Tauziehen um 700 Millionen Euro Fördermittel – Debatte um neues Gesetz erhitzt Gemüter

Es geht um Geld, um viel Geld – die AfD ging bislang leer aus. Nun ist ein neues Gesetz in Vorbereitung. Im Bundestag sorgt es für hitzige Debatten.
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Deutscher Bundestag.Foto: ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images
Von 15. Oktober 2023

Am 13. Oktober fand im Bundestag eine erste Beratung zum Stiftungsfinanzierungsgesetz statt. Den Entwurf hatten die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eingebracht.

Wozu ein neues Gesetz?

Dem neuen Gesetzentwurf liegt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 2023 (2 BvE 3/19) zugrunde.

Die Richter waren nach Einreichung einer Klage der AfD zu der Ansicht gekommen, dass die Fraktion durch den Erlass im Haushaltsgesetz 2019 in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt worden war.

Das Gericht stellte klar, dass die 2017 gegründete AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung im Gegensatz zu anderen politischen Stiftungen von Parteien für die Jahre 2018 bis 2022 von staatlichen Fördermitteln ausgeschlossen wurde. Für die Rechtfertigung dieses Eingriffes bedürfe es laut Gericht jedoch eines besonderen Parlamentsgesetzes.

Inzwischen liegt ein Gesetzentwurf vor, der die Vergabe der jährlichen Fördermittel von 700 Millionen Euro aus Steuergeldern an die parteinahen Stiftungen regeln soll.

„Lach und Sachgeschichten aus dem Deutschen Bundestag“

Während der ersten Anhörung zum Stiftungsfinanzierungsgesetz am 13. Oktober erklärte der fraktionslose Abgeordnete Matthias Helferich die Notwendigkeit des neuen Gesetzes mit einfachen Worten als eine Art „Sendung mit der Maus“, die er als „Lach und Sachgeschichten aus dem Deutschen Bundestag“ bezeichnete. Er sagte:

„Parteien sorgen in Deutschland dafür, dass Politiker ganz, ganz viel Geld verdienen. Deshalb erhalten Parteien von Politikern viel Geld. Da man aber nie genug Geld haben kann, haben Politiker dafür gesorgt, dass auch die parteinahen Stiftungen richtig viel Geld erhalten. Denn meistens ist man nicht sein Leben lang Politiker, weil man nichts wirklich kann und dann in einer parteinahen Stiftung weiter abkassieren kann. In den vergangenen Jahren erhielten die parteinahen Stiftungen fast 660 Millionen Euro Steuergeld.

Da aber alle anderen Parteien die AfD richtig doof finden, kriegt die AfD-nahe Stiftung nichts. Das wiederum hat die AfD richtig sauer gemacht und deshalb hat die vorm Bundesverfassungsgericht geklagt. Dort sitzt der Stefan als Richter, der lange sehr gut mit den anderen Parteien, die alle die AfD doof finden, befreundet war und gerne mit der Angela essen geht. Stefan sagt den anderen Parteien, dass der Ausschluss der AfD Stiftung verfassungswidrig ist, und rät, die Haushaltswillkür in Gesetzesform zu gießen.“

Finanzierung für fast alle Parteien gesichert

Tatsächlich gehen aus dem Gesetzentwurf klare Vorteile für die etablierten Parteien hervor. Während § 2 eine Vielzahl von Voraussetzungen für die Förderung beinhaltet, die eine neue Stiftung erfüllen muss, ist in § 8 geregelt:

„Mit Blick auf die politischen Stiftungen, die bereits seit mehreren Legislaturperioden gefördert werden, kann die Anerkennung nach § 1 Absatz 1 zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes als erteilt vorausgesetzt werden.“ Dies sei „sachgemäß“.

Nicht förderfähig hingegen ist eine Stiftung, die nicht der Förderung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und dem Gedanken der Völkerverständigung dient oder wenn ein „gewichtiger Verdacht“ besteht, dass sie verfassungsfeindlichen Bestrebungen folgt. Eine weitere Grundbedingung ist, dass die der Stiftung nahe Partei in der dritten aufeinanderfolgenden Legislaturperiode in Fraktionsstärke in den Deutschen Bundestag eingezogen ist. Damit fällt die AfD momentan automatisch aus dem Rennen, da sie frühestens im Wahljahr 2025 zum dritten Mal in den Bundestag einziehen kann.

CDU wirft AfD Verbreitung einer „Mär“ vor

Der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling richtete folgende Worte an die Fraktion: „Wenn die AfD jetzt die Mär verbreitet, mit dem Stiftungsfinanzierungsgesetz hätten sich die etablierten Parteien gegen sie gewandt, dann kann man das nur so deuten, dass sich die AfD dagegen wehren will, mit ihrer Stiftung für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten zu müssen.“

Gleichzeitig stellte Heveling klar, dass die AfD sich nicht an das neue Gesetz halten müsse.  Das bedeute jedoch, dass keine Gelder für die Desiderius-Erasmus-Stiftung aus dem „Staatsäckel“ fließen werde. Umgekehrt gelte aber auch, dass Gelder gezahlt würden, wenn die AfD die Bedingungen erfüllt und bei der nächsten Bundestagswahl erneut ins Parlament einzieht.

Der Grünen-Politiker Dr. Konstantin von Notz wies auf die Bedeutung der Stiftungen bei der politischen Willensbildung hin. Als Beispiele nannte er „qualitativ hochwertige Informations- und Diskussionsveranstaltungen“, Vergabe von Stipendien, Stärkung der internationalen Zusammenarbeit sowie Verwaltung von Archiven.

Er sprach sich ausdrücklich dagegen aus, dass Gelder, die für die Stärkung der Demokratie vorgesehen sind, an Leute geraten, die die Demokratie „abreißen“ wollen.

„Das wäre ungefähr so, als würden wir aus dem Topf der Mittel des Katastrophenschutzes Organisationen fördern, die Katastrophen in unserer Gesellschaft auslösen wollen. Das ist unsinnig“, so von Notz. Das beziehe sich auf sämtliche Stiftungen aller Strömungen, seien sie nun links- oder rechtsextremistisch oder „einfach demokratiefeindlich“.

AfD: Gesetz ist „dreistes Lehrstück von Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft“

Der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer wies eingangs seiner Bundestagsrede darauf hin, dass das Budget für die parteinahen Stiftungen „extrem hoch“ sei. Seine Fraktion habe bereits im Jahr 2019 ein Stiftungsgesetz mit einer Absenkung um 70 Prozent der Mittel eingebracht, „was für die durchaus wichtige Bildungsarbeit der Stiftungen noch immer völlig ausreichend wäre“.

Erst die Klage der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht habe die jahrzehntelangen „Kungeleien“ aller Parteien und ihrer Stiftungen beendet.

„30 Jahre lang hat eine Hinterzimmergruppe jedes Jahr bis zu 700 Millionen Euro […] jährlich vollkommen intransparent unter sich aufgeteilt“, kritisierte der AfD-Politiker.

Er bezeichnete den vorliegenden Gesetzentwurf als „dreistes Lehrstück von Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft“. Dabei bemängelte er vor allem die Vorgabe, dass eine Partei drei Legislaturperioden in Folge im Bundestag vertreten sein muss. Im Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts sei hingegen ganz „glasklar“ geregelt, dass es nicht einmal einer Legislaturperiode bedürfe.

Weiter kritisierte er, dass das Innenministerium und der Verfassungsschutz – „was ja letzten Endes dasselbe ist“, so Boehringer –  nun über politische Konkurrenten richten müssten. Der in § 2 des Gesetzentwurfs geregelte „Verdachtsfall“, mit der einer Stiftung das Geld verwehrt werden könne, widerspreche jedoch einem Gutachten des Innenministeriums. Daraus gehe hervor, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz keine über das Sammeln von Informationen hinausgehenden Befugnisse zustehen würden.

FDP zieht Vergleich zum Wolf im Schafspelz

Stephan Thomae (FDP) äußerte: „Wenn eine Partei ein Wolf ist, kann man nicht einfach so tun, als wäre die Stiftung ein Schaf.“ Insoweit brauche man eine gewisse Gesamtbetrachtung von Partei und Stiftung. Neben inhaltlichen Vorgaben gebe es auch formelle, die allerdings nicht nur auf die AfD gemünzt seien, so Thomae.

„Wir gehen nur dann davon aus, dass eine Stiftung steuerlich finanziert werden kann, wenn sie auch eine gewisse verfestigte Grundströmung im Lande repräsentiert.“ Das sei dann der Fall, wenn die Partei in den Bundestag gewählt wurde und sich dort drei Wahlperioden hält. Dieses Prinzip habe es bereits früher gegeben.

Insoweit sah der FDP-Politiker nicht ein, dass neue Stiftungen besser behandelt werden sollen als frühere.

Thomae selbst hätte sich bezüglich der Entscheidung, wer die Prüfung der parteinahen Stiftungen übernimmt, auch eine Zuständigkeit bei der Bundestagspräsidentin vorstellen können. Aber vorliegend gehe es nun einmal auch um „schwierige fachliche rechtliche Prüfungsfragen“. Aus seiner Sicht ist es angebracht, dass eine Kommission Klarheit schafft, welche unabhängige Stelle hier die Zuständigkeit übernimmt, „ohne ein neues bürokratisches Monster zu generieren“.

Der FDP-Politiker bezeichnete es als schwierige Aufgabe, sich einerseits „entschlossen und wehrhaft“ gegen Verfassungsfeinde zu stellen und „gleichzeitig auf dem Boden der Verfassung des Rechtsstaates zu bleiben“.

Linke: Kein Geld an Feinde der Demokratie

Clara Bünger (Linke) sieht das geplante Gesetz als wichtigen Baustein für eine zukünftige „Brandmauer gegen rassistische, verschwörungsideologische und antidemokratische Bestrebungen, wie wir sie auch hier im Bundestag sehen“. Das betreffe auch die Stiftung der AfD. „Es darf kein Geld für Feinde der Demokratie und Menschenwürde geben“, so Bünger.

Wenn die AfD dieses Gesetz als gegen ihre Fraktion gerichtet betrachte, sei es nicht das Problem des Gesetzes, „sondern das mag daran liegen, dass die AfD Ziele verfolgt, die im Widerspruch zu den Grundwerten aus unserem Grundgesetz stehen“.

Die Linken-Politikerin fordert, dass sich das Gesetz auf wenige zentrale unentbehrliche Grundprinzipien konzentriert. Im Vordergrund stehe das Prinzip der Menschenwürde.

Auch Bünger sprach sich dafür aus, dass die Bundestagspräsidentin über die Mittelvergabe als unabhängige Instanz entscheidet. Sie kritisierte, dass die Entscheidungsbefugnis nach dem bisherigen Entwurf beim Bundesinnenministerium, dem Geheimdienst und den Verfassungsschutzbehörden liegt.

„Der Geheimdienst hat in der Vergangenheit unter Beweis gestellt, dass er mit seinen Einschätzungen zeitlich nicht auf der Höhe ist und Entscheidungen weder transparent noch demokratisch kontrollierbar erfolgen“, erklärte die Linken-Politikerin, wobei sie auf die „Personalie Hans-Georg Maaßen“, den ehemaligen Chef des Verfassungsschutzes, Bezug nahm.

SPD: Kein Geld für Stiftungen mit „Umsturzphantasien“

„Wir brauchen politische Stiftungen, die für die freiheitlich demokratische Grundordnung werben, mehr denn je“, erklärte Dr. Johannes Fechner (SPD).

Die wichtigste Regel für die Förderung parteinaher Stiftung sei folgende: „Kein Geld für Verfassungsfeinde“, betonte er. Nicht gefördert werden demnach Stiftungen, die sich nicht aktiv für Demokratie und Freiheit einsetzen oder eine „Verbreitung von Umsturzphantasien“, einen Ausschluss von Deutschen mit Migrationshintergrund, die Ablehnung der Religionsfreiheit sowie die Missachtung der Menschenwürde fördern.

Doch selbst wenn frühere Veröffentlichungen von Stiftungen diesem Rahmen entsprechen, so besteht laut Fechner keine Gewähr dafür, dass diese Stiftung verfassungsfreundlich arbeitet.

Lobenswert erwähnte der SPD-Politiker die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), der Konrad-Adanauer-Stiftung (CDU), der Heinrich-Böll-Stiftung (Grünen), der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP), der Hans-Seidel-Stiftung (CSU) und der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Die Linken), die bislang Fördermittel aus den Steuergeldern erhielten.

Am 16. Oktober muss sich nun der Ausschuss für Inneres und Heimat mit dem Gesetzentwurf sowie einem Antrag der AfD befassen. Die Fraktion hatte einen eigenen Gesetzentwurf über die Rechtsstellung und die Finanzierung parteinaher Stiftungen eingereicht. Die öffentliche Anhörung ist für zwei Stunden angesetzt und beginnt um 14 Uhr. Eine Übertragung erfolgt live im Parlamentsfernsehen und im Internet auf www.bundestag.de.



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