Stuttgarter Start-up will mit Wasserstoff-betriebenen Flugzeugen durchstarten

Branchenriese Airbus rechnet erst für 2035 mit einem marktreifen Flugzeug, das mit Wasserstoff betrieben wird. H2Fly will sogar schon früher durchstarten.
Das Brennstoffzellenflugzeug HY4 bei seiner Weltpremiere im Jahr 2016 über dem Stuttgarter Flughafen.
Das Brennstoffzellenflugzeug HY4 bei seiner Weltpremiere im Jahr 2016 über dem Stuttgarter Flughafen.Foto: picture alliance / dpa
Von 30. Januar 2023

Bis 2035 rechnet Europas führender Flugzeugbauer Airbus damit, dass mit Wasserstoff betriebene Passagierflugzeuge in der kommerziellen Luftfahrt präsent sein werden. Das Stuttgarter Start-up H2Fly will schon wesentlich früher durchstarten und schon in den 2020ern die ersten rein mit Wasserstoff betriebenen Flugzeuge abheben lassen.

Am späten Montagvormittag (30. Januar) will das Unternehmen sein „Zentrum für wasserstoff-elektrisches Fliegen“ vorstellen, das auch auf dem Stuttgarter Flughafen testen will. Derzeit arbeitet man Gründer Josef Kallo zufolge am Zusammenfügen der erforderlichen Brennstoffzellen zu einem Gesamtsystem. Noch in diesem Jahr wolle man dieses mit einem Flüssigwasserstofftank am Boden koppeln.

Schon in zwei Jahren sollen kleinere Passagiermaschinen abheben

Im Jahr 2016 hatte Hi2Fly den ersten rein mit Wasserstoff angetriebenen viersitzigen Testflieger in die Luft gebracht. Im Jahr 2025 soll es eine Dornier mit 40 Sitzen und 2.000 Kilometern Reichweite werden. Zuvor soll es 2024 noch Bodentests des fertig zusammengefügten Flugzeugs geben.

Die große Herausforderung wird dabei darin bestehen, die derzeitige Leistung von zwischen 120 und 150 Kilowatt auf vorerst ein Megawatt zu erhöhen. Das derzeit maximale Potenzial in der wasserstoffgebundenen Luftfahrt betrage vier Megawatt. Damit ließe sich ein Flugzeug mit 60 bis 80 Sitzen betreiben.

Energiedichte von Wasserstoff reicht noch nicht zum Antrieb von Flugzeugen

Die Forschung und Entwicklung mit Wasserstoff betriebener Flugzeuge hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen. Einige Flugzeughersteller haben bereits Konzepte und Prototypen vorgestellt, die für den kommerziellen Einsatz getestet werden.

Das englisch-amerikanische Unternehmen ZeroAvia etwa hatte bereits 2020 einen Jungfernflug mit einem 6-Sitzer gestartet. Zudem brachte man im Januar dieses Jahres sogar schon einen 19-Sitzer in die Luft. Allerdings hatte man dabei nur eines der beiden Triebwerke durch einen Brennstoffzellenmotor ersetzt, das andere betrieb man nach wie vor mit Kerosin.

Wasserstoff hat den Vorteil, dass er eine saubere Brennstoffquelle ist, da bei der Verbrennung nur Wasserdampf entsteht. Dies kann helfen, den CO₂-Fußabdruck des Luftverkehrs zu reduzieren. Darüber hinaus ist Wasserstoff einfach zu speichern und zu transportieren, was ihn für den Einsatz in Flugzeugen attraktiv macht.

Allerdings hat die Technologie derzeit noch enge Grenzen. Eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung mit Wasserstoff betriebener Flugzeuge ist die Energieeffizienz. Wasserstoff hat eine geringere Energiedichte als herkömmliche Brennstoffquellen, was zu größeren Tanks und Gewichtsproblemen führt.

Unterschiedliche Anbieter mit unterschiedlichen Schwerpunkten

Björn Nagel, Leiter des Instituts für Systemarchitekturen in der Luftfahrt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), umschreibt seine Erwartungen wie folgt:

Regionalflugzeuge mit bis zu 70 Sitzen könnten innerhalb der nächsten zehn Jahre möglich werden.“

Verschiedenste Start-ups und etablierte Hersteller streben demnach in den kommenden fünf Jahren kommerzielle Geschäftsreiseflugzeuge mit bis zu 19 Sitzen an. Triebwerksbauer MTU Aero etwa peilt Brennstoffzellenantriebe für Flugzeuge an, die 50 bis 100 Passagiere über 1.800 Kilometer transportieren können. „Das reicht für etwa drei Viertel aller europäischen Routen“, sagte Vorstandschef Lars Wagner jüngst dem „Münchner Merkur“.

Airbus ist mit seinen Ambitionen noch vorsichtiger – dafür will man von Beginn an mit Kapazitäten durchstarten, die an heutige Mittelstreckenjets heranreichen. Im Fall der A320neo-Familie wären dies etwa 100 bis 200 Sitzplätze.

Infrastruktur zum Betanken der Flugzeuge noch in den Kinderschuhen

Ein Problem in diesem Zusammenhang ist die Infrastruktur zum Betanken der Maschinen, die noch in ähnlich knapper Weise ausgeprägt ist wie jene der Ladesäulen für Elektroautos. Es ist noch nicht absehbar, welche Dichte diesbezüglich den Mindestanforderungen für einen wirtschaftlich rentablen Betrieb genügt.

Die erforderliche Dichte hängt von Faktoren wie der Nachfrage nach Wasserstoff als Treibstoff, den bereits bestehenden Infrastrukturen und den geografischen Bedingungen ab. Experten gehen davon aus, dass die erforderlichen Investitionen in einer Größenordnung von mehreren Milliarden Euro liegen.

Diese Ausgangssituation wird zur Folge haben, dass bis auf Weiteres nur eine begrenzte Anzahl an Strecken bedient werden kann. Je größer das Risiko ist, in ähnlicher Weise einer „Spitzenglättung“ zu unterliegen, wie sie bei E-Auto-Ladesäulen oder Wärmepumpen angedacht ist, umso schleppender dürfte sich der Ausbau gestalten.

Wasserstoff vor allem für Kurzstrecke relevant – synthetisches Kerosin als Hoffnung

Neben flüssigem Wasserstoff als Energieträger für Brennstoffzellen sei allerdings noch ein weiterer Einsatz des Gases für den CO₂-neutralen Umbau der Luftfahrt denkbar, erklärt Nagel: Aus „grünem“ Wasserstoff und aus der Atmosphäre gewonnenem CO₂ könne künstliches Kerosin hergestellt werden. Der Vorteil: Dieses könne nahezu direkt in heutigen Flugzeugen verwendet werden. Allerdings brauche es viel Energie für die Herstellung.

Für kurze und mittlere Reichweiten sei der Gesamtenergiebedarf für das Fliegen und die Kraftstoffproduktion mit flüssigem Wasserstoff aktuellen Studien zufolge geringer. Auf der Langstrecke sei hingegen synthetisches Kerosin im Vorteil. Allerdings stecke viel noch in der Entwicklung, daher werde sich erst in den nächsten Jahren zeigen, welcher Energieträger sich durchsetzt.

(Mit Material von dpa)



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