„Stups in die richtige Richtung“: Haushalte könnten Hunderte Euro an Energiekosten sparen

Verbote und wiederholte moralische Appelle könnten bei vielen Bürgern das Gegenteil dessen auslösen, was die Politik erreichen wolle. Da hilft Nudging. Das sagt jetzt eine Studie vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), die auch davon ausgeht, dass die Haushalte in Deutschland bei den Energiekosten mit wenig Aufwand viel Geld sparen könnten.
Klimaanlage und Heizkörper runterfahren: Auch in den Bundesministerien spart man Energie.
Mit Nudging versüßt: Heizung runter, Licht aus.Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Von 23. Februar 2023


Bis zu 1.000 Euro könne ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt im Jahr einsparen, heißt es in einer gerade erschienenen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Einsparungen seien demnach durch einfache und weitgehend kostenlose verhaltensökonomische Maßnahmen und Anreize möglich.

Nudges: Anstupser in die „richtige“ Richtung

Der Untersuchung zufolge sind die staatlichen Aufrufe zum Energiesparen weniger wirksam als Maßnahmen, die die Spielfreude, die Eigenverantwortung und die Zufriedenheit der Menschen ansprechen. „Bei einer geschickten Kombination der sogenannten ‚Anstupser‘ (Nudges) sind kurzfristig bis zu 1.000 Euro jährlich möglich – ohne schmerzhafte Einbußen an Komfort und je nachdem sogar mit zusätzlichem Spaß“, heißt es in der Studie mit dem Namen: „Hilft Nudging in der Krise? Verhaltensökonomische Maßnahmen für freiheitswahrendes Energiesparen“.

Nudging bedeutet auf Deutsch so viel wie „anstoßen“ oder „anstupsen“. Gemeint ist damit in dem Kontext, dass Verbraucher durch gezielte Anreize und Feedback ihr Verhalten auf die sanfte Art verändern können, natürlich „zum Besseren“.

Und wer das Wort „freiheitswahrendes Energiesparen“ noch nicht in seinen allgemeinen Wortschatz integriert hat: Dieses Konzept zielt darauf ab, den Energieverbrauch zu reduzieren, ohne dass dabei die individuelle Freiheit und Lebensqualität der Menschen beeinträchtigt wird. Hier geht man davon aus, dass viele Menschen bereit sind, etwas für den Klimaschutz und die Umwelt zu tun – aber nicht um jeden Preis.

Verbote bewirken oft das Gegenteil des Intendierten

Die Studie zeigt, dass Verbote und wiederholte moralische Appelle bei vielen Bürgern das Gegenteil des durch die Politik Gewünschten auslösen. Konkret steht da:

„Die moralischen Appelle der Regierenden bergen die Gefahr, dass Menschen mit Reaktanz statt mit der gewünschten Verhaltensänderung reagieren. Statt zu sparen, versuchen sie den eingeschränkten Freiheitsspielraum zurückzuerlangen.“

Sprich: Statt Energie einzusparen, würden die Angesprochenen auf das Gefühl der Freiheitseinschränkung reagieren und im Gegenteil wieder mehr heizen, womöglich noch bei offenem Fenster, extra Weihnachtsbeleuchtung in den Vorgarten hängen und mit größeren Autos noch schneller fahren. Würde die Politik dagegen mehr Anreize setzen, die eigenen Erfolge beim Energiesparen sofort sichtbarer zu machen, ließen sich mehr Spareffekte erzielen.

Fünf Nudging-Bereiche des Einsparens: Technologie als Spar-Hilfsmittel und Motivationskrücke

Die in der Studie analysierten Nudges des Feedbacks, der Selbstverpflichtung und Zielsetzung, der Gamification, des sozialen Vergleichs und der Default-Änderungen zeigen Einsparpotenziale im Bereich des Energie- und Gasverbrauchs von vier bis 20 Prozent – je nach Ausgestaltung der Maßnahmen, heißt es im zusammenfassenden Vorwort der Studie. Diese führt fünf Bereiche auf, in denen Nudging beziehungsweise bei einer Kombination der Maßnahmen ein Vier-Personen-Haushalt beim aktuellen Preisniveau der Strom- und Gaskosten durchschnittlich besagte 1.000 Euro im Jahr sparen kann.

1. Einsatz von Feedback-Technologie: Ersatz herkömmlicher Energiezähler durch intelligente Thermostate, die zum Beispiel mit Smartphone-Anwendungen verbunden sind, würden ein Echtzeit-Feedback des Verbrauchs geben, wodurch so ein stärkeres Bewusstsein der eigenen Verhaltensweisen entsteht und für dessen Auswirkungen sensibilisiert werden kann.

2. Selbstverpflichtung der Haushalte zum Sparen. Wobei diese allein oft nicht langt, sondern in den vom IW aufgeführten Studienergebnissen vor allen mit anderen „Anstupsern“/Nudges erzielt werden kann.

3. Mögen die Spiele beginnen! Gamification – Spielerischer Vergleich mit anderen Haushalten: Hohe Spareffekte ließen sich auch durch Wettbewerbe mit anderen Haushalten – sogenannten Gamification-Wettbewerben – und regelmäßigen Vergleichsinformationen über den Verbrauch der Haushalte in der Nachbarschaft erzielen inklusive Punkte oder Abzeichen sammeln.

4. Dem Nachbarn auf die Stromrechnung geschaut: Da sich Menschen naturgemäß mit anderen Menschen vergleichen, werden laut Studie soziale Vergleichsprozesse zum Beispiel bezüglich der Gas- oder Stromrechnung angeregt, bei denen der individuelle Verbrauch mit dem in der Nachbarschaft verglichen wird. Dadurch würden Sparwillige erfahren, wie viel Energie sie im Verhältnis zu anderen Nutzern und Nutzerinnen verbrauchen.

5. Die Psychologie der Trägheit nutzen: Eine gängige Nudge-Technik sind Defaults (Voreinstellungen), die der Adressat aktiv abwählen muss, um sich ausdrücklich gegen die vom Entscheidungsarchitekten gewünschte Option zu entscheiden. Was Energieeinsparungen anbelangt, könnte das bedeuten, Voreinstellungen bei Heizungen auf 16 Grad zu programmieren, und nicht etwa auf komfortable 22 Grad – und darauf zu bauen, dass die Menschen zu träge sind, aktiv eine Änderung vorzunehmen.

Instrumentenkasten der Erziehung durch die Hintertür oder wertvolle Spartipps?

Im Fazit der Studie wird gewarnt: „Beim staatlichen Einsatz von Nudges besteht jedoch eine gewisse Skepsis, da man bestimmte Varianten auch als Manipulation und Bevormundung verstehen kann.“ Das IW hält hierfür eine Anleitung bereit: „Daher plädieren wir dafür, dass ihr Einsatz behutsam und transparent erfolgen muss …“

Der erste Satz der Studie lautet: „Private Haushalte sind angesichts der drohenden Gasmangellage aufgerufen, ihren Gas- und Energiekonsum zu reduzieren. Die moralischen Appelle der Regierenden bergen die Gefahr, dass Menschen mit Reaktanz statt mit der gewünschten Verhaltensänderung reagieren.“

Dieser Einstieg und auch das Fazit sind in gewisser Weise als eine Klammer zu sehen, an wen sich diese Studie auch richtet. Sie ist nicht in erster Linie ein wertvoller Tippgeber an den Endverbraucher, wie er vielleicht Energie und Geld sparen kann, sondern auch eine Handlungsanleitung an die Politik – also eine Art Ratgeber für Politiker, die, gelinde gesagt, sehr ungeschickt mit ihren „Spartipps“ in Erscheinung traten. Als einzige Politikerin sprach Sahra Wagenknecht (Linke) von der „selbstverschuldeten Energiekrise“ und war damit eine der wenigen auf dem politischen Parkett, die Ross und Reiter bei den Ursachen der Energiekrise nannte.

Studie als Handlungsanweisung für Shitstorm geplagte Politiker

Besagte andere Politiker hielten es da eher mit einer Art „bevormundendem Anti-Nudging“, wenn man das Wording der Studie an dieser Stelle übernehmen mag.

Unvergessen hierbei Wolfgang Schäubles Hinweis, für den Fall eines Stromausfalls „immer auch ein paar Kerzen, Streichhölzer und auch eine Taschenlampe zu Hause [zu] haben“. Der CDU-Politiker und mehrfache Millionär kam angesichts der sprunghaft ansteigenden Energiekosten mit dem Rat, bei Kälte eben einen Pullover anzuziehen, oder wenn es sehr kalt wird, „vielleicht noch einen zweiten Pullover“.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) brachte als Energiespar-Utensil den Waschlappen ins Spiel – das sei schließlich eine „brauchbare Alternative“ zum täglichen Duschen.

Auch der grüne Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck verriet in einem Interview, dass er seine Duschzeit deutlich verkürzt habe und dass diese auch schon vorher deutlich unter fünf Minuten gelegen habe. Damit halte er sich an die Energiespar-Empfehlungen seines Ministeriums.

Den Anfang der oft auch als verhöhnend wahrgenommenen Tipps machte die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel im Winter 2020. Da war noch nicht von der Energiekrise die Rede, aber von kalten Klassenzimmern aufgrund vermehrten Lüftens – damals noch als Maßnahme gegen Ansteckungen in der Schule gedacht. Da den Schülern dadurch kalt werden könnte, gab Frau Merkel den Schülern den Tipp gegen das Frieren, sie sollen „mal eine kleine Kniebeuge“ machen oder in die Hände klatschen.

Geschickteres Vorgehen

All diese Tipps wurden eher selten als wohlwollende Hinweise begriffen, sondern zogen oft Shitstorms in den sozialen Medien nach sich. Wenn man die Bürger also zum Energiesparen erziehen will und davon ablenken will, dass Lösungen für die Energiekrise gefunden werden müssen – und das am besten von denjenigen, die das Land dort hineingeführt haben – dann muss man wohl geschickter vorgehen.

Ein Fünf-Punkte-Plan des wirtschaftsnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) meint jetzt, den Goldstandard der Energiespar-Volkerziehung gefunden zu haben. Der Plan will hier durchaus auch als eine Art Handlungsanweisung an Politiker verstanden werden. Grundidee: Die Bürger werden in einem spielerischen Wettbewerb ans erfolgreiche Energieeinsparen geführt. Ein Belohnsystem fördert die Konkurrenz zum Nachbarn und gegenseitige Disziplinierung. Ungeachtet all dessen soll hier noch gesagt werden, dass es durchaus sinnvoll ist – und das nicht nur für die eigene Haushaltskasse –, eine höhere Bewusstheit für Umwelt und Energieressourcen zu vermitteln.

Das beschriebene „Nudging“ nimmt hier folgende Rolle ein: Die absichtsvolle Führung von Individuen durch das gezielte Auslösen unbewusster Verhaltensänderungen als politisches Gestaltungsmittel. Kritiker des Nudgings als einer Form der Manipulation argumentieren, dass es besser wäre, die Menschen aufzuklären und ihnen die Möglichkeit zu geben, bewusstere Entscheidungen zu treffen, anstatt sie subtil zu beeinflussen.



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