stromversorgung in Tirol wieder aufgebaut „und für mindestens eine Woche autark aufrechterhalten“ werden. Zumindest plant das Landrat Josef Geisler vom Tiroler Zivil- und Katastrophenschutz so.

Bei einem europaweiten Blackout wird mit 6 bis 7 Tagen gerechnet, bis in Europa überall wieder Strom fließt. Auch in Deutschland wird es wohl einige Tage dauern.

Herbert Saurugg plädiert für eigene Vorsorge

Herbert Saurugg (Major a.D.) ist einer der wichtigsten internationalen Blackout- und Krisenexperten. Er ist Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge, Mitglied der Cyber Sicherheit Plattform (CSP) des Bundeskanzleramtes und Fachmann im Bereich der Sicherheitsforschung KIRAS. Als Keynote Speaker hält er europaweit Vorträge, zudem veröffentlichte er über 175 Publikationen vom einfachen Artikel bis hin zu umfangreichen Buchbeiträgen. Epoch Times bat ihn um ein Statement zur Übung „Energie 21“.

Hebert Saurugg erklärt: Ich finde es gut, wenn Übungen durchgeführt werden, um Abläufe zu überprüfen und zu verbessern. Ich finde es jedoch bedenklich, wenn dann falsche Dinge kommuniziert werden.

Bei der „Energie 21“ wurde eine Strommangellage geübt, was etwas völlig anderes ist als ein Blackout. Da kann noch kommuniziert und etwas organisiert werden. Bei einem Blackout funktioniert nur mehr das, was vorher vorbereitet wurde und vor Ort verfügbar ist, da die Kommunikationsmöglichkeiten großteils ausfallen. Zudem wurden in der Show-Übung sehr kleine Teilausschnitte gezeigt.

Was im Kleinen funktioniert, sagt noch lange nichts darüber aus, ob das auch bei einer großflächigen Lage wie bei einem Blackout funktionieren und möglich sein wird, weil auch die organisierte Hilfe selbst betroffen ist und nicht überall helfen kann.

Ein Blackout ist nicht nur ein Stromausfall, wie das dargestellt wurde, sondern bedeutet einen großflächigen und länger andauernden Zusammenbruch der Grundversorgung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen. Diese Versorgungskrise geht weit über die Dauer des Stromausfalls hinaus.

Auf das sind wir überhaupt nicht vorbereitet. Dazu müsste die Bevölkerung eine entsprechende Eigenvorsorge treffen, wie die Österreichische Gesellschaft für Krisenvorsorge das über die Initiative „Mach mit! Österreich wird krisenfit!“ (www.krisenfit.jetzt) anstoßen möchte.

Nur wenn sich genug Menschen über zumindest 14 Tage selbst versorgen können, wird es uns auch gelingen, die Systeme rasch genug wieder hochzufahren. Denn wenn das Personal sich zu Hause in der Krise befindet, kommt es nicht zur Arbeit.

Diese Botschaft – genau genommen die Wichtigste – wurde nur am Rande kommuniziert. Daher verlassen sich viele Menschen weiterhin darauf, dass schon der Staat für sie sorgen wird, denn dieser ist ja scheinbar bestens vorbereitet. Das wird im Eintrittsfall zu einer bösen Überraschung führen.

Daher sollten wir das Kind beim Namen nennen: Wir sind dann vorbereitet, wenn jede und jeder von uns in der Lage ist, sich zumindest 14 Tage mit dem Notwendigsten selbst versorgen zu können. Das beginnt mit 2 Liter Wasser pro Person und Tag, für zumindest 3-5 Tage, sollte es beim Stromausfall ein Problem bei der Wasserversorgung geben. Länger haltbare Lebensmittel wie Nudeln, Reis und Konserven, die auch nach dem Stromausfall wieder zubereitet werden können. Wichtige Medikamente, Erste-Hilfe-Ausstattung, Taschenlampen, Hygieneartikel und vielleicht ein batteriebetriebenes Radio oder eine Brennpaste.

Damit ist man schon auf der sicheren Seite. Und wir müssen in einem solchen Fall zusammen helfen und versuchen, die Krise bestmöglich gemeinsam zu bewältigen. Denn niemand kann Millionen Menschen helfen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 19, vom 20. November 2021.



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