Tübingen: Professor zur Ausbildung islamischer Seelsorger bei antisemitischem Kongress in Ankara

Dr. Abdelmalek Hibaoui ist Mitglied des Gelehrtenrats des Zentralrats der Muslime und bildet als Professor Islamische Praktische Theologie an der Eberhard Karls Universität in Tübingen islamische Seelsorger aus. Am vergangenen Wochenende hat er an einem Kongress in Ankara teilgenommen. Dieser entpuppte sich als islamistische Propagandaveranstaltung der türkischen „Saadet“-Partei.
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Die Stiftskirche Sankt Georg und Fachwerkhäuser in Tübingen.Foto: iStock
Von 20. September 2019

Neben Münster ist Tübingen einer der Standorte, an denen in Deutschland ein Zentrum für Islamische Theologie existiert. In beiden Fällen sind entsprechende Einrichtungen an den jeweiligen Universitäten gegründet worden. Während in Münster vorwiegend Theologen für den Einsatz im islamischen Religionsunterricht an Schulen ausgebildet werden, ist Tübingen vor allem als Standort für die Ausbildung von Seelsorgern bedeutsam.

Am Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Tübingen ist auch Dr. Abdelmalek Hibaoui als Professor für Islamische Praktische Theologie tätig. Dort bildet er unter anderem Seelsorger für den Einsatz in Krankenhäusern und Gefängnissen aus. Er ist zudem Mitglied im Gelehrtenrat des Zentralrats der Muslime.

Hibaoui begrüßt Muslimbrüder-Sprecher a.D. und früherer iranischer Außenminister

In deutschen Medien hat Hibaoui seine Aufgabe mehrfach als die eines „Brückenbauers“ umschrieben. Seine Teilnahme an einer Konferenz in Ankara am vergangenen Wochenende (14./15.9.) hat nun jedoch ein kritisches Echo hervorgerufen.

Der in Marokko geborene Hibaoui hatte einer Einladung des „Zentrums für Studien der Islamischen Union“ (Isbam) Folge geleistet, das eine Veranstaltung zum Thema „Die Zukunft der islamischen Welt und Palästinas“ abhielt.

Ob dem Theologen im Vorfeld der Teilnahme bekannt war, wer hinter diesem Zentrum steckt, ist ungewiss. Auf Anfrage der „Welt“ erklärt eine Sprecherin der Universität Tübingen, das Isbam sei Hibaoui zuvor kein Begriff gewesen. Tatsächlich ist es außerhalb der Türkei und an dortigen Vorgängen interessierten Teilen der türkischen Einwanderercommunity in Europa wenig bekannt.

In der arabischen und islamischen Welt scheint es jedoch zumindest insofern einen gewissen Bekanntheitsgrad aufzuweisen, als – wie der „Welt“ zufolge Bildern, die Hibaoui selbst auf seinem Facebook-Profil gepostet hat, zu entnehmen war – der frühere Sprecher der extremistischen Muslimbruderschaft in Ägypten, Kamal Helbawy, und der frühere iranische Außenminister Manouchehr Mottaki die Organisation offenbar kannten und mit ihrem Besuch bedachten.

Hibaoui soll Helbawy in einem Post als „großen Denker“ bezeichnet haben. Mottaki eröffnete 2006 eine internationale Konferenz von Holocaustleugnern in Teheran. Mittlerweile ist kein Beitrag mehr auf seiner Facebook-Seite zu finden, in dem auf Helbawy oder Mottaki Bezug genommen würde.

Erdoğan ist ihnen nicht radikal genug

Bei der Isbam handelt es sich um eine Vorfeldorganisation der radikal-islamischen türkischen „Glückseligkeitspartei“ (Saadet). Diese wurde 2001 vom einstigen Premierministers Necmettin Erbakan gegründet, nachdem dessen „Wohlfahrtspartei“ (Refah) 1997 wegen verfassungswidriger islamistischer Ausrichtung verboten worden war und das Auffangbecken „Tugendpartei“ (FP) gleichfalls vor dem Verbot stand.

Bei der Saadet sammelten sich jene bekennenden Islamisten aus dem Muslimbruderschafts- und Milli-Görüs-Umfeld, denen der Weg früherer Weggefährten wie Recep Tayyip Erdoğan, Abdullah Gül oder Ahmet Davutoğlu, die ebenfalls 2001 die spätere Regierungspartei AKP gründeten, als zu reformorientiert und zu wenig islamisch erschien. Auch heute gehört Saadet noch zur Milli-Görüs-Bewegung, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Mehrere Redner auf der Konferenz wie Kadir Arakas vom proiranischen „Verein der Ehl-i-Beyt-Gelehrten“ hielten aggressive Reden mit antisemitischem Inhalt, verherrlichten den terroristischen „Widerstand in Palästina“ und beschworen den Auftrag der „Mudschahedin“ zur „Befreiung der Al-Aksa-Moschee“. Es wurden die Bildung einer „Islamischen Union“ und die Auflösung und Zerstörung Israels gefordert. Die Führung der Saadet hielt die Eröffnungsreden.

Hibaoui hat auf Nachfrage der „Welt“ über die Universität Tübingen verkünden lassen, dass er sich von den antisemitischen und islamistischen Inhalten distanziere und die Tagung „falsch eingeschätzt“ habe. Er selbst habe in seinem Redebeitrag dazu aufgerufen, „die Debatten zum Islam und seinem Verhältnis zum Westen weniger emotional und stärker differenziert zu führen; für Kriege und Spaltungen der islamischen Welt seien die Muslime selbst auch mitverantwortlich“.

Hibaouis Redebeitrag selbst war moderat

Auch das Verlautbarungsorgan der Saadet, die „Milli Gazete“, schrieb, dass Hibaoui von einem „Mechanismus der Selbstkritik“ gesprochen habe, welchen islamische Gesellschaften entwickeln müssten. Es müsse in die Ausbildung von Menschen investiert werden, die „sich selbst aufbauen und erneuern“ könnten. Gegenüber der „Welt“ erklärte der Theologe:

Mit der Ausbildung meinte ich die religiöse und politische Bildung, wie wir diese in Deutschland kennen. Damit werden Intoleranz gegenüber dem anderen, religiöse Radikalisierung und Missbrauch der Religion bekämpft und die Erziehung zu Demokratie und Menschenrechten als Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben gewährleistet.“

Der Zentralrat der Muslime, dessen 15-köpfigem Gelehrtenrat Hibaoui angehört, erklärte der „Welt“, dass die anderen Podiumsteilnehmer „nicht zwingend unsere Position“ wiedergäben, deren Einordung aber auch nicht Aufgabe des Zentralrats sei. „Wichtig ist uns, dass wir bei solchen Tagungen unseren Weg des Diskurses vorstellen, der auf moderate Konfliktlösungen setzt.“

In Deutschland gehören dem Zentralrat der Muslime 22 Mitgliedsvereinigungen an, die 20 000 Muslime vertreten – hauptsächlich Einwanderer aus dem arabischen Raum und deutsche Konvertiten. Obwohl der Verband damit mitgliedermäßig zu den weniger bedeutenden Islamverbänden zählt, ist er dank der offensiven Medienarbeit seines Sprechers Aiman Mazyek einer der bekanntesten und einflussreichsten.

Zum radikalen Islam hat er ein ambivalentes Verhältnis. Unter anderem gehören ihm die Muslimbruderschafts-nahe Deutsche Muslimische Gemeinschaft und das nach Einschätzung des Verfassungsschutzes vom iranischen Regime gesteuerte Islamische Zentrum Hamburg an.



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