Syrien-Initiative: SPD beklagt Alleingang Kramp-Karrenbauers – Kritik und Zustimmung aus dem Inland

Die SPD reagiert mit großer Skepsis auf den Vorschlag von Kramp-Karrenbauer für eine internationale Sicherheitszone in Nordsyrien. Auch die CSU wurde überrascht. Doch "formale Fragen sind zweitrangig", sagte CDU-Politiker Wadephul. Darauf konzentriere sich nur, wer nicht den Mut habe, sich mit inhaltlichen Fragen auseinanderzusetzen.
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Nördlich der Städte Tal Abyad und Kobani am 22. Oktober 2019.Foto: BAKR ALKASEM/AFP via Getty Images
Epoch Times22. Oktober 2019

In der Debatte um eine internationale Sicherheitszone in Nordsyrien hat der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU), Kritik der SPD am Vorgehen von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zurückgewiesen. „Formale Fragen sind zweitrangig“, sagte Wadephul. Darauf konzentriere sich nur, wer nicht den Mut habe, sich mit inhaltlichen Fragen auseinanderzusetzen.

Kramp-Karrenbauer zeige Gestaltungswillen. „Da muss man dann manchmal Verfahrensgrenzen überschreiten.“ Der Vorschlag der CDU-Chefin einer internationalen Sicherheitszone eröffne „die Chance herauszufinden, was die Absichten der Türkei und Russlands sind. Wenn es ihnen wirklich nur um die Befriedung der Region geht, dürften sie keine Einwände haben“.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, hat den Vorschlag von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) verteidigt. Der Vorstoß sei richtig und verdiene die volle Unterstützung des Bundestags, sagte der CDU-Politiker am Dienstag. Die weitere Entwicklung in Syrien habe unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheit und Stabilität Europas.

„Gerade nachdem die USA auf ihre gestaltende Kraft in Syrien verzichtet haben, ist es nur folgerichtig, dass Europa sich stärker einbringt.“ Kramp-Karrenbauer ziele mit ihrem Vorstoß genau auf diese Rolle Europas, so Hardt.

EVP-Fraktionschef begrüßt AKKs Syrien-Vorstoß

EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hat den Vorschlag von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) begrüßt. „Der Vorschlag ist eine gute Grundlage. Wir müssen Verantwortung übernehmen“.

„Wir würden den Kurden Stabilität garantieren, den Einfluss Assads und Putins begrenzen. Und wir würden gemeinsam mit der Türkei handeln und nicht im Gegeneinander“, sagte Weber. Europa sei sich zwar einig, dass die türkische Aggression in Syrien völkerrechtswidrig sei, so Weber weiter. „Doch über das Äußern von Betroffenheit kommen die EU-Staaten bisher nicht hinaus“, sagte der CSU-Politiker. Der Vorschlag von Kramp-Karrenbauer sei „die erste konkrete Initiative“.

CSU-Chef Söder wurde nicht vorinformiert

Mit ihrem Vorstoß für eine Sicherheitszone in Nordsyrien hat Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auch die Schwesterpartei CSU überrascht. CSU-Chef Markus Söder sei nicht vorab informiert gewesen, hieß es am Dienstag aus Parteikreisen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte in Berlin, er sei erst am Dienstagmorgen unterrichtet worden – also erst nach den TV-Interviews der Ministerin am Vorabend. Zuvor hatte es bereits von Seiten der SPD geheißen, der Vorstoß sei mit ihr nicht abgestimmt gewesen.

Dobrindt verteidigte das Vorgehen der CDU-Chefin. „Ich habe nicht die Erwartungshaltung, vor der Medienoffensive informiert worden zu sein“, sagte er. Beim Treffen der Koalitionsspitzen am Sonntagabend im Kanzleramt habe Kramp-Karrenbauer nicht von ihrem geplanten Vorstoß gesprochen. Er sehe aber „keinen Anlass, da Kritik zu äußern“, sagte Dobrindt. Nun gehe es darum, Kramp-Karrenbauers Vorschlag in der Koalition und den Fraktionen weiterzuentwickeln.

Dies könne „nur in enger Abstimmung mit dem Deutschen Bundestag“ geschehen, sagte der Landesgruppenchef. Er habe die Ministerin so verstanden, dass sie dies auch wolle. Zum Inhalt von Kramp-Karrenbauers Vorschlag sagte der CSU-Politiker: „Ich halte dies für eine konsequente Position.“ Der Zeitpunkt dafür sei angesichts des bevorstehenden Auslaufens der Waffenruhe am Dienstagabend „genau richtig“.

Dobrindt machte klar, dass es noch viel Klärungsbedarf gebe, ehe über eine mögliche Beteiligung deutscher Soldaten an einem Einsatz für eine Schutzzone in Syrien entschieden werden kann. Nötig seien nun Gespräche mit den europäischen Verbündeten und der Nato. Auch mit den Konfliktparteien vor Ort in Syrien, wo unter anderem die Türkei und Russland eine große Rolle spielen, müsse gesprochen werden. Das Einsatzkonzept solle dann letztlich „unter dem Dach der Vereinten Nationen“ erfolgen.

„Dass dies eine gewisse Zeit braucht ist klar“, sagte Dobrindt. Entscheidungen des Bundestags etwa über eine deutsche Beteiligung stünden erst an, „wenn konkrete Konzeptionen vorliegen“.

Grundsätzlich sieht Dobrindt den Vorschlag Kramp-Karrenbauers in Einklang mit den außenpolitischen Grundüberzeugungen der großen Koalition – nämlich, dass Europa auch angesichts des Rückzugs der USA von der Weltbühne mehr Verantwortung übernehmen müsse.

Europa könne „nicht wegschauen“, wenn vor seiner Haustür gewaltsame Konflikte stattfänden, sagte er. Europa müsse dabei auch konkret handeln: „Der moralische Standpunkt allein reicht nicht aus.“

Aus der Unionsfraktion erhielt Kramp-Karrenbauer Unterstützung. Der Vorstoß „ist richtig und verdient die volle Unterstützung des Deutschen Bundestags“, erklärte der Außenexperte Jürgen Hardt (CDU). „Gerade nachdem die USA auf ihre gestaltende Kraft in Syrien verzichtet haben, ist es nur folgerichtig, dass Europa sich stärker einbringt.“ Die Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zielte mit ihrem Vorstoß „genau auf diese Rolle Europas“.

Militärisch möglich

Der frühere NATO-General Hans-Lothar Domröse ist überzeugt, dass es militärisch möglich wäre, eine internationale Schutzzone entlang der türkisch-syrischen Grenze zu errichten. Voraussetzung für eine Sicherheitszone, die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) vorgeschlagen hatte, wäre aber ein UN-Mandat, sagte der frühere Vier-Sterne-General dem „Handelsblatt“.

„Ohne UN-Mandat würde ich als militärischer Berater nicht zu einem gewaltsamen Einmarsch raten. Das wäre dann eine Kriegserklärung für einen Krieg, den wir nicht gewinnen könnten“, sagte er.

Keinen Zweifel hat Domröse an der Fähigkeit der Bundeswehr, Truppen dafür zu stellen. „Wenn man will, würde das gehen, und die Bundeswehr wäre dazu auch in der Lage“, sagte Domröse dem „Handelsblatt“. Wenn sich die internationale Gemeinschaft auf ein gemeinsames Vorgehen einigen würde, wäre ein Einsatz ähnlich wie im Kosovo denkbar.

Es sei auch den Versuch wert, Russland in eine solche Mission einzubeziehen. Domröse leitete von 2012 bis zu seiner Pensionierung im März 2016 als Oberbefehlshaber das Allied Joint Forces Command der NATO in Brunssum.

Lambsdorff weist Kramp-Karrenbauers Syrien-Vorstoß zurück

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Graf Lambsdorff, weist den Syrien-Vorstoß von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zurück. „Im Prinzip ist es ja nicht schlecht, dass diese Bundesregierung mal ein außenpolitisches Lebenszeichen gibt. Besser wäre aber, wenn Kramp-Karrenbauer einen professionellen Vorschlag gemacht hätte, der rechtlich und politisch umsetzbar wäre“, sagte Lambsdorff.

Der FDP-Politiker wirft der Verteidigungsministerin eine widersprüchliche Argumentation vor: „Kramp-Karrenbauer begründet ihren Vorschlag damit, dass der Kampf gegen den IS fortgesetzt werden müsse – das steht in direktem Widerspruch zum bevorstehenden Ende des Anti-IS-Mandats der Bundeswehr, das der Bundestag am Donnerstag ein letztes Mal nur um ein halbes Jahr verlängern soll“, so der FDP-Fraktionsvize weiter.

Zudem missachte das von Kramp-Karrenbauer angeführte Motiv, mit der Einrichtung einer Schutzzone die Rückkehr Geflüchteter zu ermöglichen, die Gegebenheiten vor Ort: „Die meisten der ins Ausland geflüchteten Syrer kommen aus anderen Teilen des Landes. Sie zulasten der Kurden in Nordsyrien anzusiedeln, wäre völkerrechtswidrig“, sagte Lambsdorf.

SPD reagiert skeptisch: „Unabgestimmter Alleingang von AKK“

Die SPD reagiert mit großer Skepsis auf den überraschenden Vorschlag von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer für eine internationale Sicherheitszone in Nordsyrien. Mehrere SPD-Politiker beklagten, die CDU-Chefin habe den Vorstoß nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt. Auch das Außenministerium von Heiko Maas meldete Gesprächsbedarf an.

Die Spitze der Unions-Fraktion stärkte der Ministerin dagegen den Rücken. Ungewiss ist aber, ob Partnerländer wie Großbritannien und Frankreich mitziehen.

Die kommissarische SPD-Parteivorsitzende Malu Dreyer hat sich skeptisch zum Vorstoß von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) geäußert. „Der Konflikt in Syrien ist eine große humanitäre Katastrophe unserer Zeit. Die Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien hat den Konflikt zusätzlich verschärft und weitere Hunderttausend Menschen zur Flucht gezwungen. Die Gewalt zu beenden und das humanitäre Leid zu lindern, muss unser aller Ziel sein“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) hätten dazu in den letzten Tagen intensive Gespräche mit europäischen und internationalen Partnern geführt, auch der Koalitionsausschuss am Sonntag habe in der Frage „intensiv beraten“, so Dreyer weiter.

„Frau Kramp-Karrenbauer hat jetzt über die Medien einen Vorstoß im Zusammenhang mit einer Sicherheitszone in Nordsyrien ins Gespräch gebracht. Dass sie noch am Vortag diesen Gedanken in unserer langen Besprechung nicht vorgetragen hat, lasse ich mal unbewertet. Aber entscheidende außen- oder sicherheitspolitische Fragen bleiben zudem unbeantwortet“, kritisierte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz.

„Das wichtige politische Ziel, das Leid der Menschen durch eine Sicherheitszone zu lindern, bedarf einer völkerrechtlichen Grundlage. Deswegen muss vor einer Ankündigung geklärt sein, wie diese geschaffen werden kann und wer das Vorhaben unterstützt“, so Dreyer weiter. „Diese grundlegenden Fragen müssen beantwortet sein, bevor Deutschland international verantwortlich und glaubhaft vorgehen kann.

„Das scheint ein unabgestimmter Alleingang von AKK zu sein. Wir wollen die Stärkung der UN und nicht unabgestimmte Vorstöße von unserer Verteidigungsministerin“, sagte Parteivize Ralf Stegner.

So löse man internationale Probleme nicht. Der Koalitionspartner ist besonders irritiert, weil Kramp-Karrenbauer am Sonntagabend im Koalitionsausschuss ihre Initiative nach Darstellung aus SPD-Kreisen mit keinem Wort erwähnte, obwohl die Partei- und Fraktionsspitzen gemeinsam mit Außenminister Heiko Maas (SPD) ausführlich die Lage in Nordsyrien nach dem Einmarsch türkischer Truppen diskutierten.

Kritik von den Linken

Die Linkspartei hat den Vorstoß von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) für eine Sicherheitszone in Nordsyrien kritisiert. Kramp-Karrenbauer „reagiert auf einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg von Erdogan mit einem mehr als fragwürdigen Vorschlag“, sagte Parteichefin Katja Kipping am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP in Berlin mit Blick auf die Militäroffensive des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Nordsyrien.

„Einen Völkerrechtsbruch repariert man nicht durch einen weiteren Bruch des Völkerrechts“, sagte Kipping. „Es ist völlig klar, dass ganz Syrien Frieden und die syrischen Kurden und Kurdinnen jetzt Schutz vor Erdogan brauchen.“ Dazu müsse „das Regime Erdogan international isoliert werden“.

Die Linken-Vorsitzende forderte Kramp-Karrenbauer auf, die Waffenlieferungen an die Türkei zu stoppen und Erdogans Konten einzufrieren. An die Ministerin gerichtet sagte Kipping außerdem: „Gehen Sie zur UNO und nicht ins Morgenfernsehen.“

Kramp-Karrenbauer hatte ihren Vorschlag zu einer internationalen Sicherheitszone am Montag in mehreren Interviews vorgestellt. Die SPD kritisierte bereits, der Vorstoß sei nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt. Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) sieht nach Angaben des Auswärtigen Amtes „Diskussionsbedarf“.

Die Türkei hatte am 9. Oktober ihre seit langem angekündigte Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien begonnen. Sie will durch ihren Vormarsch zunächst eine Sicherheitszone von 120 Kilometern Länge einnehmen, wie AFP am Montag aus türkischen Militärkreisen erfuhr.

Göring-Eckardt bei Klamroth: „AKK macht alle Fehler, die man machen kann“

 Katrin Göring-Eckardt hat den überraschenden Vorschlag von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauers für eine Sicherheitszone in Nordsyrien scharf kritisiert. Ihr Vorstoß für einen internationalen Stabilisierungseinsatz sei nicht sonderlich seriös, sondern „eher innenpolitisch motiviert“, sagte die Grünen-Politikerin in der Sendung „Klamroths Konter“ bei n-tv. Die CDU-Chefin habe sich vorher weder mit den Koalitionspartnern, noch dem eigenen Außenminister Heiko Maas abgesprochen, kritisierte Göring-Eckardt weiter.

Es sei prinzipiell richtig zu schauen, wie man die Menschen in Nordsyrien retten könne. „Aber Kramp-Karrenbauer zäumt die Sache von hinten auf.“ Man müsse diplomatische Kanäle nutzen, um gemeinsam Druck auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auszuüben, damit dieser seine Truppen aus Nordsyrien abziehe.

Und auch sonst zeigte sich die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen enttäuscht über die Nachfolgerin von Angela Merkel: „Annegret Kramp-Karrenbauer macht nahezu alle Fehler, die man machen kann.“ So habe sie kaum etwas dazu beigetragen, dass es mit dem Klimapaket der Bundesregierung vorangehe. (dpa/afp/dts)



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