Tübinger OB Boris Palmer ist offiziell kein Grüner mehr
Boris Palmer inszeniert sich nicht erst seit gestern als Enfant terrible der Grünen. Das ist Teil seines Erfolgsrezeptes als Tübinger Oberbürgermeister in der dritten Amtszeit. Jetzt allerdings stolperte Palmer über das N-Wort und einen Bezug zur Judenverfolgung. Er trat aus der Partei aus und will in einem professionellen Coaching lernen, sich in Stresssituationen nicht sofort zu solchen Aussagen hinreißen zu lassen.
Der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer ist seit 1996 Mitglied der Partei Die Grünen. Zur Bürgermeisterwahl im Oktober 2022 war er allerdings trotz Parteibuch nicht für die Grünen, sondern als parteiloser Kandidat angetreten. Palmer gewann die Wahl mit über fünfzig Prozent und wurde zum dritten Mal in Folge Oberbürgermeister der Stadt.
Der Parteiaustritt von Boris Palmer wird aktuell mit Äußerungen von Palmer erklärt, die in Politik und Medien für einige Empörung sorgten. Dazu gibt es eine Vorgeschichte:
Schon auf dem baden-württembergischen Landesparteitag der Grünen Anfang Mai 2021 hatten die Grünen beschlossen, ein Ausschlussverfahren gegen Palmer einzuleiten. Das Verfahren wurde nur deshalb nicht losgetreten, weil man sich auf einen Kompromiss einigte: Der umstrittene Grüne ließ seine Mitgliedschaft bis Ende 2023 ruhen.
Demnach hat der als Parteiloser gewählte Palmer jetzt eine ruhende Parteimitgliedschaft gekündigt. Der ursprüngliche Ausschlussantrag war mit über zwanzig Vorwürfen auf 33 Seiten begründet worden.
Palmer kommentierte das Verfahren damals gegenüber der taz folgendermaßen:
„Gegen die um sich greifende Ideologie der Cancel Culture wehre er sich ‚mit jeder Faser meines politischen Daseins. Wer das verstehen will, muss wissen, dass ich als Kind meinen Vater in der JVA Stammheim besucht habe. Der engste Kontakt bestand darin, meine Hände auf eine Panzerglasscheibe zu legen. Er war 18 Monate im Gefängnis, unter anderem weil er Nazis Nazis nannte. Ich kann Ächtung und Existenzvernichtung wegen angeblich falscher Wortwahl niemals akzeptieren. Das beschädigt den Kern der liberalen Demokratie.‘“
Die Antragsteller hatten Palmer eine Reihe von Äußerungen vorgeworfen, die auch medial für Empörung gesorgt hatten. Palmers Verteidiger, der altgrüne Rezzo Schlauch, nannte den Ausschlussantrag indes 2021 noch „politisch und rechtlich eine grobe Fehlleistung“.
Schlauch hat Palmer jetzt, etwa zwei Jahre später, die juristische Vertretung und die Freundschaft aufgekündigt. Dazu erklärte der Anwalt am vergangenen Sonntag in einer „Presseerklärung“ auf seiner Internetseite:
„Keine noch so harte Provokation, keine noch so niederträchtige Beschimpfungen und Beleidigungen von linksradikalen Provokateuren rechtfertigen eine historische Parallele zum Judenstern als Symbol der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland her zu stellen. Da gibt es nichts mehr zu erklären, zu verteidigen oder zu entschuldigen.“
Was war vorgefallen, dass auch den Verteidiger im Parteiausschlussverfahren von Palmer abrücken ließ?
Der Tübinger Bürgermeister war am 28. April in Frankfurt am Main als ein Referent einer Migrationskonferenz eingeladen worden. Schon vor Betreten des Veranstaltungsortes wurde der OB von Demonstranten angegangen, die lautstark „Nazis raus!“ skandierten. Hier stimmte Palmer noch klatschend mit ein, um zu demonstrieren, dass er keiner sei.
„Verpiss Dich“, hieß es daraufhin aus der Gruppe der Demonstranten, nachdem Palmer zuvor einer farbigen Person gegenüber das N-Wort erneut wiederholt hatte und das anschließend noch begründen wollte, wozu es aber nicht kam.
Mitten in das darauffolgende Geschrei fiel dann folgender Satz von Boris Palmer, der von einer Passantin mit dem Handy aufgezeichnet wurde: „Ihr beurteilt Menschen anhand von einem einzelnen Wort. Das ist nichts anderes als der Judenstern.“
Beim Weggehen ergänzte Palmer noch: „Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi, denkt mal darüber nach.“ Nachgerufen wurde ihm unter anderem: „Tschüss, verpiss dich.“
Mutmaßlich haderte Palmer anschließend selbst mit sich und damit, was er da vor der Tür des Veranstaltungsortes zur Migrationskonferenz äußerte. Dafür spricht jedenfalls eine E-Mail an den grünen Landesvorstand Baden-Württemberg, mit der Palmer wenige Stunden nach Ende der Konferenz seinen Austritt bei den Grünen mitteilte.
Die E-Mail wurde dem „Spiegel“ weitergeleitet, Boris Palmer wird wie folgt zitiert:
„Ich möchte damit vermeiden, dass die aktuellen Diskussionen um mich eine weitere lang anhaltende Belastung für die Partei werden, für die ich seit 1996 mit viel Herzblut gekämpft habe.“ Palmer soll sich in der E-Mail auch für die Unterstützung bedankt haben. Er befindet darin ebenfalls, dass es so nicht weitergehen könne. Die vielen Shitstorms gegen ihn seien auch seiner Familie, Vertrauten und Unterstützern nicht mehr zuzumuten.
Zu den Vorfällen in Frankfurt erklärt sich Boris Palmer durchaus selbstkritisch:
„Wenn ich mich zu Unrecht angegriffen fühle und spontan reagiere, wehre ich mich in einer Weise, die alles nur schlimmer macht.“ Als Nazi bezeichnet zu werden, hätte „tief sitzende Erinnerungen wach gerufen“, etwa an seinen Vater, „der mit dem Judenstern auf der Brust gegen Unrecht demonstrierte“, zitiert der „Spiegel“.
Palmer schreibt weiter, als Politiker und Oberbürgermeister hätte er niemals so reden dürfen. „Die Erwähnung des Judensterns war falsch und völlig unangemessen.“ Er relativiere niemals den Holocaust. Dass der Eindruck entstanden sei, täte ihm „unsagbar leid“.
Überdies kündigte der Tübinger Oberbürgermeister an, zukünftig solche öffentlichen Konfrontationen zu meiden, „solange ich nicht sicher bin, neue Mechanismen der Selbstkontrolle zu beherrschen“. Dafür werde er sich professionelle Hilfe holen.
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