Tattoo-Streit um rechtsextreme Vergangenheit: Möritz verlässt CDU, „um weiteren Schaden abzuwenden“

Er trägt ein bei Rechtsextremen beliebtes Symbol auf der Haut des Unterarms, war 2011 im Alter von 19 Jahren Ordner bei einer Neonazi-Demo. Der Fall des CDU-Kreispolitikers Robert Möritz in Sachsen-Anhalt sorgte seit Tagen für bundesweite Debatten. Er distanzierte sich von seiner Vergangenheit. Doch alles half nichts. Nun trat er aus der Partei aus.
Titelbild
Das Parteilogo der CDU auf einem Landesparteitag.Foto: Hendrik Schmidt/zb/dpa/dpa
Epoch Times20. Dezember 2019

Wer Erkennungszeichen trage, die auf eine rechtsextreme Gesinnung schließen lassen, könne ebenso wenig Mitglied sein wie jemand, der in einem rechtsextremen Verein sei, heißt es in einem Papier, das die Landes-Parteispitze und die Kreischefs der CDU Sachsen-Anhalt am Donnerstagabend einstimmig beschlossen.

Auch CDU-Bundesgeschäftsführers Stefan Hennewig machte in einem Schreiben an alle Landesverbände deutlich, dass „totalitäres Denken in unseren Reihen ausgeschlossen ist“. Jedoch: Wer politisch radikal gewesen sei und sich zum Bruch mit dieser Szene entscheide, „den sollten wir bei diesem Weg unterstützen“, so der Bundesgeschäftsführer, wobei jeder Einzelfall genau zu prüfen sei.

Distanzierung und Parteiaustritt

Möritz hat sich nach Angaben der „Zeit“ bei einer Sondersitzung der Kreis-CDU Anhalt-Bitterfeld von seiner Neonazi-Vergangenheit und den Verbindungen in die Szene distanziert und sei auch aus dem umstrittenen Verein „Uniter“ ausgetreten. Daraufhin wurde einstimmig auf einen Parteiausschluss verzichtet.

Laut Bundesregierung sei Uniter „derzeit kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Hinweisen auf extremistische Bestrebungen gingen die Sicherheitsbehörden weiterhin nach.“ Wie der „Deutschlandfunk“ schreibt, weise die Vereinsführung Verbindungen in kriminell-extremistische Strukturen zurück und dulde laut Satzung keine extremistischen Einstellungen.

Doch immer noch hatte Robert Möritz das kritisierte Zeichen auf der Haut: Sein Unterarm zeigt eine sogenannte „Schwarze Sonne“. Zudem zweifelten laut Nachrichtenagentur dts Kritiker daran, dass Möritz sich wirklich von der Neonazi-Szene abgewandt habe. Man bemängele, dass er immer nur das einräume, was ihm gerade nachgewiesen worden sei. Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen etwa fragte:

Die ‚Schwarze Sonne‘ ist ein Element des Nationalsozialismus und ein Weltanschauungssymbol der SS. Sie besteht aus zwölf in Ringform gefassten gespiegelten Sig-Runen oder drei übereinander gelegten Hakenkreuzen. Wir fragen: Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU?“

Möritz zog nun seine Konsequenzen um den seit einer Woche anhaltenden Streit und trat aus der CDU aus. Er gab an, dass er sich zutiefst mit den Werten der CDU verbunden fühle und diese vollumfänglich vertrete.

Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden und politische Diskussionen zu befrieden, möchte ich hiermit ein persönliches Zeichen setzen. Manchmal bedarf es der Besinnung auf die wahren Prioritäten im Leben,“ so Möritz.

Dies zitierte die „Welt“ aus einem Schreiben des kritisierten Kreispolitikers vom 20.12. zur Niederlegung all seiner Partei-Funktionen und dem Austritt aus der CDU. Möritz bat um Bestätigung der Kündigung seiner Mitgliedschaft, die die in Sachsen-Anhalt regierende Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen in eine Krise brachte.

Nazi-Symbolik auf der Haut

Auf die Frage der Grünen, wie viele Hakenkreuze die CDU vertrage, sagte Landeschef Holger Stahlknecht nach der Sitzung vom Donnerstag mit seinen Parteikollegen: „Keine!“ Kreispolitiker Robert Möritz könne in seinem jetzigen Zustand, mit Neonazi-Tattoo, nicht Mitglied der CDU sein, stellte Stahlknecht klar.

Mit dieser Entscheidung stellt sich auch der Kreisverband Anhalt-Bitterfeld hinter die neue Linie. Vor einer Woche hatte sie ihrem Beisitzer Möritz trotz mutmaßlicher Neonazi-Verbindungen noch das Vertrauen ausgesprochen. Ob Möritz in der CDU bleiben darf, war aber noch nicht entschieden worden. Er wurde gebeten, zunächst sein Amt als Beisitzer in der Kreis-CDU ruhen zu lassen.

Möritz hatte vor einer Woche bei einer Sondersitzung des Gremiums nach Enthüllungen eingeräumt, 2011 bei einer Neonazi-Demonstration Ordner gewesen zu sein. Zudem war er zum Zeitpunkt der Sitzung noch aktives Mitglied im umstrittenen Verein Uniter, dem Kritiker Verbindungen ins rechtsextreme Milieu vorwerfen würden, schreibt dts. Nach dem Bekanntwerden dieser Information trat Möritz aus dem Verein aus.

Heftige Proteste von Rot-Grün

Die Kreis-CDU hatte sich zunächst trotzdem hinter Möritz gestellt und entschieden, ihn im Vorstand zu belassen. Das sorgte für heftige Proteste von den CDU-Koalitionspartnern SPD und Grünen in Magdeburg.

Der Streit schaukelte sich so hoch, dass zwischenzeitlich die Zukunft der Kenia-Koalition infrage stand. Zudem melden sich bundesweit immer wieder Kritiker zu Wort, die der Landes-CDU aufgrund dieses Falles sowie früherer Debatten um eine perspektivische Zusammenarbeit mit der AfD eine mangelnde Abgrenzung nach rechts vorwerfen.

Nach Angaben der „Zeit“ erlebte die seit 2016 von Ministerpräsident Reiner Haselhoff (CDU) geführten ersten sogenannten Kenia-Koalition in Deutschland bereits mehrere Krisen, „insbesondere, weil CDU-Landespolitiker für ein Ende der Ausgrenzung der AfD eintreten“, so das Blatt. Anfang November forderten beispielsweise 17 konservative CDU-Politiker und Politikerinnen aus dem von Bodo Ramelow (Linke) und Rot-Rot-Grün regierten Thüringen in einem Appell: „Demokratie erfordert Dialog“ – und zwar mit allen demokratisch gewählten Parteien im Thüringer Landtag.

Die SPD stellte in einem Beschluss des Landesvorstandes im Fall Möritz Bedingungen für eine weitere Regierungszusammenarbeit: Geschäftsgrundlage der Kenia-Koalition sei der Einsatz „für Demokratie, gegen Rechtsextremismus und Rassismus“. Man erwarte von der CDU, dafür glaubhaft einzustehen.

CDU in Möritz-Frage gespalten

„Es gibt in der Familie der Kreis-CDU gewichtige Stimmen, die für einen Parteiausschluss sind“, sagte Stahlknecht. Es gebe gewichtige Stimmen, die Möritz die Abkehr von der rechtsextremen Szene nicht glauben würden.

Es gebe aber auch die gegenteilige Meinung.

Die CDU pochte bereits in den vergangenen Tagen darauf, dass alle eine zweite Chance verdient hätten, die sich glaubhaft von einer extremistischen Vergangenheit lossagten.

Möritz hätte zu diesem Zeitpunkt noch zu einer Sondersitzung des Landesvorstandes am 28. Dezember eingeladen werden sollen und sollte zu diesem Termin hin schriftlich all seine Aktivitäten mit der rechtsextremen Szene darlegen. Auch hätte er erklären sollen,  dass Hakenkreuze und andere NS-Symbolik mit den Grundsätzen der Landes-CDU unvereinbar seien.

Konservativer Flügel der CDU ist klein

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer verwies zwar auf das von der Kreis-CDU ausgesprochene Vertrauen gegenüber Robert Möritz, fügte aber hinzu: „Sollte sich jetzt herausstellen, dass dieses Vertrauen missbraucht worden ist, dann bin ich der Auffassung: Dann müssen entsprechende Konsequenzen eben auch gezogen werden.“

Sachsen-Anhalts CDU-Landeschef Stahlknecht wies den Vorwurf zurück, seine Landes-CDU erfahre einen Rechtsruck. Der DPA gegenüber sagte Stahlknecht: „Der konservative Flügel ist ein kleiner, aber lauter Teil,“ so Holger Stahlknecht, Landesvoristzender CDU und Innenminister.

Der Flügel steuere aber nicht die Ausrichtung der gesamten Partei, die Landes-CDU sei breit aufgestellt. „Wer ständig rechts blinkt, der fährt auf dem Standstreifen.“ Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es nicht geben, so Stahlknecht. (dpa/sm)

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